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Vor allem Läufer betroffen: Mediziner warnt vor Untergewicht bei Sportlern

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Konstanze Klosterhalfen
Wiegt 48 Kilo: Die deutsche Mittel- und Langstreckenläuferin Konstanze Klosterhalfen (21) stand wegen ihrer Figur schon häufig in der Kritik. © Bernd Thissen/dpa

Kassel. In wenigen Tagen fällt der Startschuss für den Kassel Marathon. Unter den Läufern werden dann auch wieder einige unterwegs sein, die eine besorgniserregend schlanke Figur haben.

Untergewicht hat fatale Folgen. Wir haben mit Sportmediziner Dr. Peter Kentsch darüber gesprochen.

Herr Dr. Kentsch, was sind die größten Gefahren von Untergewicht bei Sportlern?

Dr. Peter Kentsch: Ausgeprägtes Untergewicht ist eine lebensbedrohliche Krankheit unabhängig vom Sport. Sie ist akut gefährlicher als Übergewicht. Beim Sport besteht folgendes Problem: Für einen Ausdauersportler ist ein niedriges Körpergewicht allein deshalb leistungsfördernd, weil er dadurch weniger Gewicht transportieren muss. Manche Ausdauersportler sind rein rechnerisch sogar untergewichtig, dies allerdings in der Regel ohne Krankheitswert.

Problematisch ist ein deutliches Untergewicht gepaart mit einer Mangelernährung. Der Körper reagiert darauf häufig unter anderem mit einer gesteigerten Infektanfälligkeit. Viele Untergewichtige nehmen jeden Schnupfen mit. Ihr Körper hat nicht genug Kraft für eine ausreichende Immunabwehr. Das ist ein erstes Warnzeichen.

Erreichen Sportler also durch Gewichtsreduktion eher das genaue Gegenteil von einer Leistungssteigerung?

Kentsch: Ja, das kann passieren. Da spielt vor allem die Ernährung eine große Rolle. Häufig wird die gesamte Nahrungszufuhr heruntergefahren und nicht nur auf ausgewählte Produkte verzichtet. Dadurch werden die Sportler insgesamt schwächer. Es fehlen wichtige Nahrungsbestandteile wie Eiweiße, Vitamine und Spurenelemente. Diese sind jedoch wichtig für viele regenerative Prozesse im Körper, zum Beispiel an den Muskeln und Sehnen.

Ab wann spricht man von Untergewicht?

Kentsch: Da gibt es klare Definitionen. Ein Mensch mit einem Body-Maß-Index unterhalb von 18,5 gilt als untergewichtig, mit einem BMI oberhalb von 24,9 als übergewichtig. Dabei handelt es sich aber um rein statistische Werte, sie beschreiben bei weitem nicht jeden. Ein muskelbepackter Mann wird häufig rein rechnerisch einen BMI von deutlich über 25 haben, ohne das der krankhaft ist. Fest steht aber: Liegt ein Sportler außerhalb dieser Werte, sollte man ein Auge darauf haben.

Ist jeder Leistungssportler gefährdet?

Kentsch: Leistungssportler treiben meistens schon sehr lange Sport, sind in Trainingsgruppen organisiert, werden betreut und haben eine extrem gute eigene Körperwahrnehmung. Ich glaube, dass diese Menschen sehr genau wissen, wo ihr ideales Körpergewicht liegt. . Sie wissen auch wie sie sich optimal ernähren können. Es ist eher der ambitionierte Neustarter, der gefährdet ist.

Warum?

Kentsch: Weil dieser vielleicht sogar als leicht Übergewichtiger angefangen und bemerkt hat, dass der Hebel „Sport“ wirkt. Dem Sportler wird plötzlich bewusst, wie viel Einfluss er auf den Körper hat. Die Kilos sieht er als so großen Feind an, dass die Gefahr des Untergewichts völlig ausgeblendet wird. Der Sportler dreht endlos an dieser Schraube weiter und verpasst den Punkt, wo er vernünftigerweise aufhören müsste. Ideal ist der regelmäßige Sport gepaart mit einer ausgewogenen abwechslungsreichen Ernährung.

In welcher Sportart ist Untergewicht am meisten verbreitet?

Kentsch: Der Laufsport steht da ganz weit vorn. Er ist für jeden zugänglich, braucht keine technischen Raffinessen und wird daher er auch jedem empfohlen, der seinen Lebensstil umstellen will. An zweiter Stelle steht das Fitnesstraining. Dabei erreicht man die gewünschte definierte Muskulatur ja nur, indem man das untere Fettgewebe wegtrainiert.

Ist das Problem „Untergewicht“ in den vergangenen Jahren größer geworden?

Kentsch: Es gab schon immer untergewichtige Menschen und untergewichtige Sportler. Es gibt aber heute mehr Menschen als früher, die in ihrer Freizeit Sport treiben. Außerdem ist der Trend größer geworden, den trainierten Körper in knapper Kleidung zu zeigen. Das heißt auch, dass das Problem „Untergewicht“ sichtbarer gemacht wird, als das früher noch der Fall war. Die untergewichtigen Sportler gab es also schon immer, wir nehmen sie aber am Ende stärker wahr.

Dr. Peter Kentsch (48) ist Facharzt für Orthopädie sowie Sport- und Ernährungsmediziner. Kentsch ist verheiratet und hat zwei Kinder. Er lebt mit seiner Familie in Lohfelden. In der orthopädischen Praxisklinik in Baunatal ist der Arzt seit 2004 tätig.

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