PubertätPornos machen problemlos die Runde

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Karl meint, dass viele Eltern nichts von den Aktivitäten ihrer Kinder mitkriegen. (Bild: Grönert)

Karl meint, dass viele Eltern nichts von den Aktivitäten ihrer Kinder mitkriegen. (Bild: Grönert)

Der Computer-Experte verlässt nach fünf Minuten wieder das Haus. Familie R. hatte ihn gerufen, weil der Computer so langsam lief. Ihm ist schnell klar, dass die Festplatte voll ist. Seine Diagnose: „Große Bilder, die viel Speicherplatz in Anspruch nehmen, lagern dort.“ „Das kann nicht sein, dass da so viele Bilder drauf sind“, wehrt Herr R. ab. Der Computer-Experte öffnet die Ordner und jede Menge heruntergeladene Pornos „fallen“ ihm entgegen. Rote Köpfe auf beiden Seiten. Dezent erhebt sich der Fachmann, verabschiedet sich und bietet an, in zwei Tagen wieder vorbei zu kommen. Herr R., noch nicht von seinem Entsetzen erholt, eilt zu seinem 13-jährigen Sohn, um ihn zur Rede zu stellen.

Pornographie im Internet ist kein Thema, das in den Elterngruppen ausführlich zur Sprache kommt. Aber viele Eltern, vor allem Mütter, sind in Tränen aufgelöst, wenn sie entdecken: „Mein Sohn lädt sich Pornos aus dem Internet herunter.“ Verzweifelt und beschämt fragen sie sich: „Was hat mein Sohn für ein Frauenbild?“ Und: „Was findet er an diesen, meist die Frauen entwürdigenden Filmen so faszinierend?“ „Was habe ich in der Erziehung grundlegend falsch gemacht?“

Filme sind zu leicht zugänglich

Sexfilme sind für Jugendliche verboten und das hat seinen Sinn. So genannte Hardcore-Pornos wirken erschreckend, abstoßend und verstörend. Trotzdem kommen Jugendliche heute sehr leicht an solche Darstellungen in jeder erdenklichen Wucht und auch Brutalität heran. Es gibt Begriffe, die man im Internet eingibt, auf die automatisch Porno-Angebote erscheinen. Jede achte Website ist pornografisch. Kinder und Jugendliche bekommen mitunter ungefragt Pornos auf ihr Handy geschickt - und Bilder haben eine ungeheure Wirkung. Manche kriegt man nicht mehr aus dem Kopf.

Pornographie heißt übersetzt „unzüchtige Darstellung“. Die hat es immer gegeben. Schon auf antiken griechischen Vasen finden sich pornographische Malereien. Aber die offene Abbildung von Sexualität unterscheidet sich enorm. Die Darstellung eines nackten Körpers etwa aus dem Pirelli-Kalender oder aus dem „Playboy“, wie sie noch eine Generation zuvor Männer vielleicht in ihrem Spint aufbewahrten, ist nicht zu vergleichen mit einem „Hardcore-Porno-Film“.

„Generation Porno“?

Für manche Jugendliche sind diese Szenen beängstigend und faszinierend zugleich. Sie wecken vor allem die Neugier der Jungen. 36 Prozent der 15-Jährigen bezeichnen sich in einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen als „regelmäßige Porno-Konsumenten“. Aber warum? „Pornos schaut man sich eigentlich zur Inspiration oder zur Belustigung an“, sagt der 16-jährige Simon. Und die 17-jährige Joana vermutet: „Jungen gucken sich das vielleicht an, weil sie glauben, sie könnten dabei etwas lernen.“ Der Psychologe und Sexualforscher Gunter Schmidt weiß: Jungen konsumieren Pornos im Kreise Gleichaltriger. Er sieht das als „moderne Form der Mutprobe“. Trotz der von manchen Medien ausgerufenen „Generation Porno“ gibt es auch andere Zahlen: 90 Prozent der 15-jährigen Mädchen und 40 Prozent der Jungen dieses Alters sagen, dass sie noch nie einen Pornofilm gesehen haben.

Thema zwischen Vater und Sohn

Auch wenn die Jugendlichen nicht darüber reden möchten, ist es hilfreich, ohne Moral und ohne erhobenen Zeigefinger eine klare Haltung als Eltern dazu zu äußern. Ein Gespräch über die Hintergründe von Pornofilmen ohne dabei Vorwürfe oder Entsetzen auf den Lippen zu führen, kann für die Jugendlichen hilfreich sein. Wenn es möglich ist und eine männliche Bezugsperson da ist, dann ist das eher ein Thema zwischen Vater und Sohn. Ein Gespräch darüber sollte nicht in Tränen, Hysterie oder moralischen Vorwürfen münden. Das heißt nicht, dass die negative Wirkung, die verstörende Bilder haben können, bagatellisiert werden sollen. Oft ist es so, dass gerade jüngere Jugendliche nicht einordnen können, was es mit Pornos auf sich hat und dagegen hilft nur Aufklärung - wenn s schwer fällt, mit Hilfe eines Buches oder anderer Menschen, zu denen das Kind Vertrauen hat.

Wenn Eltern mit ihren Kindern darüber ins Gespräch kommen, können sie darüber reden, was hinter der Produktion von Porno-Filmen steckt, dass die Darsteller häufig Menschen sind, die in ihrer Kindheit Gewalt-Erfahrungen gemacht haben. Dass es bei Pornos nicht um Liebe geht, dass sie ein Geschäft sind und die Rollen von Männern und Frauen meist stereotyp verteilt werden. Erwachsene könnten aufklären darüber, dass die Situationen gestellt sind und die Darsteller vor einem Haufen Beleuchter und Kameraleute, Maskenbildner usw. inszeniert werden. Vor allem aber kann man den Jugendlichen sagen: Porno-Filme haben mit realer Sexualität nichts zu tun.

Es ist ganz normal, dass Jugendliche in der Pubertät neugierig sind und wissen wollen, was hinter Geheimnissen und Verboten und Tabus steckt. Die Frage der „Moral“ könnte woanders geklärt werden. Entscheidend ist, was „Provider“ im Internet offen zur Verfügung stellen und zugänglich machen. Wenn es einen Jugendschutz geben kann, dann vor allem an dieser Stelle. So bliebe einem vielleicht auch die peinliche Situation mit dem Computer-Fachmann erspart.

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