Umstrittenes GutachtenOberbergs Politik zankt um die Reaktivierung der Wiehltalbahn

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Symbolbild: Ein roter Zug fährt über Schienen

Nach dreijähriger Pause rollte Ende März erstmals wieder ein Personenzug über die Strecke der Wiehltalbahn. Damals feierten die Bahnbefürworter die Freigabe der sanierten Brücke in Bielstein und damit die Durchgängigkeit der Schienen zwischen Dieringhausen und Wiehl.            

In dieser Woche sind die Details zur Machbarkeitsstudie vorgestellt worden. Oberbergs Politik bewertet die ganz unterschiedlich. 

Für ordentlich Dampf hat die Wiehltalbahn in diesem Herbst vor allem abseits der Schiene gesorgt. Zur Erinnerung: Mitte September hatten der Oberbergische Kreis und der Zweckverband Go Rheinland als Aufgabenträger für den Schienenverkehr das Zwischenergebnis einer Machbarkeitsstudie öffentlich gemacht, nach dem die Reaktivierung der Trasse zwischen Waldbröl und Dieringhausen nicht wirtschaftlich umsetzbar sei.

Vor einigen Tagen kritisierten dann die Landtagsabgeordneten aus Oberbergs Süden parteiübergreifend genau diese Studie – besser gesagt, ihren Umfang. Die Hauptsorge der Politiker: Bei der gewählten Kurzfassung könnten Pluspunkte unter den Tisch gefallen sein, die in einem ausführlichen Gutachten berücksichtigt worden wären. Und angesichts des Investitionsvolumens hätte es genau einer solchen umfassenden Expertise bedurft.

Go-Rheinland wehrt sich gegen Vorwürfe

Am Donnerstagabend wurde das Zwischenergebnis im Entwicklungsausschuss des Kreistags detailliert vorgestellt. Zwei Monate nach der Pressemitteilung des Kreises könne sich nun endlich auch der zuständige Ausschuss mit dem Thema befassen, bemerkte Sven Lichtmann (SPD) spitz. Gleich zu Beginn verwahrte sich Go-Rheinland-Geschäftsführer Dr. Norbert Reinkober gegen den Vorwurf, man wolle die Wiehltalbahn kaputtrechnen.

Das vereinfachte Gutachten mit schnellem Ergebnis sei genau die Vorgehensweise, die man im Mai im Arbeitskreis verabredet habe. „Und spätestens, wenn wir für die Reaktivierung in die Diskussion mit dem Bund gehen, werden alle Unterlagen genau geprüft. Deshalb muss von Anfang an alles sauber und schlüssig sein.“

Wenn Geld für Sie ja keine Rolle spielt, können wir auch den ICE nach Waldbröl rollen lassen.
Dr. Friedrich Wilke (FDP) zur Kritik der Grünen an der Machbarkeitsstudie

Verkehrsplaner Matthias Auth deckte die Ausschussmitglieder anschließend mit Details zum Gutachten ein. So geht das Papier von sieben Haltestellen mit oberster Priorität aus: Gummersbach, Dieringhausen, Bielstein, Wiehl, Oberwiehl, Hermesdorf und Waldbröl. Als weniger wichtig werden Stopps in Osberghausen, Weiershagen und Brüchermühle angesehen. Für die knapp 35 Kilometer lange Strecke würde die Bahn laut Gutachten 45 Minuten brauchen. Zudem sei mit rund 1500 Fahrten pro Werktag zu kalkulieren, die auf die Schiene verlagert werden könnten.

Kern ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis

Kern der Expertise ist aber das Kosten-Nutzen-Verhältnis, das die Fachleute auf 0,102 beziffern – und damit weit entfernt von der Grenze der Förderwürdigkeit bei 1,0. Dazu hatte Matthias Auth den verkehrlichen Nutzen sowie die Schonung des Klimas und der Luft in Euro dargestellt und auf der Plusseite verbucht. Dagegen rechnete er die Betriebskosten und die Unterhaltung der Infrastruktur. Unter dem Strich kommt das Papier so auf 182 000 Euro Nutzen pro Jahr, denen fast 1,8 Millionen Euro an Kosten gegenüberstehen.

Bevor die erste Linie überhaupt starten könnte, müssten mindestens 75 Millionen Euro investiert werden, betont der Gutachter. Eher deutlich mehr, denn er rechne mit hohen Zusatzkosten für Planung, für Schall- und Denkmalschutz. Noch gar nicht berücksichtigt worden sei die Leittechnik, obendrein sei unter der Wiehler Neuklefstraße ein Brückendurchlass zu schmal für moderne Waggons.

Kritik am Gutachten kam vor allem von den Grünen, die einen Umsteigebahnhof in Osberghausen in Richtung Köln für das Mittel der Wahl halten und sich zudem auf einen eigenen Sachverständigen berufen, der zum Beispiel eine höhere Geschwindigkeit und damit kürzere Fahrzeiten für realistisch hält.

Das wiederum rief Dr. Friedrich Wilke (FDP) auf den Plan, der den Grünen „unseriöse Schönrechnerei“ vorwarf. „Wenn Geld für Sie ja keine Rolle spielt, können wir auch den ICE nach Waldbröl rollen lassen.“


Einstimmig votierte der Kreisentwicklungsausschuss am Donnerstagabend für einen Vier-Punkte-Plan, den der Arbeitskreis Wiehltalbahn am Dienstag bei seiner Sitzung in Engelskirchen formuliert hatte. Danach hat jedermann bis zum 15. Januar 2024 die Möglichkeit, dem Zweckverband Go Rheinland Vorschläge für die weitere Untersuchung der Machbarkeit zu unterbreiten. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen hat bereits angekündigt, die stärkere Verknüpfung von Wiehltal- und Oberbergischer Bahn untersuchen lassen zu wollen.

Sämtliche Vorschläge sollen mit dem Gutachter besprochen werden. Im März 2024 soll der Arbeitskreis erneut zusammenkommen und eine Variante festlegen, die dann mit einem ausführlichen Gutachten auf ihre Machbarkeit hin untersucht wird. Diese Untersuchung soll erneut durch Go Rheinland in Auftrag gegeben werden, allerdings erst, wenn das Landesverkehrsmodell vorliegt, das für das erste Quartal 2024 erwartet wird.

Aussicht auf Fördergeld für die Wiehltalbahn eher gering

Go Rheinland-Chef Reinkober dämpfte allerdings bereits die Erwartungen: Ein Ergebnis nahe 0 deute darauf hin, dass auch eine ausführliche Begutachtung das Ergebnis voraussichtlich nicht über 1 heben werde. Selbst wenn eine Förderwürdigkeit bestätigt würde, wäre es bis zur ersten Fahrt der reaktivierten Wiehltalbahn noch ein mühsamer Weg, so Reinkober.

Der Fördertopf des Landes für Planungskosten (für die Wiehltalbahn werden die auf mindestens sieben Millionen Euro geschätzt), sei bereits bis 2025 erschöpft. Und der Fond des Bundes für Infrastrukturprojekte auf der Schiene werde zwar mit zwei Milliarden Euro pro Jahr gefüllt – angesichts der Großprojekte im ganzen Land sei das aber viel zu wenig. 

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