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Einfluss moderater Bewegung auf Hirnregionen Ein Spaziergang fürs Gehirn

Quelle: Pressemitteilung Dr. Marcus Neitzert*

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Wer statt eines Samstags auf dem Sofa 15 Minuten spazieren geht, tut seinem Gehirn schon etwas Gutes – das zeigt eine Studie von Forschern des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen. Sie haben gezeigt, dass bereits moderate körperliche Aktivität positiv auf die Hirnsubstanz wirkt.

Schon ein kleiner Spaziergang kann sich positiv aufs Gehirn auswirken, wie eine Studie des DZNE zeigt.
Schon ein kleiner Spaziergang kann sich positiv aufs Gehirn auswirken, wie eine Studie des DZNE zeigt.
(Bild: gemeinfrei, David Lee / Unsplash)

Bonn – Bewegung hält Körper und Geist gesund – doch wie und wo genau wirkt sich körperliche Aktivität in unserem Gehirn aus? Dies ist in weiten Teilen noch unbekannt. Ein Team des Deutschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) hat sich deshalb dieser Frage in einer aktuellen Studie gewidmet. „In bisherigen Forschungsansätzen wurde das Gehirn meist als Ganzes betrachtet. Wir wollten einen detaillierteren Blick auf das Gehirn werfen und herausfinden, auf welche Hirnregionen körperliche Aktivität die größten Auswirkungen hat“, sagt Fabienne Fox, Neurowissenschaftlerin und Erstautorin der aktuellen Studie.

Aktivität und Hirndaten von über 2.000 Menschen

Für ihre Forschungsarbeiten nutzte das Team Untersuchungsergebnisse aus der Rheinland Studie, einer großangelegten, bevölkerungsbasierten Studie des DZNE im Bonner Stadtgebiet. Konkret analysierten die Forscher Daten zur körperlichen Aktivität von 2.550 Probanden im Alter zwischen 30 und 94 Jahren sowie Aufnahmen des Gehirns, die mittels Magnetresonanztomografie (MRT) erstellt wurden. Für eine Stichprobe der körperlichen Aktivität trugen die Studienteilnehmer für sieben Tage einen Beschleunigungssensor am Oberschenkel. Die MRT-Aufnahmen lieferten Informationen insbesondere zum Gehirnvolumen und der Dicke des Kortex (Hirnrinde).

Ein bisschen Bewegung bringt dem Hirn schon viel

Die Auswertung der Daten belegte, dass körperliche Aktivität sich positiv auf das Gehirn auswirkt. „Prinzipiell kann man sagen: Je höher und intensiver die körperliche Aktivität, umso größer waren die Hirnregionen, entweder in Bezug auf das Volumen oder auf die Dicke des Kortex“, fasst Erstautorin Fox die Ergebnisse zusammen. „Das haben wir unter anderem beim Hippocampus beobachtet, der als Schaltzentrale des Gedächtnisses gilt. Größere Hirnvolumina bieten einen besseren Schutz vor Neurodegeneration als kleinere.“

Wir konnten zeigen, dass sich körperliche Aktivität in nahezu allen untersuchten Hirnregionen deutlich bemerkbar machte.

Fabienne Fox, Neurowissenschaftlerin am DZNE

Allerdings nehmen die Ausmaße der Hirnregionen nicht linear mit der körperlichen Aktivität zu. Die größte, geradezu sprunghafte Volumenzunahme machte das Forschungsteam beim Vergleich zwischen nicht aktiven und nur leicht körperlich aktiven Studienteilnehmern aus – das zeigte sich vor allem bei älteren Menschen über 70 Jahren. „Das ist grundsätzlich eine sehr gute Nachricht – insbesondere für Bewegungsmuffel“, sagt Ahmad Aziz, Leiter der Forschungsgruppe „Populationsbezogene und Klinische Neuroepidemiologie“ am DZNE. „Unsere Studienergebnisse weisen darauf hin, dass schon kleine Verhaltensänderungen, wie etwa 15 Minuten am Tag Spazierengehen oder die Treppe statt des Aufzugs zu nehmen, eine erhebliche positive Wirkung auf das Gehirn haben und möglicherweise altersbedingtem Verlust an Hirnsubstanz sowie der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen entgegenwirken können. Vor allem ältere Erwachsene können bereits von einer leichten Zunahme der körperlichen Aktivität bei geringer Intensität profitieren.“

Junge sowie eher sportliche Probanden, die sich normalerweise moderat bis intensiv körperlich bewegten, hatten ebenfalls relativ große Hirnvolumina. Doch bei noch aktiveren Personen waren diese Hirnbereiche etwas größer. Auch hier zeigte sich: je aktiver, umso größer die Wirkung, wobei die positiven Effekte bei einem hohen Maß an körperlicher Aktivität tendenziell nachließen.

Gene verraten, wo Bewegung am stärksten im Hirn wirkt

Um die Hirnregionen zu charakterisieren, die von körperlicher Aktivität am meisten profitierten, hat das Forschungsteam in Datenbanken nach Genen gesucht, die in den jeweiligen Hirnregionen besonders aktiv sind. „Dabei handelte es sich vor allem um Gene, die für die Funktion der Mitochondrien – das sind die Kraftwerke unserer Zellen – essenziell sind“, sagt Fox. Das heißt: In diesen Hirnregionen kommen besonders viele Mitochondrien vor. Sie stellen unserem Körper Energie zur Verfügung und benötigen dafür viel Sauerstoff. „Im Vergleich zu anderen Hirnregionen wird daher ein erhöhter Blutfluss benötigt. Der wird besonders gut bei körperlicher Aktivität gewährleistet, was erklären könnte, warum diese Hirnregionen von Bewegung profitieren“, sagt Gruppenleiter Aziz.

Anreiz für mehr Aktivität

Die bioinformatische Analyse zeigte weiterhin, dass es eine große Schnittmenge gibt zwischen Genen, deren Expression durch körperliche Aktivität beeinflusst wird und solchen, die durch neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson oder der Huntington-Krankheit beeinträchtigt werden. Das könnte eine mögliche Erklärung dafür sein, warum körperliche Aktivität eine neuroprotektive Wirkung hat, folgert das Forschungsteam. „Mit unserer Studie konnten wir Hirnregionen, die von körperlicher Aktivität profitieren, in einem noch nie dagewesenen Detailgrad charakterisieren“, sagt Aziz. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse wichtige Ansatzpunkte für die weitere Forschung liefern.“

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Und Anreize für den Alltag soll die Arbeit der Forscher bringen: „Wir möchten mit unseren Ergebnissen einen weiteren Anstoß geben, körperlich aktiver zu werden – um die Gesundheit des Gehirns zu fördern und neurodegenerativen Erkrankungen vorzubeugen“, sagt Erstautorin Fox. „Selbst bescheidene körperliche Aktivität kann helfen. Es ist also nur ein kleiner Aufwand – aber mit großer Wirkung.“

Originalpublikation: Fabienne Fox et al.: Association Between Accelerometer-Derived Physical Activity Measurements and Brain Structure: A Population-Based Cohort Study., Neurology (2022); DOI: 10.1212/WNL.0000000000200884

* Dr. M. Neitzert, Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), 53175 Bonn

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