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Lob der Quetschkommode

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Entlockte dem Bajan wahre Orgelklänge: Vladimir Denissenkov.  Foto: Fischer
Entlockte dem Bajan wahre Orgelklänge: Vladimir Denissenkov. Foto: Fischer © -

Kassel. Im vorigen Jahr das Kulturzentrum Schlachthof „ausverkauft“, dieses Jahr die Adventskirche „ausverkauft“: Die im Rahmen des Weltmusikfestivals stattfindende Akkordeonale erwies sich am Dienstagabend einmal mehr als absoluter Publikumsmagnet.

Vielleicht liegt es an dem Facettenreichtum, mit dem Organisator Servais Haanen dieses Gipfeltreffen der Handharmonika-Spieler zusammenstellt, vielleicht an dem Trend, die gute alte Quetschkommode neu zu entdecken. Nach einem flotten Intro, in dem der Italiener Donatello Pisanello auf seiner diatonischen Organetta eine typische Pizzica aus dem Salento vorstellte, gab es in der ersten Konzerthälfte einen Reigen der Instrumententypen und Akkordeon-Stile. Cathrin Pfeifer präsentierte mit „Mango Tango“ auf ihrem klangvollen Cassotto-Instrument einen vollgriffigen Sound in der Tradition des Tango Nuevo, Estevao Tavares von den Kapverden setzte auf seiner in Landessprache Gaita genannten Ziehharmonika folkloristischen Schwung dagegen. Vladimir Denissenkov füllte das Kirchenschiff in virtuoser Weise mit Orgelklängen, die seinem mächtigen Bajan entströmten. Servais Haanen, auch als Entertainer eine Wucht, entspann als Mittler zwischen den Welten seinen typischen feinen Klang auf dem Knopfakkordeon, an diesem Abend im Dialog mit der ausgezeichneten Cellistin Johanna Stein.

Haanens „Die andere Hälfte des Gleichgewichts“ vereinte die Spieler zu einem Großensemble, über ein achttaktiges Harmoniegerüst entwickelten sich Linien und Soli zu einem Klang, der ergänzt durch die versierten Percussions von Marco A. Fox an ein Orchestrion erinnerte. Mit „Saudade“ einem der Klassiker der kapverdischen Musik, hier von Estavao Tavares gesungen, wurde der Abend in großer Besetzung beschlossen.

Nein, halt! Natürlich forderte das begeisterte Publikum eine Zugabe, und bei „Funicoli, Funicola“ hielt es niemanden mehr still auf den Bänken. Ein wunderbarer Abend, nicht nur für Akkordeonfreunde.

Von Hartmut Schmidt

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