Das österreichische Pensionssystem ist besser als sein Ruf. Dieser Ansicht ist der Ökonom Markus Knell, Pensionsexperte der Österreichischen Nationalbank, der den Bericht des Rechnungshofs nach erster Durchsicht "wohltuend nicht alarmistisch" fand. Die große Reform im Jahr 2004 habe einiges auf den Weg gebracht, sagt Knell, ein paar "Stellschrauben" müssten aber noch gedreht werden.

"Wir haben noch Zeit, aber sie wird weniger", sagt Knell. Noch befindet sich ein erheblicher Teil der Babyboomer-Generation im Erwerbsleben. Ab 1963 sank die Geburtenrate schleichend, blieb aber noch bis Anfang der 1970er-Jahre hoch. Doch sind einmal all diese Jahrgänge in Pension, wird es heikel. Deshalb müsse man eben heute Maßnahmen diskutieren. "Wenn das Problem dann akut ist, ist es zu spät", sagt Knell.

Der Rechnungshof mahnt in seinem Bericht explizit eine Weiterentwicklung der Reform von 2004 ein, die damals sehr umstritten war, danach aber mehrere Regierungswechsel mit nur wenigen Eingriffen überlebt hat. "Die größten Einschnitte haben die Beamten gehabt, deren Pensionsrechte mehr oder weniger abgeschafft wurden", sagt Knell. Dass in den kommenden Jahren der Anteil der Pensionszahlungen aus dem Budget nur schwach ansteigen wird, sei in erster Linie dieser Maßnahme geschuldet.

An Lebenserwartung koppeln, aber differenziert

Doch wohin sollte sich das System, wie es der Rechnungshof vorschlägt, weiterentwickeln? Knell verweist auf internationale Empfehlungen, etwa der OECD, das Antrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln. "Es ist ja banal: Wenn die Lebenserwartung um fünf Jahre steigt, wird sich das nicht ausgehen können."

Die Banalität hat aber einen Haken. "Eine Koppelung übersieht einen wichtigen Aspekt der Lebenserwartung. Sie ist bei Personen mit niedrigem Einkommen geringer." Doch gerade Geringverdiener können sich Abschläge für einen früheren Pensionsbezug oft nicht leisten. Sie müssen also länger arbeiten, können den Ruhestand dann weniger lang konsumieren.

"Man müsste Differenzierungen vornehmen", so Knell. Zum Beispiel könnte Geringverdienern ein früherer Pensionsantritt zugestanden werden. Oder die Abschläge werden nach Einkommen gestaffelt. Wer mehr verdient, müsste höhere Abschläge akzeptieren.

Alterskommission muss aufgewertet werden

Die Kritik der Prüfer, dass die Pensionspolitik zuletzt wenig strukturiert war, hält Knell für berechtigt. Er kann sich auch eine Aufwertung der Alterssicherungskommission gut vorstellen, um die politische Debatte wieder in Gang zu bringen. Dafür müsste die Kommission aber vom politischen Gremium wieder zu einem Fachgremium werden.

Wenn das politische Kapital der Regierenden für größere Eingriffe nicht ausreichen sollte, droht zwar kein Zusammenbruch des Systems, die budgetären Zuschüsse werden aber steigen. Und das könnte dann zu Pensionskürzungen führen – durch die Hintertüre. Das System kennt eine Reihe von Hebeln, die unscheinbar sind, aber große Wirkung haben.

Ein Beispiel dafür ist der Aufwertungsfaktor. Die Beiträge auf dem Pensionskonto werden an die Kaufkraft angepasst. Herangezogen wird dafür die Lohnentwicklung. "Das ist auch der richtige Faktor", sagt Knell. Würde man die Beiträge an die Inflation koppeln, könnte man Milliarden einsparen, doch würde dies geringere Pensionen und Ungerechtigkeiten bedeuten. Wer am Ende des Arbeitslebens besser verdient, stiege besser aus als Beschäftigte mit flachen Lohnkurven.