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Schlachthaus von Verdun

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Anklagende Grafik: Gestaltet vom Elsässer Künstler Jean-Jacques Waltz, der als Freiwilliger auf französischer Seite gekämpft hatte.
Anklagende Grafik: Gestaltet vom Elsässer Künstler Jean-Jacques Waltz, der als Freiwilliger auf französischer Seite gekämpft hatte. © -

Frankenhain. Die Gewalt der an die 1300 zur Vorbereitung des Angriffs zusammengezogenen Geschütze soll sogar in der Schwalm spürbar gewesen sein. Die Frankenhainer Schulchronik vermerkt: „Mehrfach vernahm man hier an manchen Tagen des Februar und März fernen und dumpfen Donner aus südwestlicher Richtung."

"Zweifellos rührt dieses Geräusch von der gewaltigen Kanonade von Verdun her. Natürlich kann es sich hier nur um die größten Geschütze (42iger) handeln. Die Schallwirkung ist bei südwestlichen Winden von Verdun nach unserer Heimat sehr günstig. Ich erinnere dabei nur an folgende Stichpunkte: Lahntal, Moseltal, keine Gebirge. Selbst bei geschlossenem Fenster vernahm man im Zimmer den dröhnenden Schall", schrieb man in der Schulchronik nieder.

Einer, der an den verlustreichen Kämpfen vor Verdun in vorderster Linie teilgenommen hatte, war der Ersatzreservist Karl Wilhelm, Lehrer in Merzhausen. Am 7. März, um 12 Uhr kam der Befehl zum Sturm. Die Reihen rückten vor und wurden auf einer Anhöhe von feindlicher Artillerie entdeckt. „Jetzt schlugen überall leichte und schwere Granaten ein. Eine schlug mitten in eine Stürmerreihe und riss eine große Lücke. Trotzdem ging es im Schritt weiter, und die Lücke schloss sich. Ich sah, wie einer der Getroffenen wieder aufsprang, den anderen einige Schritte nachlief, wieder hinfiel und dann tot liegen blieb. Andere Getroffene wälzten sich mehrmals hin und her, strampelten mit den Beinen und regten sich dann nicht mehr.“

Wochen später notierte er: „Die Kämpfe um die Besitznahme des Waldes hatten auf beiden Seiten viele Verluste gebracht. An einer Stelle lag eine französische Leiche ohne Kopf. Neben einem anderen toten Franzosen lag sein Käppi, das ich mir als Andenken mitnahm (…). Auf einem Pfad lag ein Franzosenfuß, kenntlich an dem Schuh und dem Rest der Winkelgamasche. Tagelang lag er hier. Eines Tages schob ich im Vorbeigehen mit meinem Stiefel den Fuß beiseite. Ein Stück weiter hing im Gebüsch am Waldrand ein deutscher Soldatenkörper ohne Kopf, ohne Arme und Beine.“

Am 9. April sollte wieder eine französische Stellung gestürmt werden. „Etwa viertel Stunde vor Beginn des Sturmes traten wir im Graben Mann neben Mann an. Es wurde zu dreien abgezählt, um die Zugehörigkeit des Einzelnen zu den drei Sturmwellen zu bestimmen.“ Die erste Welle kam vor den acht bis zehn Meter breiten Drahtverhauen zum Stehen, die zweite vor den eigenen Hindernissen. Ein Feldwebel, der sich hinstellte und befahl „Drahtscheren raus!“, wurde auf der Stelle erschossen. Später wurden sie von Einheiten des Reserve Infanterieregiments 208 abgelöst. Diese kamen aus Serbien und hatten nach eigenen Angaben manchmal sechs Wochen lang keinen Artillerieschuss gehört. Mit Bitternis erfuhr Wilhelm im November, dass die Franzosen das mühsam gewonnene Gelände zurück erobert hatten: „Die 208er sind vor dem Trommelfeuer ausgerissen, und die Franzosen fanden bei ihrem Angriff überhaupt keinen Widerstand. Ohne einen Schuss sind sie in den Graben gekommen. Res. Inf. Reg. 208 soll schnellstens wieder von der Westfront heraus gezogen werden.“

Von Bernd Lindenthal

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