Review

Pan Daijing

Tissues

PAN • 2022

Nachdem im vergangenen Frühling mit »Jade« ihr bis dato wohl zärtlichstes, sprich: zugänglichstes Album erschien, gräbt Pan Daijing für die unbeirrbaren Experimentierer mit Hang zum Kitsch von PAN in ihren Archivschätzen aus präpandemischen Zeiten. Im Oktober 2019 führte die Wahlberlinerin in der Londoner Tate Modern ihr opernartiges Stück »Tissues« auf, bei der gleichnamigen Platte handelt es sich um ein knapp einstündiges Audioexzerpt, für das sich Pan Daijing mit ausgebildeten Sänger•innen im Studio traf. Das Resultat macht zunächst mal etwas ratlos, schließlich lässt sich die Tonspur einer Oper nicht unbedingt mit dem Soundtrack eines herkömmlichen Films vergleichen. Vor allem, wenn es keineswegs um konventionellen Pop oder leicht zugängliche Musik, sondern um Drones, wehklagende Stimmen, gelegentliches Rauschen, und sinisteres Bassgrollen geht. Zu allem Überfluss singen Pan Daijing und Konsort*innen auch noch auf (Alt)Chinesisch, was die Dechiffrierung der verhandelten Inhalte nicht vereinfacht. Bleibt nur eins: Zuhören, und – ist das bei einer rein tonalen Veröffentlichung nicht sowieso gewünscht? – entscheiden, ob die Musik für sich funktioniert. Das tut sie zumeist. Hat man zu Beginn noch das Gefühl, dass der sophistische, künstlerische Anspruch den Unterhaltungswert nennenswert beeinträchtigt, bewahrheitet sich die abgenudelte, vom Label mit auf den Weg gegebene Weisung, man solle das Stück von Anfang bis Ende hören, zusehends. Kurz vor der Halbzeit kippt die Experimentaloper beispielsweise in scharfkantigen Noise, der die pseudoelitäre Artsy-Fartsy-Stoßrichtung korrigiert.