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Was es für Medien bedeutet, wenn Werbung wählerischer wird

Werbungtreibende haben bei Media mehr denn je die Wahl
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Werbungtreibende haben bei Media mehr denn je die Wahl

Früher war alles besser? Für viele klassische Medien ja, zumindest wirtschaftlich. Nicht nur im Publikums-, sondern auch im Werbemarkt. Hier müssen sie sich heute einer schärferen Selektion durch Advertiser stellen – mit Folgen für die Ausrichtung und für die Vielfalt der Presse. Dazu ein paar Beobachtungen, Gedanken, Gespräche. Und am Schluss mal ein anderer Appell an die gesellschaftliche Verantwortung von Werbungtreibenden.

Diese Studie ließ neulich aufhorchen: Gefördert vom Bundesbildungsministerium, hat das Hans-Bredow-Institut versucht "herauszuarbeiten, wie ein für Fragen des sozialen Zusammenhalts sensibler Journalismus aussehen könnte". Zuträglich seien etwa die Erreichbarkeit großer Gesellschaftsgruppen, eine leicht verständliche Einordnung von Informationen und auch ein "Fokus auf einende Elemente". Fast zeitgleich kam die IG-Metall-eigene Otto-Brenner-Stiftung in einer Studie zu dem Ergebnis, dass "konstruktiver Journalismus" und "lösungsorientierte Formate" bei Krisenthemen die gesellschaftliche Debattenkultur stärken und die Beziehungen zum Publikum intensivieren könnten.Um die Werbeträgerfunktion der Medien geht es dabei nicht – und doch dürften sich auch Advertiser dafür interessieren. Für Reichweiten und Nutzerbindung ohnehin, aber mittlerweile auch für weitere der Studieninhalte: Brand Safety und Haltungsmarketing weitergedacht. Werbungtreibende möchten markensichere Umfelder buchen und zugleich gegenüber allen möglichen Stakeholdern einen verantwortungsvollen Einsatz ihrer Budgets demonstrieren.Tatsächlich nutzen Marken in ihrer Werbung immer seltener polarisierende Themen, Kuscheln mit der Zielgruppe ist angesagt. Und eine Kampagne à la "Gemeinsam stärker" wie aktuell vom Werberiesen Procter & Gamble, die gegen eine gesellschaftliche Polarisierung kämpfen will, ist und bleibt sicher nicht die einzige ihrer Art. Experten denken schon weiter: Advertiser müssten sich jetzt viel stärker fragen, in welchen journalistischen Umfeldern sie werben und welche Art von Presse sie unterstützen wollen, sagt Wolfgang Bscheid, Managing Partner bei Mediascale: "Mediaplanung braucht einen Indexwert für journalistische Qualität." Mehr zum Thema Mediascale Qualität statt Krawall! Warum die Mediaplanung einen Indexwert für journalistische Qualität braucht Media-Spendings tragen zur Vergiftung des politischen Klimas bei. Diese Aussage von Wolfgang Bscheid klingt erst mal nach starkem Tobak. Aber er hat dafür gute Argumente: "Wer mit seinen Geldern nur die klickgetriebenen Medien fördert, bewirkt, dass auch in der Gesellschaft nur noch die Krachmacher Gehör finden", schreibt er in seiner Talking-Heads-Kolumne für HORIZONT. ... Den ökonomischen Hintergrund skizziert Christian-Mathias Wellbrock, Studiumsleiter für Medienmanagement an der Hamburg Media School, im Gespräch mit HORIZONT. Marketer seien schon immer an Umfeldern interessiert gewesen, die ihren Botschaften zuträglich seien. #PAYWALL "Nur hatten sie hierfür in der alten Welt sehr viel weniger Möglichkeiten als heute, den klassischen Medien – und deren mitunter unberechenbaren Umfeldern – auszuweichen", sagt er. Auch dank der US-Plattformen (über deren Umfeldqualität schon länger und dringlicher diskutiert wird) sei das Gesamtangebot aller Werbeinventare so groß, dass sich Advertiser bei den oft ohnehin teureren klassischen Medien "gezielter als früher die Umfelder herauspicken können, die sie für geeignet halten". Wellbrocks Beobachtung: "Manche Medien putzen sich sichtlich dafür heraus und passen ihre journalistischen Inhalte dieser Nachfrage an." Wie sich die Medien von Bertelsmann aufstellenSo ist es vielleicht kein Zufall, dass Procter & Gamble für seine aktuelle Kampagne gerade die RTL-Gruppe (nun inklusive Gruner + Jahr) als Startpartner erwählt. Schließlich möchte Bertelsmann seine familientaugliche "positive Unterhaltung" verstärken (Hape Kerkeling statt Dieter Bohlen) und mit Info-Journalismus das Publikum mehr motivieren, unterstützen sowie Sinnvolles ermöglichen. Auch der Stern möchte sich "für das Gelingen unserer Gesellschaft einsetzen", sagt die Chefredaktion. Bislang sieht es so aus, als sei das Magazin im Vertrieb damit weniger erfolgreich als andere, auch im Digitalen. Und das RTL-Format "Supertalent" erlitt nach Bohlens Demission einen Quoten-Komplettabsturz. Was alles kein Drama wäre, solange es im Werbemarkt trotzdem besser läuft. Umso mehr wird sich die Frage nach d

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