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Seit bekannt wurde, dass die südtiroler Band "Unantastbar" in Münnerstadt auftreten wird, kochen die Gemüter: Rechts, Grauzone oder doch links? Die Ursachen für die Diskussion liegen in der Vergangenheit eines Bandmitgliedes und der heutigen Einstellung der Band zu Extremismus jeder Art. Was ist also dran an dem Ruf, der "Unantastbar" vorauseilt? Redaktionsmitglied Johannes Schlereth hat das Konzert besucht.
Eine lange schwarzgekleidete Menschenschlange drängt sich vor der Mehrzweckhalle in Münnerstadt. Am Wegesrand stehen einige leere Bierflaschen. Die Stimmen gut gelaunter Menschen hallen durch die Nacht. Schon beim Blick auf die Tickets ist klar, dass "Unantastbar" klare Kante zeigt: "Love Music - Hate Facism" (Liebe die Musik, hasse Faschismus) steht auf den Eintrittskarten. Ein schwarz-rotes Logo, das vorwiegend in der linken Szene in Form von Stickern oder auf Bekleidungsstücken genutzt wird. Und tatsächlich lassen sich nirgends klischeehafte Rechtsradikale entdecken.
Max Treuting ist Fan der Band. Er ist zusammen mit rund 50 Freunden in einem Bus angereist ist. Aus den Sätzen von Max wird klar, dass die Fans von "Unantastbar" mit viel Leidenschaft bei der Sache sind. Keiner von ihnen verleugnet oder verweigert die Diskussionen über die Kontroversen der Band. Im Gespräch zitiert er dazu Songs aus der gesamten Diskografie von "Unantastbar" oder Interviewpassagen.
Bei der Überprüfung zuhause zeigt sich, dass die Fans Recht hatten: Auf jedem Album findet sich mindestens ein Song, der klare Kante gegen rechts bezieht. Eindrucksvoll rechnet etwa das Lied "Freiheit" vom Album "Rebellion" mit Führerrollen ab. Mittlerweile ist die Halle gut gefüllt, allerdings warten erst wenige Fans vor der Bühne auf den Konzertbeginn.
Die Vorband "Artefuckt" heizt ein. Schnell werden Teile der Menge warm mit den rotzigen Texten und eingängigen Riffs der Band. Doch bereits beim Bühnenumbau für "Unantastbar" rufen einige bereits lautstark den Spitznamen des Sängers Joachim Bergmeisters, "Joggl-Joggl!" Am Bühnenaufgang steht die Band steht im Kreis, die Mitglieder trinken einen letzten Schluck, bevor die Lichter ausgehen und sie die Bühne betreten.
Der erste Akkord, die Lichter scheinen zu explodieren und die Menge spielt verrückt. Hände gehen nach oben, Sänger Joggl springt Auge in Auge mit den Fans zwischen den Monitoren umher. Und die wissen die Nähe zur Band zu schätzen, Strophe für Strophe, Refrain für Refrain singen, feiern und schwitzen sie mit ihnen.
Doch "Unantastbar" können auch mehr als nur Vollgas, was sie eindrucksvoll in einem Song zeigen, den sie einer kürzlich verstorbenen Freundin widmen. Ernster wird es auch in so manchem Songtext, in dem sich die Band klar vom Faschismus distanziert und sich kritisch mit der eigenen Vergangenheit auseinandersetzt: "Es gab Zeiten, da ging ich auf falschem Wege. Getrieben von Verzweiflung, ohne Hoffnung, ohne Licht. Getrieben von Hass ohne Reue und Emotionen, immer mitten in die Fresse, denn was anderes kannte ich nicht. Falsche Freunde, falsche Richtung, Ideologien der Vernichtung.
Das Spiegelbild wird unausstehlich, du stehst auf und möchtest fliehen."
Auch wenn den Bandmitgliedern mittlerweile der Schweiß vom Gesicht tropft, geben sie noch immer 100 Prozent. Ausruhen gilt nicht, weder für "Unantastbar" noch für die Fans - es wird Pogo getanzt, Besucher stürzen sich beim Stagediving in die Masse, es wird mitgesungen bis die Stimme schlapp macht. Das Publikum in Münnerstadt umfasst nahezu alle Altersschichten und Geschlechter. Als "Unantastbar" schließlich die Bühne verlassen, ist die Menge noch immer elektrisiert: 1000 Stimmen fordern eine Zugabe.
Die Band lässt es sich nicht nehmen, aus der einen geforderten Zugabe ein kleines extra Set zu machen - und lassen die Halle nochmals erbeben. Texte, Eindrücke und Gespräche mit den Fans ergeben ein Bild: Keine Nazis, keine rechten Parolen - weder in Texten noch in den Fangesängen. Stattdessen Gesellschaftskritik und Lieder über "Leben, Lieben, Leiden". Unantastbar" ist weder eine rechte Band, noch eine sogenannte Grauzonenband, die im rechten Milieu nach Fans fischt - vielmehr handelt es sich bei "Unantastbar" um eine Band, die sich ihrer Vergangenheit nicht nur bewusst ist, sondern sich ihrer auch annimmt und in ihren Songs klare Kante gegen rechts zeigt.