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Frei von Selbstzweifeln, von Respekt und guten Manieren

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Gunter Gabriels Derbheit und seine ehrliche Ungeschliffenheit kommen beim Publikum gut an. ·
Gunter Gabriels Derbheit und seine ehrliche Ungeschliffenheit kommen beim Publikum gut an. · © Foto: Ehlers

Syke - Von Ulf KaackWas am Sonnabend im Gleis 1 in Syke als Lesung angekündigt war, entwickelte sich von Beginn an zu einer improvisierten Mischung aus Konzert, lebenskundlichem Unterricht, Philosophiestunde und Comedy. Ach so, ein bisschen aus seinem Buch gelesen hat er auch noch so nebenbei, der selbsternannte Erzengel – der Gunter Gabriel.

„Wer einmal tief im Keller saß“, heißt die Biografie des Sängers und Songschreibers. Der plakative Titel sagt bereits alles aus über Gabriels Leben, das geprägt war von Höhenflügen und Abstürzen, Reichtum und Bankrott, Popularität und Verachtung.

Gabriel residierte in Villen und luxuriösen Penthousewohnungen, im Bauwagen, im Caravan und zwischen Ratten in einer Autowerkstatt. Seit zwölf Jahren ist ein Hausboot auf der Elbe sein Heim, wie er immer wieder betont. Überhaupt sei ein Hausboot die ideale Immobilie für einen Junggesellen wie ihn, so Gabriel: „Du kommst frühmorgens lattenstramm nach Hause, pinkelst erstmal befreit über die Reling, und keine Frau sagt dir, dass du dich dabei gefälligst hinsetzen sollst. Herrliche Freiheit!“

Unübersehbar seine machohaft-proletarischen Züge: Frei von Selbstzweifeln, Respekt und guten Manieren plauderte Gabriel drauf los. Er beherrscht das Vokabular der Fäkalsprache in Vollendung.

Doch schienen diese Derbheit und ehrliche Ungeschliffenheit beim Publikum anzukommen. Wer in der ersten Reihe saß, musste über eine gehörige Portion Leidensfähigkeit und Humor verfügen. Nur zu oft gab Gabriel einzelne Gäste der Lächerlichkeit preis.

Zwischendurch griff er zur Westerngitarre und intonierte seine alten Hits. Da stampfte der „Dreißig-Tonner-Diesel“ über die Autobahn, artig im Takt beklatscht von den Zuhörern. „Ich werd’ gesucht in Bremerhaven“ gab es zu hören, „Junge namens Susi“ und „Wenn du denkst, du denkst“.

Ungebremst erzählte der Entertainer von seinen 22 Vorstrafen, von Aufenthalten im Knast und in der Psychiatrie. Von Freundschaft und Fairness, von Betrug, und Selbstbetrug. Und wie man sich letztendlich nur allein helfen kann: „Deutschland liebt mich, weil ich allen vorgelebt habe, wie man aus der eigenen Scheiße rauskommt!“

Immer wieder nahm Gabriel seine Kollegen aus der Show- und Schlagerbranche aufs Korn: Die Brüste von Ina Müller, die Warze von Peter Maffay – seine Lästereien kannten keine Grenzen. Lässig schoss er seine Monologe mal eben runter auf das ihm wohlvertraute Klatschspaltenniveau, um anschließend die Fahne der Gescheiterten seines Genres – Roy Black, Rex Gildo, Bernd Clüver – in die Höhe zu halten.

Seine Freundschaft zur Country-Ikone Johnny Cash liegt ihm am Herzen. Er berichtete von seinen Besuchen bei dem US-Superstar, gemeinsamen Auftritten und widmete seinem Idol schließlich den Song „Ring of Fire“. Nach 150 Minuten war Schluss mit der allumfassenden Lebensbeichte. Um 23.30 Uhr sei er mit Gottlieb Wendehals in Hannover verabredet: „Hoffentlich ist der noch nicht allzu besoffen. Ich will zwei meiner Songs mit ihm aufnehmen, damit er endlich wieder auf die Beine kommt. Das einzige, was ihm von seinem Ruhm und Reichtum blieb, ist seine wundervolle Frau. Genau meine Kragenweite ist sie, aber die Ladys von Freunden sind für mich natürlich tabu.“ Spricht’s, greift zur Gitarre und beendet den Abend mit „Love me Tender“ von Elvis.

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