Getriebe Fahrzeuggetriebe mit 81 Gängen

Ein Fahrzeuggetriebe, das bei sehr kompakter Bauweise eine extrem hohe Anzahl an Gängen bietet – gibt´s nicht? Gibt es doch: Die Faller Licence B.V. hat eine Getriebe-Lösung entwickelt, die mit bis zu 81 Gängen ausgestattet werden kann.

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Das Vielgang-Getriebe besteht aus mehreren Haupt- bzw. Primärwellen mit je einem Zahnrad, die auf ihrer Antriebsseite mittels einer Kupplung in der Art eines Synchronrings entweder an ein Antriebsaggregat oder an eine andere, vorgelagerte Welle angekuppelt werden kann.
Das Vielgang-Getriebe besteht aus mehreren Haupt- bzw. Primärwellen mit je einem Zahnrad, die auf ihrer Antriebsseite mittels einer Kupplung in der Art eines Synchronrings entweder an ein Antriebsaggregat oder an eine andere, vorgelagerte Welle angekuppelt werden kann.
(Bild: Alfa Maschinen)

Jeder Antriebsmotor hat eine optimale Drehzahl, d.h. bestes Verhältnis von Leistung und Drehmoment zu aufgenommener Energie. Je näher die jeweilige Arbeitsdrehzahl an dieser optimalen Drehzahl liegt, umso vollkommener ist die Verbrennung und umso geringer ist der Verbrauch und damit auch der Schadstoffausstoß. Dieser Drehzahlbereich liegt bei Verbrennungsmotoren relativ niedrig. Um das Antriebsaggregat eines Fahrzeugs in allen Geschwindigkeiten in einem möglichst schmalen Drehzahlband nahe der optimalen Drehzahl betreiben zu können, bedarf es einer hohen Anzahl von Gängen. Bis dato sind 10-Gang-Getriebe im Pkw-Bereich das Maximum. Im Nutzfahrzeugbereich werden mit Vor- und/oder Nachschaltgetriebe auch schon bis zu 32 Gänge realisiert, allerdings sind hier die Parameter Bauraum und Gewicht weniger wichtig.

Handschaltgetriebe sind relativ einfach, aber in der Anzahl der Gänge sehr begrenzt. Automatikgetriebe sind durch die hintereinandergeschalteten Planetengetriebe in Verbindung mit mehreren Kupplungen und Wandler sehr komplex, groß und schwer.

Als Folgen ergeben sich:

  • eine hohe Anzahl von Teilen
  • geringerer Gesamtwirkungsgrad
  • hohes Gewicht
  • großer Bauraum
  • hohe Kosten

Um die Möglichkeiten der Verbrennungsmotoren sowohl im Hinblick auf die Schadstoffemission wie auch hinsichtlich der Performance voll nutzen zu können, ist es notwendig, Hand in Hand alle sich bietenden Möglichkeiten einzubeziehen und alle sich bietenden Optionen zu nutzen, den Wirkungsgrad zu verbessern. Dies liegt im Interesse jedes Fahrzeugherstellers. Einen wesentlichen Anteil hat dabei das Fahrzeuggetriebe. Ein völlig neues Getriebe, das bei sehr kompakter Bauweise eine extrem hohe Anzahl von Gängen bietet, hat die Faller Licence B.V. entwickelt. Hier stellt das Unternehmen die neue Getriebegeneration vor:

Jede Geschwindigkeit mit optimaler Motordrehzahl fahren

Das Ziel, bei jeder Geschwindigkeit mit der optimalen Motordrehzahl zu fahren, ist schon seit Beginn des Automobilismus Ziel der Autobauer. Mit 7- bis 10-Gang-Getrieben kommen die Hersteller diesem Ziel auch immer näher, allerdings sind der technische Aufwand und damit auch der Preis sehr hoch.

Dass der Drehzahlbereich, in dem Motoren am besten und sparsamsten arbeiten, so eng ist, liegt daran, dass mit zunehmender Drehzahl die Füllung und Verbrennung immer schlechter wird. Dabei erreicht das erzeugte Drehmoment – das je nach Fahrzeugart und -klasse zwischen mindestens 60 Nm bis hin zu 1000 Nm liegt – sein Maximum vor dem Leistungsmaximum. Eine aufwändige Motoraufladung kann diesen Effekt zwar etwas verbessern aber nicht beseitigen.

Auch bei Elektro- und Hybridantrieben kommt es auf das richtige Getriebe an. Genau wie beim Verbrennungsmotor gilt es, möglichst wenig Primärenergie zu verbrauchen und dadurch die Reichweite zu steigern. Das geht u.a. aus verschiedenen Schaeffler-Kolloquien der letzten Jahre hervor.

Mehrere Automobilhersteller planen, entwickeln oder bauen bereits Getriebe mit 10 und mehr Gängen, wobei eine Spreizung von 11 schon als sensationell bezeichnet wird.

Bei der neu entwickelten Getriebegeneration der Faller Licence B.V. lässt sich eine beliebige Anzahl von Gängen realisieren. Zudem besticht die Konstruktion laut der Entwickler durch ihre Einfachheit.

So funktioniert das Vielgang-Getriebe

Das Getriebe besteht aus mehreren Haupt- bzw. Primärwellen mit je einem Zahnrad, die auf ihrer Antriebsseite mittels einer Kupplung in der Art eines Synchronrings entweder an ein Antriebsaggregat oder an eine andere, vorgelagerte Welle angekuppelt werden kann; weiter aus einer oder mehreren Neben- bzw. Sekundärwellen, die identisch aufgebaut sind.

Die Kraftübertragung auf eine Sekundärwelle kann an jeder beliebigen Stelle erfolgen und von dort aus auch an jeder beliebigen, nachgeordneten Stelle wieder auf eine Hauptwelle zurückgeführt werden. Eine Kupplung zwischen Antriebsaggregat und Getriebe dient als Anfahrhilfe, alle anderen Gänge können fast ohne Unterbrechung des Kraftschlusses in Bruchteilen einer Sekunde geschaltet werden.

Einfacher Aufbau eines 16-Gang Exponentialgetriebes.
Einfacher Aufbau eines 16-Gang Exponentialgetriebes.
(Bild: Alfa Maschinen)

Dieses neue Getriebe wird als Exponentialgetriebe bezeichnet, weil es sich hinsichtlich des Kraftflusses wie Exponentialzahlen verhält und in seinem Aufbau deren Logik entspricht. Je nach Anzahl der vorhandenen Nebenwellen (1, 2 oder evtl. sogar 3) und Zahnradebenen berechnet sich die Anzahl der Gänge wie folgt:

Anzahl der Gänge = (Anzahl der Wellen)(Anzahl der Zahnradebenen – 1)

Aufbau eines Exponentialgetriebes mit 81 Gängen.
Aufbau eines Exponentialgetriebes mit 81 Gängen.
(Bild: Alfa Maschinen)

Beispiele:

  • Ein Viergang-Getriebe besteht damit nur aus 3 Zahnradpaaren (2(3-1) = 4).
  • Mit 4 Zahnradpaaren lassen sich bereits 2(4-1) = 8 Gänge anstatt konventionell nur 4 Gänge realisieren.
  • Mit einer Hauptwelle, einer Nebenwelle und 5 Zahnradebenen (10 Zahnräder) lassen sich bereits 2(5-1), also 16 Gänge schalten statt konventionell nur 5 Gänge.
  • Mit einer Hauptwelle, einer Nebenwelle und 6 Zahnradebenen (12 Zahnräder) lassen sich 2(6-1), also 32 Gänge schalten.
  • Die Anzahl der möglichen Gänge lässt sich mit jeder weiteren Zahnradebene beliebig auf 32, 64, 128, usw. ausweiten.

Noch weit progressiver entwickelt sich die mögliche Anzahl der Gänge mit zwei Nebenwellen:

Schematischer Aufbau des Exponentialgetriebes mit 3 Wellen (Wellenabstand unterschiedlich).
Schematischer Aufbau des Exponentialgetriebes mit 3 Wellen (Wellenabstand unterschiedlich).
(Bild: Alfa Maschinen)

  • Mit einer Hauptwelle, zwei Nebenwellen und 3 Zahnradebenen (nur 9 Zahnräder) lassen sich 32, also 9 Gänge schalten.
  • Mit einer Hauptwelle, zwei Nebenwellen und 4 Zahnradebenen (nur 12 Zahnräder) lassen sich 33, also 27 Gänge schalten.
  • Mit einer Hauptwelle, zwei Nebenwellen und 5 Zahnradebenen lassen sich sogar 34, also 81 Gänge schalten.

Wie viele Gänge sind sinnvoll?

Verhältnis der Zahnradebenen zur Anzahl der Zahnräder und Gänge.
Verhältnis der Zahnradebenen zur Anzahl der Zahnräder und Gänge.
(Bild: Faller Licence B.V.)

Die Frage, ob 27, 32 oder gar 64 oder 81 Gänge überhaupt sinnvoll sind, beantworten die Experten der Faller Licence B.V. hinsichtlich des hierfür nötigen Aufwandes in Verbindung mit den sich ergebenden Möglichkeiten mit einem deutlichen „Ja“.

Flexibilität

Die Parameter des Getriebes hinsichtlich Drehzahl und Drehmoment sowie Abstufung und Spreizung sind für jedes Einsatzgebiet frei festzulegen. Die Anzahl der sich hier bietenden Möglichkeiten beläuft sich beispielsweise für ein 16-Gang-Getriebe mit einer Zähnezahl von 120 Zähnen/Zahnradebene und einem imax = 3 auf eine Ebene bezogen auf 605 = 777.600.000. Zieht man die Kombinationen ab, die keinen Sinn ergeben, weil sie sich wiederholen, so verbleiben immer noch genügend Auslegungsmöglichkeiten. Dies bedeutet, dass bereits mit einem einzigen Getriebegehäuse viele unterschiedliche Getriebekombinationen hinsichtlich Stufensprung und Spreizung gebaut werden können. Die hohe Anzahl von Gleichteilen und die schnelle Montage sollen sich dabei positiv auf den Preis des Getriebes auswirken.

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Hinsichtlich der Schaltstrategie gibt es verschiedene Ansätze:

  • Um den Motor in einem sehr engen Drehzahlbereich arbeiten zu lassen, ist eine hohe Spreizung erforderlich. Die Gänge können dabei automatisch der Reihe nach geschaltet werden. Bei einem Getriebe mit 32 Gängen und einer geometrischen Abstufung mit einem Stufensprung von 10 % beträgt die Spreizung bereits mehr als 1:21; mit einem 20 % Stufensprung und nur 16 Gängen beträgt die Spreizung mehr als 1:18. Die Drehzahl könnte sich dann in einem Band von ca. 150 n/min bewegen. Eine ebenso mögliche degressive Abstufung wird dem mit höherer Geschwindigkeit steigenden Luftwiderstand besser gerecht. Noch enger ist der Drehzahlbereich mit einem 81-Gang-Getriebe, das lediglich eine Zahnradwelle mehr aufweist. Hier liegt bei einem Stufensprung von ca. 4 % die Spreizung bei 1:24. Der Drehzahlbereich würde dann bei benachbarten Gängen nur noch um ca. 50 n/min variieren.
  • Durch die Möglichkeit, beliebig zwischen den Gängen zu springen, können auch die Stufensprünge so programmiert werden, dass mit einem Getriebe sowohl lange, optimale als auch kurze Auslegungen gefahren werden können. So ist es möglich, beliebig viele Programme bzw. Schaltstrategien für alle möglichen Fahrsituationen zu implementieren.
  • Abhängig vom abverlangten Drehmoment (Drehmomentsensor), zum Beispiel für Bergfahrt, können die Stufensprünge automatisch kleiner oder größer geschaltet werden. Eine sehr hohe Übersetzung ist auch dann sinnvoll, wenn zum Beispiel bei Gelände- und Nutzfahrzeugen bei niedrigen Geschwindigkeiten genug Drehmoment (= hohe Zugkraft) zur Verfügung stehen sollen, während niedrige Übersetzungen bei normalen, ebenen Straßenfahrten gewünscht sind (Overdrive).
  • Da der Gangwechsel in der Regel über mindesten 2 Zahnradpaare erfolgt, teilt sich auch der Drehzahlsprung auf diese beiden Zahnradpaare auf, sodass eine Drehzahldifferenz von beispielsweise 100 n/min im Idealfall einen Drehzahlunterschied an den Zahnrädern von nur 10 n/min bedeuten würde.

Abstufung und Übersetzung i bei willkürlich gewählten Zahnradpaarungen bei gleichem Achsabstand – Datenreihe 1 = Übersetzung i, Datenreihe 2 = Abstufung (hier ca. 4 %).
Abstufung und Übersetzung i bei willkürlich gewählten Zahnradpaarungen bei gleichem Achsabstand – Datenreihe 1 = Übersetzung i, Datenreihe 2 = Abstufung (hier ca. 4 %).
(Bild: Alfa Maschinen GmbH)

Durch die kleinen möglichen Drehzahlsprünge kann der Motor ständig im optimalen Leistungs- bzw. Drehmomentbereich laufen. Dadurch sinkt der Treibstoffverbrauch laut der Entwickler der Faller Licence B.V. um 15 % bis 20 %. Für die Hersteller von Dieselfahrzeugen könnte dieser Aspekt gerade in Verbindung mit Hardware-Nachrüstungen Bedeutung erlangen. Besonders im Hinblick auf das bis Ende 2024 verschärfte CO2-Limit von 95 g CO2/km (entspricht ca. 3,6 Liter Diesel oder 4,1 Liter Benzin/100 km) ist dies ein wichtiger Aspekt. Außerdem steigern die geringen Schaltsprünge auch den Fahrkomfort.

Im Vergleich zu den als mehrstufigen Planetengetrieben ausgeführten Automatikgetrieben ist der technische Aufwand sehr gering. Die erforderlichen Kopplungen der einzelnen Wellenabschnitte entsprechen im Wesentlichen den Synchronringen eines Handschaltgetriebes. Durch den Wegfall der bei anderen (Automatik)getrieben notwendigen Komponenten wie Bremsen, Wandler, Doppelkupplung, mehrfache Planetenstufen etc. wird der Aufwand kompensiert.

An- und Abtrieb sind bei diesem Getriebe in der Regel koaxial, können aber auch achsversetzt sein oder durch eine gekoppelte Winkelstufe auch orthogonal erfolgen.

Dieses Getriebe ist den Angaben der Entwickler zufolge genauso als Motorrad- und Fahrradgetriebe, betätigt über eine Schaltwalze, sowie als Doppelkupplungsgetriebe einzusetzen. Auch kann An-und Abtrieb auf der gleichen Seite erfolgen.

Schnitt durch ein Exponentialgetriebe mit 16 Gängen
Schnitt durch ein Exponentialgetriebe mit 16 Gängen
(Bild: Alfa Maschinen)

Beliebig viele Gänge auf kleinstem Bauraum unterbringen

Das Getriebe bietet laut der Faller Licence B.V. die Möglichkeit, beliebig viele Gänge auf kleinstem Bauraum unterzubringen und damit Gewicht und Treibstoff einzusparen. Die große Anzahl an Gängen ermöglicht besonders im Hinblick auf den Einsatz von KI die Implementierung unterschiedlicher Schaltstrategien und die Anpassung des Fahrverhaltens an jeden möglichen Anspruch. Besonders SUV und Nutzfahrzeuge können von diesen Möglichkeiten profitieren.

Besonders hervorheben möchten die Entwickler die kleine Baugröße und das geringe Gewicht des Getriebes. Ein Getriebe mit beispielsweise 8 (16) Gängen benötigt lediglich 4 (5) Zahnradpaare und baut, entsprechend der Übertragungsleistung, so kurz und leicht wie ein konventionelles 4-(bzw. 5-)Gang-Getriebe. Zudem soll die zwischen den Wellen alternierende Wellenkopplung eine fast unterbrechungsfreie Kraftübertragung bei beliebigen Gangsprüngen ermöglichen.

Die wesentlichen Eigenschaften des Vielgang-Getriebes kurz zusammengefasst:

  • Schalten fast ohne Zugkraftunterbrechung,
  • beliebiges Überspringen von Gängen möglich,
  • sehr schnelle Schaltvorgänge, auch mit manuell überlagerter Betätigung, z.B. für den Rennsport,
  • guter Wirkungsgrad im Vergleich zu (Wandler-)Automatikgetrieben,
  • günstiger Platzbedarf für alle Fahrzeuge,
  • viele Gleichteile (auch mit manuellen Schaltgetrieben), dadurch hohe Stückzahl zu günstigen Kosten,
  • kurze Montagezeiten und niedrige Montagekosten,
  • die üblichen Vorteile von Automatikgetrieben (Sicherheit gegen Abwürgen, Verschalten und Überdrehen des Motors),
  • Strategien zum optimalen Verbrauch, zu besonderer Sportlichkeit oder zum motorschonenden Betrieb während der Kaltlaufphase,
  • kein permanenter Kraftbedarf um die Kupplungen offen oder geschlossen zu halten,
  • gegenseitiges Sperren von Gängen unmöglich.

Verbunden mit entsprechender Sensorik und Aktuatorik lässt sich dieses Getriebe mit der Tastatur eines Klaviers vergleichen, bei dem auch nur die Tasten (Gänge) gedrückt werden, die für die jeweilige Melodie (Fahrsituation) benötigt werden.

(ID:46108248)