Chronische Krankheit

Migräne: Zwischen Schmerz und Alltag


Die Schmerzen bei einem Migräneanfall sind für Sophia beinahe unerträglich.

Die Schmerzen bei einem Migräneanfall sind für Sophia beinahe unerträglich.

Von Max Woldrich

Nach der Uni muss Liv sich hinlegen, Sophia kann keinen Ausdauersport machen. Wie die beiden Studentinnen mit der Krankheit Migräne umgehen.

Livia Pusch (20) liegt im Bett ihrer abgedunkelten 1-Zimmer Wohnung und hofft, dass die unerträglichen Schmerzen aufhören. Sie muss Freunden absagen, weil sie einfach nicht die nötige Kraft für soziale Interaktion findet. Nach jedem Clubbesuch ist sie teils mehrere Tage an ihr Bett und die eigenen vier Wände gebunden. Die Studentin der Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Passau leidet an Migräne.

Migräne - mehr als "nur" Kopfschmerz

Doch was ist Migräne eigentlich? Im Volksmund wird die Krankheit auch unter dem Namen "chronische Kopfschmerzen" verstanden. Oft strahlen die Schmerzen aber über den gesamten Körper aus. Ein leichtes Schwindelgefühl kann durch bestimmte Trigger schnell zu Lähmungserscheinungen und teilweisem Sinnesverlust führen. "Meine Augen schwellen an und ich sehe alles, als hätte ich meine Brille vergessen", berichtet Pusch.

Bei Migräneanfällen schwellen die Augen von Livia Pusch an.

Bei Migräneanfällen schwellen die Augen von Livia Pusch an.

Die 20-Jährige hat Tag für Tag mit einem schweren Verlauf der chronischen Krankheit zu kämpfen. Es sei jeden Morgen wieder eine Tortur, die nötige Kraft für den bevorstehenden Tag zu sammeln, sagt die junge Frau.

Geplagt von Kopfschmerzen hievt sie sich morgens aus dem Bett, putzt sich die Zähne und packt ihren Laptop und einen Notizblock für die Vorlesungen ein. Nach der Uni-Veranstaltung scheint erstmal alles in Ordnung zu sein. Keine Kopfschmerzen oder sonstige Beschwerden mehr. Die Studentin legt sich nach der Uni hin und schaut ihre Lieblingsserie "Peaky Blinders", um nach mehreren Stunden Konzentration kurz Zeit für sich zu haben.

Doch dann ist da wieder dieses Stechen, das sich anfühlt wie Tausende Nadeln, die sich durch den eigenen Kopf bohren. Schwindel überkommt sie und ihre Sicht wird milchig. Aufstehen ist gerade keine Option. Nun muss sie äußerst vorsichtig sein, um keinen Migräneanfall zu provozieren. "Bei einem solchen Anfall ist der Tag gelaufen", sagt sie. Dabei schwellen ihre Augen an und sie kann sich zeitweise kaum bewegen.

Auch Sophia Berg (21), ebenfalls Studentin in Passau, leidet an Migräne. Ihre Ausprägung der Krankheit verläuft im Vergleich zu Pusch allerdings mild. Sie hat seltener Anfälle. Dennoch hat sie bei diesen ähnliche Symptome. Auch sie leidet zusätzlich zum Kopfschmerz unter Schwindelgefühl und Müdigkeit, muss sich bei Anfällen mehrfach übergeben.

Stress und Hitze können Anfälle auslösen

Auch wenn die Frequenz der Anfälle wesentlich geringer ist, wird sie dennoch durch die Krankheit eingeschränkt. "Ich kann keinen Ausdauersport machen, da das starke Kopfschmerzen auslöst", sagt Berg. Stress und Hitze sind bei den meisten Migränepatienten starke Trigger und fördern das Risiko eines Anfalls. Das ist auch bei ihr der Fall. Die sonst sehr lebendige Studentin tut sich besonders in der Prüfungsphase des Sommersemesters schwer, die Krankheit unter Kontrolle zu halten. Nach spätestens zwei Stunden Lernen muss sie eine Pause machen. Ansonsten wird sie von den stechenden Schmerzen im Kopf und starker Übelkeit ausgebremst.

Was Betroffenen helfen kann

Betroffene können sich an Ärzte, beispielsweise Neurologen, wenden. Jedoch konnte bisher kein Arzt den Studentinnen langfristig helfen. Es gibt viele Möglichkeiten, gegen die Krankheit anzukämpfen. "Ich habe schon sämtliche Schmerzmittel verschrieben bekommen", so Pusch. Auf Dauer hat ihr allerdings noch kein Medikament geholfen. Derzeit ist sie auf Triptan eingestellt. Dies führt zu einer Verengung der bei einem Migräneanfall erweiterten Blutgefäße und hemmt die Ausschüttung bestimmter Stoffe im Zentralnervensystem. Kurz gesagt: Der Schmerz wird gelindert, die Krankheit bleibt jedoch bestehen.

"Hab dich nicht so, sind doch nur Kopfschmerzen!"

Pusch berichtet mit gesenktem Kopf und bedrückter Stimme von einem ihrer früheren Ärzte. Dieser hat sie mit den Worten: "Probieren Sie es mal mit Ibuprofen und einem Kaffee" vertröstet. Sie fühlte sich mit der Krankheit allein gelassen. Die Schmerztherapie hilft den Betroffenen zwar, den Alltag größtenteils schmerzfrei zu bewältigen. Schmerzmittel haben jedoch viele Nebenwirkungen: Schweregefühl und Müdigkeit, Schwindelanfälle und ein drückendes Gefühl in der Brust sind nur der Beginn einer langen Liste der Nebenwirkungen von Triptan.

Neben der teilweise fehlenden Unterstützung aus der Medizin gibt es noch eine Sache, die Pusch und Berg das Leben mit Migräne erschwert. Die Akzeptanz in der Bevölkerung. Sätze wie: "Hab dich nicht so, sind doch nur Kopfschmerzen." oder "Du liegst aber auch nur zu Hause rum!" sind keine Seltenheit für die beiden Studentinnen. Die beiden müssen Treffen absagen oder verschieben. Familienfeste und Feiern müssen sie früher verlassen. "Nur wegen Kopfschmerzen gehen zu müssen, wäre traumhaft", so Berg. Wegen Schwindel, Übelkeit und Schwächegefühl den Heimweg anzutreten sei unerträglich.

Oft haben Freunde und Familie kein Verständnis für die Einschränkungen durch die Krankheit. Sie wissen nicht, welche Schmerzen Betroffene über sich ergehen lassen müssen. Damit sich daran etwas ändert, muss ausführlich über das Spektrum und die Symptome einer Migräne aufgeklärt werden. Das würde es Betroffenen erleichtern, offener über ihre Leiden zu sprechen und mit der Krankheit umzugehen.

Zum Autor

Max Woldrich studiert in Passau Journalistik und strategische Kommunikation. Sein Beitrag ist in einer Lehrredaktion entstanden, die in dem Studiengang integriert ist. Die Lehrredaktion wird von Redakteuren unserer Mediengruppe betreut.