Russland nicht beim Ukraine-GipfelPutin vergleicht sich mit Jesus – Moskau wähnt sich im „heiligen Krieg“

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Der russische Präsident Wladimir Putin im Gespräch mit dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill. Beide sehen Russland in einem „heiligen Krieg“. (Archivbild)

Der russische Präsident Wladimir Putin im Gespräch mit dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill. Beide sehen Russland in einem „heiligen Krieg“. (Archivbild)

Während die Schweiz einen Friedensgipfel für die Ukraine plant, kommen aus Moskau mal wieder Signale, die so eindeutig wie „wahnsinnig“ sind.

Russland lässt weiterhin keine Zweifel an seinen Motiven in der Ukraine aufkommen. Während am 15. und 16. Juni eine Friedenskonferenz für die Ukraine in der Schweiz stattfinden soll, hat man im Kreml weiterhin kein Interesse an Diplomatie, das unterstrich Regierungssprecher Dmitri Peskow am Donnerstag erneut. Ohne Russland seien derartige Gespräche „sinnlos“, erklärte Peskow.

Allerdings hätte Russland an dem Gipfel teilnehmen können – da die eigenen Bedingungen dabei jedoch nicht maßgeblich gewesen wären, verzichtet man im Kreml lieber direkt auf Gespräche. Zuvor hatte Kremlchef Wladimir Putin bereits deutlich den russischen Standpunkt ausgedrückt: Zu verhandeln wäre lächerlich, „nur weil denen die Munition ausgeht“, verkündete der russische Diktator kürzlich. Gemeint waren damit die ukrainischen Truppen, die derzeit einen Munitionsmangel beklagen. 

Klare Botschaften von Wladimir Putin und Patriarch Kirill: „Heiliger Krieg“

Dass man in Moskau ohnehin auf einen baldigen Frieden setzt, zeigt sich jedoch nicht nur am Umgang mit dem Schweizer Friedensgipfel. Bereits Ende März hat die russisch-orthodoxe Kirche ein bemerkenswertes Dokument veröffentlicht – das wenig Zweifel am russischen Kurs aufkommen lässt. Die völkerrechtswidrige Invasion der Ukraine wird von der Kirche und ihrem Oberhaupt Patriarch Kirill dort zum „heiligen Krieg“ erklärt – mit dem ausdrücklichen Ziel, die Ukraine gänzlich auszulöschen.

„Das gesamte Territorium der modernen Ukraine sollte in die ausschließliche Einflusszone Russlands fallen“, heißt es dort. Damit jedoch nicht genug: Auch von einem „spirituellen Kampf“ mit dem Westen, der dem „Satanismus verfallen“ sei, ist bei den russischen Klerikern die Rede.

Wladimir Putin vergleicht sich mit Jesus Christus

Die religiöse Unterfütterung des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine ist derweil nicht neu. Bereits nach der Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim im Jahr 2014 durch russische Truppen hatte Kremlchef Putin die „spirituelle Bedeutung“ der Halbinsel für die russische Nation betont und die Krim mit dem Tempelberg in Jerusalem verglichen. Vor obskuren Vergleichen macht der Kremlchef derweil auch in diesen Tagen nicht Halt.

So verglich Putin sich in dieser Woche mit Jesus Christus, das berichtet die britische „Times“. In einer Rede an junge Russen verglich Putin demnach seine „Mission“, die russische Jugend vor dem schleichenden Einfluss des Westens zu schützen, mit den Bemühungen Jesu Christi, die beiden Fischer Petrus und Andreas zu rekrutieren, um das Wort Gottes zu verbreiten. „Das war in einer Zeit, in der sich Weltreligionen entwickelten, sehr wichtig … aber es ist jetzt nicht weniger aktuell, wo wir unsere traditionellen Werte, unsere Kultur, unsere Traditionen und unsere Geschichte verteidigen müssen“, fügte Putin nach seinem Jesus-Vergleich demnach an.

Moskaus Propaganda immer schriller: „Fünf oder sechs Atomschläge auf Paris“

Die jüngsten Äußerungen der russische-orthodoxen Kirche und des Kremlchefs passen derweil ins Bild: Bereits in der Vergangenheit ließen Patriarch Kirill und Putin kaum Zweifel aufkommen, dass sie den gleichen Kurs verfolgen. So hatte Kirill unter anderem erklärte, dass russische Truppen, die in der Ukraine sterben, von „ihrer Sünde freigesprochen“ werden. Islamistische Terrorgruppen argumentieren da hinsichtlich ihrer „Gotteskrieger“ kaum anders – und wähnen sich ebenfalls stets im „heiligen Krieg“.

Doch nicht nur Kremlchef und Kirchenoberhaupt senden in diesen Tagen mal wieder eindeutige Signale, auch die Moskauer Propagandisten nehmen in den staatlichen Medien kein Blatt vor den Mund – Drohungen mit einem Atomkrieg mal wieder inklusive. „Wir sollten die europäischen Städte konkret benennen, die wir zerstören werden“, fordern da die Teilnehmer einer populären Talkshow im russischen Staatssender Rossiya-1. „Wir sollten auch beziffern, wie viele Todesopfer es nach fünf oder sechs Atomschlägen auf Paris geben wird.“

Drohungen im russischen Staatsfernsehen: „Moderne Version des ‚Stürmer‘ auf Speed“

„Der Wahnsinn geht im Fernsehen Russlands ungebremst weiter“, kommentierte der Historiker und Russland-Experte Matthäus Wehowski die neusten Propaganda-Drohungen aus den russischen TV-Studios im sozialen Netzwerk X (vormals Twitter). „Jedem und allen wird mit Krieg und Vernichtung gedroht“, fügte Wehowski an. Während die Ukraine „vollständig besetzt und ‚umgezogen‘“ werden solle, solle Europa „nuklear vernichtet“ werden, so lauteten die Botschaften. Die russische Propaganda sei „die moderne Version des ‚Stürmer‘ auf Speed“, so der Historiker.

„Der Stürmer“ war eine 1923 von einem zukünftigen NSDAP-Gauleiter gegründete antisemitische Wochenzeitung und eines der zentralen Organe der Nazi-Propaganda zur Vorbereitung und Rechtfertigung des Holocaust.

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