Mal hören, was noch kommt / Jetzt, wo alles zu spät is / Trivialroman - Hans Joachim Schädlich - E-Book

Mal hören, was noch kommt / Jetzt, wo alles zu spät is / Trivialroman E-Book

Hans Joachim Schädlich

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Beschreibung

«Das ist das Meisterhafte in allen Büchern Schädlichs. Die Sätze sind so schlau, sie sehen aus, als wären sie ahnungslos in ihrer spöttischen Tragik und ihrer verletzten Ironie, dass man sich bei Schädlich immer denkt beim Lesen, viel weiter kann man nicht gehen, ohne sofort zu verzweifeln.» (Herta Müller) Mal hören, was noch kommt / Jetzt, wo alles zu spät is: «Auf'm Nachtisch könnte 'ne Vase mit Blumen stehen. Aber wozu. Ich kann den Kopf nicht zur Seite drehen. Auf'm Nachttisch könnte 'n Glas Wasser stehen. Aber weshalb. Ich kann die Hände nicht bewegen.» In der ersten Erzählung denkt ein alter, kranker Mann an Frauen, redet mit Frauen, die sein Gestammel noch verstehen. Und erinnert sich. Als komplementären Text stellt Schädlich zu dieser Erzählung den Monolog einer Frau, die sich an ihre Männer erinnert – Jetzt, wo alles zu spät is. «Ewig auf Suche. Und was hab ich gefunden? Immer wieder 'nen andern. Und mit kei'm war's was.» Trivialroman: Männer mit Spitznamen wie Dogge, Ratte, Biber sitzen in einer Bar, die in einem Bunker liegt. Etwas ist schiefgegangen. Ist es eine normale Verbrecherbande, eine Politiker-Clique oder eine totalitäre Sekte, die sich, untereinander zerstritten und von den mächtigen «Anderen» bedrängt, aufs Untertauchen vorbereitet? Man kann den «Trivialroman» verschlingen wie ein Groschenheft. Oder wie eine Parabel.

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Seitenzahl: 384

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Hans Joachim Schädlich

Mal hören, was noch kommtJetzt, wo alles zu spät is Zwei ErzählungenTrivialroman

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

«Das ist das Meisterhafte in allen Büchern Schädlichs. Die Sätze sind so schlau, sie sehen aus, als wären sie ahnungslos in ihrer spöttischen Tragik und ihrer verletzten Ironie, dass man sich bei Schädlich immer denkt beim Lesen, viel weiter kann man nicht gehen, ohne sofort zu verzweifeln.» (Herta Müller)

 

Mal hören, was noch kommt / Jetzt, wo alles zu spät is: «Auf’m Nachtisch könnte ’ne Vase mit Blumen stehen. Aber wozu. Ich kann den Kopf nicht zur Seite drehen. Auf’m Nachttisch könnte ’n Glas Wasser stehen. Aber weshalb. Ich kann die Hände nicht bewegen.» In der ersten Erzählung denkt ein alter, kranker Mann an Frauen, redet mit Frauen, die sein Gestammel noch verstehen. Und erinnert sich. Als komplementären Text stellt Schädlich zu dieser Erzählung den Monolog einer Frau, die sich an ihre Männer erinnert – Jetzt, wo alles zu spät is. «Ewig auf Suche. Und was hab ich gefunden? Immer wieder ’nen andern. Und mit kei’m war’s was.»

 

Über Hans Joachim Schädlich

Hans Joachim Schädlich, 1935 in Reichenbach im Vogtland geboren, arbeitete an der Akademie der Wissenschaften in Berlin, bevor er 1977 in die Bundesrepublik übersiedelte. Heute lebt er wieder in Berlin. Für sein Werk bekam er viele Auszeichnungen, u.a. den Heinrich-Böll-Preis, Hans-Sahl-Preis, Kleist-Preis, Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg, Lessing-Preis, Samuel-Bogumil-Linde-Preis, Großen Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Bremer Literaturpreis, Corine-Preis und Joseph-Breitbach-Preis.

 

Weitere Veröffentlichungen

Versuchte Nähe

Tallhover

Schott

Der Sprachabschneider

Ostwestberlin

Gib ihm Sprache. Leben und Tod des Dichters Äsop

Anders

Der andere Blick

Inhaltsübersicht

MottoMal hören, was noch kommtJetzt, wo alles zu spät isTrivialroman

Etwas hält mich ab, dir etwas zu sein

Robert Walser

Mal hören, was noch kommt

Ich lieg im Bett und red mit Frauen. Ich sag: Ich. – Aber die Frauen, mit denen ich red, sagen: Das bist nicht du.

Ich lieg nicht in meinem Bett. Aber die Frauen sagen: Du in deinem Bett.

Neben dem Bett steht ’n Nachttisch. Irgendwo müssen meine Papiere liegen. Neben der Tür steht ’n Kleiderschrank. Irgendwo müssen meine Klamotten, meine Wäsche und meine Schuhe sein.

An der Wand hängt ’n Waschbecken. Neben dem Waschbecken hängen zwei Handtücher.

Meine Klamotten und meine Schuhe brauch ich gar nicht. Meine Wäsche? Pro Woche ’n Nachthemd.

Auf’m Nachttisch könnte ’ne Vase mit Blumen stehen. Aber wozu. Ich kann den Kopf nicht zur Seite drehen. Auf’m Nachttisch könnte ’n Glas Wasser stehen. Aber weshalb. Ich kann die Hände nicht bewegen.

Ich lieg auf’m Rücken und seh die Zimmerdecke. Meine Hände liegen flach auf’m Laken.

Die Zimmerdecke ist nicht uninteressant. Sie ist weiß und glatt.

Die Worte: gestern, heute, morgen: benutz ich, weil ich mich an sie erinner. ’ne Frau, mit der ich oft red, hat zu mir gesagt: Ein Wunder, daß du noch redest.

Ich hab zu mir gesagt: Das nennt die reden.

Die Frau ist nicht ehrlich. Sie muß ihr Ohr immer ganz nah an meinen Mund halten.

Bevor sie ihr Ohr fast auf meinen Mund legt, kann ich’s kurz sehen. Das Ohr ist schön. Ich weiß nicht, was ’n schönes Ohr ist.

Seit ich mich nicht mehr rasier, wachsen Haare aus meinen Ohren raus. Früher hab ich die Haare nach’m Rasieren abgeschnitten. Ich weiß, daß meine Ohren noch häßlicher aussehen, wenn Haare aus ihnen rauswachsen.

Aus dem Ohr der Frau wachsen keine Haare raus.

Die Frau sagt viel zu mir. Ein Wunder, daß ich noch hör.

Die Frau sagt: Möchtest du Wasser? Möchtest du Suppe?

Die Frau sagt: Möchtest du pissen? Möchtest du kacken?

Meine Uhr ist die Zimmerdecke.

Früher hat die Frau zu mir gesagt: Ein Wunder, daß Sie noch reden. Möchten Sie Wasser trinken? Möchten Sie Suppe essen? Möchten Sie Wasser lassen? Möchten Sie sich entleeren?

Es stört mich nicht, daß sie das nicht mehr sagt. Sie schlägt die Bettdecke zurück, schiebt das Nachthemd hoch und hält ’ne Flasche vor meinen Schwanz. Oder sie schiebt ’n Topf unter meinen Arsch.

Es macht der Frau Mühe, mir halbwegs den Arsch abzuwischen. Aber was soll ich tun.

Als die Frau letztes Mal im Zimmer war, hat sie gesagt: Jemand hat Blumen für dich abgegeben. Ich hab sie gleich in den Mülleimer geschmissen.

Warum hast du sie nicht mit nach Hause genommen?

Weil es ein Grabgebinde war.

Wer hat sie gebracht.

’ne Frau.

Wenn die Frau noch mal kommt, dann schick sie zu mir. Ich will mit ihr reden.

Ich weiß nicht, wieviel Zeit vergangen ist, seit jemand Blumen für mich abgegeben hat. Aber jetzt ist eine da, die sagt: Diesmal hab ich keine Blumen mitgebracht.

Die Frage: Wie heißt du? – wär sinnlos. Ich erinner mich nicht an Namen. Das Gesicht der Frau kann ich nicht erkennen. Die Stimme erkenn ich auch nicht. Ich kann mir Mühe geben, die Frau daran zu erkennen, was sie erzählt. Vielleicht hat sie’s mir schon mal erzählt.

Sie sagt: Daß ich dich so daliegen sehen muß.

Daran erkenn ich sie nicht.

Sie sagt: Wenn ich daran denke, wie schön es mit uns war.

Daran erkenn ich sie auch nicht.

Ich sag: Warum küßt du mich nicht.

Die Frau sagt: Die haben dir doch alle Zähne gezogen.

Die Frau hat recht. Ich seh ein, daß die Erinnerung täuschen kann, wenn man keine Zähne mehr hat. Ich kann mir jetzt nicht mehr vorstellen, wie sie mich küssen könnte. Ihre Zunge käm in einen löchrigen Hautsack. Drumrum wachsen versuppte Barthaare. Außerdem atme ich Stinkluft aus. Mein Atem ist das einzige, was ich noch riech.

Die Frau, die mir den Arsch abwischt, hat irgendwann zu mir gesagt: Du stinkst, daß es Gott erbarmt.

Ich hab gesagt: Das ist meine flüssige Scheiße.

Nein: hat sie gesagt: Du stinkst an und für sich. Das ganze Zimmer stinkt nach dir.

Wie gesagt, ich riech das gar nicht.

Mein Gott, sogar als Zahnloser möcht ich manchmal irgendwas kauen. Ich hab das der Frau gesagt. Sie hat mir ’n rindenloses Stück Brot gebracht und hat’s halb in meinen Mund gesteckt. Ich hab nichts abgekriegt. Die Frau hat gelacht und hat das Brot selber gegessen.

Meine Fingernägel wachsen noch, meine Fußnägel wahrscheinlich auch. Ich weiß das, weil eine von den Frauen gesagt hat: Du hast so lange Fingernägel, daß es mich ekelt.

Ja, schöön. Aber keine von den Frauen schneidet mir die Fingernägel ab. Das wurmt mich. Manche Frauen müssen sich doch in ihren Weichteilen an meine Finger erinnern. Aber es ist mir auch egal; ich benutz meine Finger nicht mehr, meine Füße auch nicht.

Irgendwann hatt ich Lust, ’ne Zigarette zu rauchen. Das ging besser als Brot essen. Die Frau hat ’ne Zigarette angesteckt und sie mir in den Mund geschoben. Ich hatte Probleme, die Zigarette in meinem Hautloch festzuhalten. Die Frau hat die Zigarette für mich gehalten, und ich hab ’n tiefen Zug genommen. Der erste Zug war der letzte. Ich mußte so husten, daß ich kotzen mußte. Ich hab meine Suppe ausgekotzt. Die Suppenkotze ist mir über ’n Hals gelaufen. Die Frau hat die Zigarette selber geraucht. Dann hat sie mir die Kotze abgewischt.

Ich weiß, daß Kotze sauer riecht. Aber ich hab nichts gerochen. Die Frau hat gesagt: Alles Miese hat auch sein Gutes.

Zuerst hab ich mich öfter gewundert, daß oft ’ne Fliege auf meiner Nase rumsteht. Ich hab die Fliege nicht gespürt. Spüren kann ich auf meiner Nase nichts. Ich hab die Fliege gesehen. Am besten seh ich sie, wenn ich ein Auge zumach. Allerdings seh ich sie dann nur von einer Seite. Wenn ich die Augen aber abwechselnd zumach und auf, seh ich die Fliege fast gleichzeitig von beiden Seiten. Sie tut meistens nichts. Irgendwas zu fressen findet sie auf meiner Nase nicht. Ich konnt mir zuerst nicht erklären, warum die Fliege so oft auf meiner Nase rumsteht. Inzwischen versteh ich das. Ich lieg die meiste Zeit mit offenem Mund da. Ich hab ’n vorstehenden Unterkiefer. Die Luft, die aus meinem Mund kommt, zieht an meiner Nasenspitze vorbei. Die Fliege genießt den Gestank aus meinem Mund. Ich hab der Fliege immer was zu bieten. Das macht mich ruhig. Die Fliege ist mir von allen Lebewesen das nächste. Sie erwartet nichts von mir außer bißchen Gestank, und sie ist treu.

Ich weiß nicht, wo sie ihre Verpflegung hernimmt. Manchmal fliegt sie weg. Vielleicht fliegt sie auf ’n Fußboden und findet was. Vielleicht fliegt sie in den Topf, den mir die Frau unter ’n Arsch schiebt, und findet was. Wenn ich das doch wüßte. Ich könnt mich an der Fliege mit dem guten Gefühl erfreuen, daß ich für sie sorg. Ich, in meiner miesen Lage, ein Ernährer.

Manchmal guckt die Fliege mich an. Ihre Augen sagen: Na, alter Junge? Alles o.k.? – Meine Augen sagen: Hallo, Mädchen, wie geht’s? Wie hast du mich gefunden?

Manchmal, wenn ich vor mich hindös, schwebt mir die Möse einer Frau vor. Ich weiß nicht mehr, wie die Frau hieß. Ich wünsch ihr, daß sie noch lebt. Ihre Möse hätte das verdient. Eines weiß ich aber genau. Die Möse dieser Frau war das Feinste, was ich in meinem Leben gesehen und gefühlt hab. Wenn ich was gleich Feines jemals gesehen und gefühlt hätte, könnt ich’s mit dieser Möse vergleichen. Anders gesagt, die Möse dieser Frau war einmalig fein.

Weil ich am Rücken manchmal ’n komisches Gefühl hab, hab ich gesagt: Was ist denn mit meinem Rücken los.

Die Frau, die mir Wasser bringt, hat meinen Oberkörper angehoben. Sie hat gesagt: Bist du aber federleicht. Na, mal sehen.

Sie hat sich meinen Rücken angesehen und gesagt: Sieh mal an. Dein Rücken ist durchgelegen. Das rohe Fleisch. Der ganze Rücken suppt.

Ich wußte über das komische Gefühl Bescheid, und die Frau hat mich zurückfallen lassen.

Letztens hab ich unruhig geschlafen. Mir ging die feinste Möse, die ich jemals gesehen und gefühlt hab, durch ’n Kopf. In dem Augenblick hat sich unterm Bett was bewegt. Ich hör das. Aber ich wollt mich nicht von der Möse abbringen lassen. Ich dachte an die Frau, die zu mir gesagt hatte: Du bist so groß, und meine Möse ist so klein. – So was vergißt man nicht so leicht. Oft hatte ich von Frauen das genaue Gegenteil gehört. Sogar die Frau, die mir bloß die Flasche vor den Schwanz hält, hat gesagt: Dein elender Stummel.

Als diese Frau wieder mal ihr Ohr ganz nah an meinen Mund gehalten hat, hab ich gesagt: Unterm Bett bewegt sich manchmal was. – Sie hat: Psst! – gemacht und geflüstert: Unter deinem Bett liegt nachts einer.

Ich bin gewarnt. Ich schlaf seitdem immer unruhig. Ich will mich nicht verraten. Wer weiß, was ich im Schlaf vor mich hin flüster. Ich flüster auch im Halbschlaf vor mich hin. Vielleicht hab ich: Möse – vor mich hin geflüstert. Ich bin froh, daß ich den Namen von der Frau mit der feinsten Möse vergessen hab. Ich will die Frau nie verraten.

Die Fliege ist meine Komplizin. Sie hat sprechende Augen. Bestimmt ist sie dem Mann unterm Bett schon begegnet. Aber im Dunkeln kann der Mann nicht sehen, was die Augen der Fliege sagen. Dieser Mann weiß nicht, daß die Fliege sich auf meiner Nase aufhält. Dieser Mann weiß nicht, daß ich aus’m Mund stink. Dieser Mann weiß nicht, daß ich die Augen abwechselnd auf- und zumach. Er weiß höchstens, daß die Fliege vielleicht von mir lebt. Das soll er ruhig wissen. Dann weiß er, daß ich nicht allein bin. Ich und die Fliege, wir sind zwei. Aber er ist allein, jedenfalls unterm Bett.

Was will der Mann.

Wahrscheinlich bin ich ’ne Gefahr. Weil ich mit Frauen red. Weil ich jede Woche ’n frisches Nachthemd krieg. Weil meine Papiere griffbereit im Nachttischkasten liegen. Weil meine Klamotten, meine Wäsche und meine Schuhe in Reichweite verstaut sind. Weil ich mich nicht mehr rasier. Weil Haare aus meinen Ohren rauswachsen. Weil ich noch red. Weil ich noch hör. Weil ich nichts fühl, oder fast nichts. Weil ich Wasser trink. Weil ich Suppe trink. Weil ich pisse. Weil ich kacke. Weil ich die Zeit von der Zimmerdecke ables. Weil ich keine Blumen bekomm. Weil ich geküßt werden will. Weil ich stinke, an und für sich. Weil ich was kauen will. Weil meine Fingernägel noch wachsen und meine Fußnägel wahrscheinlich auch. Weil mir niemand die Fingernägel abschneidet. Weil ich was rauchen will. Weil ich huste. Weil ich kotze. Weil mein Rücken suppt.

Ob das Laken und die Matratze dichthalten? Wenn aber nicht. Bißchen Pisse und bißchen flüssige Scheiße gehen immer daneben, wenn ich pisse und flüssig scheiße. Und die Suppe aus dem rohen Fleisch von meinem Rücken. Der Mann unterm Bett muß Pisse, Scheiße und Blutsuppe schlucken.

Manchmal bin ich am Morgen frisch. Ich hab dann Lust, rasiert zu werden. Ich hab dann Lust, kalt gewaschen zu werden. Aber die Frau, die mir Suppe gibt, rasiert mich nicht und wäscht mich nicht. Sie hat gesagt: Das lohnt sich nicht mehr.

Wieso nicht?

Sie hat mir ’n Spiegel vors Gesicht gehalten und gesagt: Sieh doch selber. – Seitdem weiß ich, wie mein Mund aussieht und daß versuppte Barthaare drumrum wachsen.

Das Waschbecken und die zwei Handtücher sind überflüssig. Warum sind sie da?

Die Frau hat gesagt: Für den nächsten.

Manchmal öffnet die Frau das Fenster. Die frische warme oder kalte Luft verlängert vielleicht mein Leben. Aber die Frau sagt: Dein Gestank bringt mich noch um.

Neulich hab ich durchs offene Fenster Kinderstimmen gehört. Ich hab gesagt: Was sind das für Kinder.

Das sind die Kinder von dem Mann nebenan: hat die Frau gesagt.

Ich hab gesagt: Wann kommen meine Kinder.

Die Frau hat gesagt: Auch wenn du gestorben bist.

Ich hab gesagt: Wenn ich gestorben bin, will ich endlich rasiert und kalt gewaschen werden.

Die Frau hat gesagt: Wer macht denn das heutzutage noch.

Ich hab gesagt: So, wie ich ausseh, sollen meine Kinder mich nicht sehen.

Die Frau hat gesagt: Sag ihnen das selber.

Es ist ein Wunder, daß ich noch Bart- und Ohrhaare hab. Überall sonst, wo ich früher auch Haare hatte, hab ich keine mehr. Ich hab das gesehen, als ich noch stehen, gehen und sitzen konnt. Nicht auf’m Kopf und nicht in der Schwanzgegend hab ich Haare. Nicht auf der Brust und nicht an den Beinen. Nicht an den Armen, nicht in der Nase. Keine Achselhaare, keine Augenbrauen, keine Wimpern. Früher hätt ich solche Haarlosigkeit bedauert. Weil die Frau mit der feinsten Möse zu mir gesagt hat: Ich liebe dein Kopfhaar, ich liebe dein Schamhaar. Ich liebe dein Brusthaar, ich liebe dein Beinhaar. Ich liebe dein Armhaar, ich liebe dein Nasenhaar. Ich liebe dein Achselhaar, deine Augenbrauen, deine Wimpern.

Die Haarlosigkeit hat Vorteile. Ich muß mich nicht mehr auf’m Kopf, am Schwanz, auf der Brust, an den Beinen, an den Armen, in der Nase und untern Achseln kratzen.

Die Frau mit der feinsten Möse hat nie gesagt: Ich liebe dein Barthaar, ich liebe dein Ohrhaar. Ich wünsch mir, daß auch die Barthaare und die Ohrhaare ausfallen.

Auch die Zahnlosigkeit hat ’n Vorteil. Ich brauch nach’m Essen nicht mehr in den Zähnen rumzustochern.

Ich war mit allen Haaren immer häßlich. Ohne die meisten Haare bin ich noch häßlicher.

Ich hab die Schönheit von Frauen geliebt. Ich fand an Frauen andre Dinge schön als andre Männer. Mir haben dicke Beine gefallen. Mir haben große Ohren gefallen. Mir haben vorstehende Bäuche gefallen. Leider hab ich nie ’ne Frau gekannt, die gleichzeitig dicke Beine, große Ohren und ’n vorstehenden Bauch hatte. Die Fliege auf meiner Nase kommt meinem Schönheitsideal nahe.

Einmal hab ich zu der Fliege gesagt: Du bist ’ne schöne Frau.

Die Fliege hat gesagt: Schade, daß wir uns so spät kennengelernt haben. Ich wäre gern durch dein Brusthaar spaziert.

Ich hab gesagt: Spazier doch in meinem Bart rum. Spazier doch in meinen Ohren rum.

Aber die Fliege hat bloß den Kopf geschüttelt. Bart- und Ohrhaare scheinen bei manchen Frauen unbeliebt zu sein.

Früher hab ich oft Musik gehört. Heutzutage fehlt mir dazu die Gelegenheit. Aber die Fliege ist paarmal an meinem linken Ohr vorbeigeflogen. Das war Musik in dem Ohr.

Wenn ich an Frauenhaare zurückdenk, dann denk ich an Beinhaare und an Mösenhaare. Die Beinhaare müssen licht, kurz und weich sein. Die Mösenhaare müssen weich, lang und dicht sein. Ich denk auch gern an Achselhaare. Sie müssen dicht, lang und weich sein. Mösenhaare und Achselhaare gehören in meinem Gehirn zusammen. Ich weiß nicht, was andre Männer dazu sagen.

Beine, Ohren, Bäuche und Haare. Was noch? Stimmen. Zuletzt hab ich schrille Stimmen geliebt, obwohl ich zuerst dunkle Stimmen geliebt hab. Die Erklärung ist einfach. Schrille Stimmen können liebevoll klingen, dunkle Stimmen liebelos.

Ich hätt lernen müssen, allein zu sein. Dazu ist es zu spät. Aber ich bin getröstet. Die Fliege hat zu mir gesagt: Ich bleib bis zuletzt bei dir. Ich bleib auch danach bei dir. Solange es geht.

Wenn ich gelernt hätt, allein zu sein, dann bekäm ich nicht so viel Frauenbesuch. In Wahrheit hab ich keine Lust, mich an die Vergangenheit zu erinnern. Ich will nicht dran denken, was ich falsch gemacht hab. Solche Gedanken stören meine Verdauung. Erinnerung an die Vergangenheit ist flüssige Scheiße. Das Leben in der Gegenwart wird dauernd versaut.

In meinem Leben gab’s auch Schönes. Ich hab mir gern die Zähne geputzt. Geputzte Zähne fletschen war schön.

Ich weiß nicht, wann es war. Es ist ’ne Frau zu mir gekommen und hat gesagt: Es ist wie früher. Du tust nichts für mich. Wenn du wenigstens Geld hättest.

Geld? In meinem Nachttischkasten ist Geld. Nimm dir, was du brauchst. – Die Frau hat das Geld aus dem Nachttischkasten genommen. Die Frau hat gesagt: Ist das alles? Willst du mich verarschen?

Wenn ich die Fliege nicht hätt, würd ich Schluß machen.

Die Frau, die mich nicht rasiert, sagt: Man lebt nur einmal.

Ich muß an die Zukunft denken. Will ich begraben oder verbrannt werden.

Wer kriegt meine Klamotten, meine Wäsche, meine Schuhe.

Was sag ich der Fliege, zum Abschied.

Ob ich noch weinen kann?

Wann hab ich geweint?

Meine Mutter hat gesagt: Als du auf die Welt kamst.

Einmal hab ich wegen einer Frau geweint. Die Frau war meine Mutter. Ich hab geweint, weil sie geweint hat. Warum sie geweint hat, weiß ich nicht.

Es kommt mir normal vor, am Ende noch mal zu weinen, weil ich nach meinem Tod nicht mehr an die Zimmerdecke gucken kann.

Vorgestern oder gestern sind zwei Frauen gleichzeitig zu mir gekommen. Die eine hat gesagt: Hättest du nicht so fett gegessen. Hättest du nicht so stark geraucht. – Die andre hat gesagt: Hättest du Sport getrieben. – Die eine hat gesagt: Hättest du nicht so viele Weiber gehabt. – Die andre hat gesagt: Hättest du dir nicht das Gehirn aus der Birne gefickt.

Jede hat gut reden.

Aber ich hab gesagt: Wer hat denn gekocht. Ihr. Wer wollte denn gefickt werden. Ihr.

Das hätt ich nicht sagen sollen. Die eine hat zur andern gesagt: Was?

Die zwei sind bald wieder gegangen.

Ich hatte nach dem Besuch Lust, ’n Lied zu pfeifen. Aber mit meinen Lippen kann ich das nicht mehr. Ich möcht wissen, wie mein Mund aussieht, wenn ich lächel. Ich lächel immer, wenn niemand im Zimmer ist, der mir ’n Spiegel vors Gesicht halten könnt.

In der Nacht wollt ich wieder Musik hören. Die Fliege schlief irgendwo. Ich konnt nicht hoffen, daß sie an meinem Ohr vorbeifliegt. Ich hab mir selber was gesummt. Hätte die Fliege mich gehört, wär sie vielleicht vorbeigekommen. Wir hätten im Duett gesummt.

Soll ich mir Vorwürfe machen, weil ich so war wie ich bin? Ich kann gar nicht an ’ne Frau denken, ohne an ’ne andre Frau zu denken.

Die eine hat geglaubt, daß ich sie liebe. Die andre hat auch geglaubt, daß ich sie liebe. Ich hab beide geliebt. Es war nicht böse gemeint. Es war für beide gut. Für mich war es auch gut. Aber es war auch schwer. Ich mußte meine Zeit einteilen. Ich mußte mir Ausreden ausdenken. Ich mußte doppelt viel Blumen kaufen. Ich mußte doppelt oft duschen. Ich durfte die Namen nicht verwechseln. Damals hab ich gelernt, überhaupt keine Frauennamen mehr zu benutzen. Irgendwann verwechselt man die Namen doch. Ich hab mir mit Kosewörtern geholfen. Es genügen zwei, drei Stück. Mir fällt jetzt auf, daß nie ’ne Frau gewollt hat, daß ich sie mit ihrem Namen anred. Liebe macht taub.

Ich mach mir keine Vorwürfe. Ich war schon damals zufrieden, daß mich die eine manchmal mit’m andern Namen angeredet hat.

Liebesbriefe hab ich ohne Anrede geschrieben. Als Anrede hab ich die zwei, drei Kosewörter benutzt. Bei den Adressen muß man aber aufpassen. Einmal hab ich die Adressen verwechselt. Passiert ist nichts. Die Briefe kamen zurück. Empfänger unbekannt. Ich mußte zwei Briefumschläge neu adressieren. Das war alles. Vielleicht hab ich dabei die Briefe verwechselt. Aber in meinen Liebesbriefen gab’s nie klare Orte oder Zeiten. Zum Beispiel statt: Gestern, das war schön mit dir, im Stadtwald – hab ich geschrieben: Das war schön mit dir.

Ich weiß nicht, wie die Frau heißt, die mich nicht wäscht. Ich schwör, daß ich mit dieser Frau nichts hatte. Ich hab sie erst kennengelernt, als ich in das Zimmer geschoben wurde. Sie stand neben der Tür und hat gesagt: Der nächste, bitte. – Wenn sie meine Bettdecke zurückschlägt und mein Nachthemd hochzieht, um mir die Flasche vor ’n Schwanz zu halten, rührt sich gar nichts.

Ich bin neugierig, was los wär, wenn sie nackt wär. Sie ist jünger als ich. Ob ich zu ihr sagen soll: Zieh dich doch mal aus.

Ich könnt wenigstens ihre Achselhaare sehen. Ich könnt wenigstens ihre Mösenhaare sehen. Ich könnt wenigstens ihre Beinhaare sehen. Falls sie Haare an den Beinen hat. Aber ich fürcht mich davor, daß sie sagt: Du kleines geiles Arschloch. Du kriegst doch sowieso keinen mehr hoch.

Wie alt ich bin, hab ich vergessen. Ich leb schon lange. Ich könnte ’ne Frau bitten, in meinen Papieren nachzusehen, wie lang ich schon leb. Aber diese Blöße will ich mir nicht geben. Hauptsache, ich leb.

Wenn ich gestorben bin, müssen sie nachsehen, wann ich geboren bin. Für den Totenschein. Vielleicht auch für ’ne Todesanzeige. Womöglich wundern sich manche, wie jung ich war. Ich könnte Bäume ausreißen.

Die Frau, die manchmal das Fenster aufmacht, ist jetzt im Zimmer. Ich sag: Bist du verheiratet?

Sie sagt: Mein Mann ist tot. Der hat zuviel geraucht. Danach hab ich den Hans geheiratet. Was den gekillt hat, weiß ich nicht. Der hat Blut gekotzt.

Schade, daß ich kein Telefon hab. Irgend ’ne Frau könnte mir den Hörer ans Ohr legen und ’ne Rufnummer wählen.

Ich hab nie an ’n Gott geglaubt. Wie denn. Ich hab so viel Scheiße gesehen. Ein Gott hätte die Scheiße weggemacht.

Aber neuerdings möcht ich mal mit ’ner Pfarrerin reden. ’ne Pfarrerin hatt ich nie. Ich kannte ’n Pfarrer. Der hat zu mir gesagt: Wenn Sie wollen, bringe ich Sie unter die Erde. Ich bin für die Güte meiner Beerdigungen bekannt.

An meinem offnen Grab soll ’n Blues vom Band gespielt werden. Der Lautsprecher soll auf meinem Sarg stehen. Särge sind gute Resonanzkörper. Vorausgesetzt, außer mir ist im Sarg nichts. Manche Bestattungsfirmen füllen die Särge mit Sägemehl auf, damit die Leichen nicht so tief liegen. Manche Bestattungsfirmen füllen die Särge mit Hausmüll oder alten Pornoheften auf. Sie sparen die Hausmüll- und Altpapierabfuhr. Aufgefüllte Särge klingen nicht. Ich verlange einen klingenden Sarg. Das ist mein letzter Wunsch.

Ich krieg kein Telefon.

Ich krieg auch keine Medikamente. Mit mir können sie’s machen. Aber vielleicht stimmt’s auch gar nicht, daß ich krank bin. Warum soll ich dann Medikamente kriegen. Medikamente sind gefährlich. Und teuer. Es gibt genug Kranke, die die Medikamente brauchen. Ich eß ordentlich. Ich trink ordentlich. Ich laß mir nicht noch mal sagen: Wenn du nicht ordentlich ißt, blasen wir dir die Suppe in den Arsch. – Ich hasse Klistiere.

Klistiere hat mir meine Mutter gemacht. Du bist verstopft, mein Kind! – Ich kam nie rechtzeitig zum Klosett. Die Scheißbrühe ist mir an den Beinen runtergelaufen. Ich hab ’ne Stinkespur gezogen. Die Arbeit hatte meine Mutter. Sie ist mit dem Wischlappen hinter mir hergerutscht.

Ich hab zu meinen Frauen gesagt: Macht den Kindern keine Klistiere! Das erniedrigt!

Wenn ich bloß wüßte, wo meine Kinder sind. Manchmal hat sich ’ne Mutter bei mir gemeldet. Die eine hat gesagt: Du brauchst dich nicht um dein Kind zu kümmern. Aber du sollst wissen, daß du eins hast. – Die andre hat gesagt: Es wäre leichter für mich, wenn du dich um dein Kind kümmern würdest. Aber ich will nicht, daß es dich kennenlernt. Sonst wird es noch genauso ein Scheißtyp wie du. – Die dritte hat gesagt: Gott strafe dich, weil du nie gefragt hast, ob ich ein Kind von dir habe. – Vielleicht hatte sie gar keins.

Die meisten Männer, die ich kannte, wußten, wieviel Kinder sie haben. Frauen haben’s leichter. Die kennen ihre Kinder. Oft wissen sie aber nicht, wieviel Kinder sie hätten haben können. Ich weiß das von meiner Mutter. Sie hat manchmal versucht, ihre Abtreibungen zu zählen. Jedesmal kam ’ne andre Zahl raus.

Alle Frauen, die ich geliebt hab, hab ich geliebt. Ich hab für sie getan, was ich konnte. Es hat nie gereicht. Das hat mir böse Worte eingebracht. Zum Beispiel: Du armseliger Pinscher. – Oder: Du Großmaul. – Oder: Du aufgeblasener Arsch. – Das hat mich an die Klistiere meiner Kindheit erinnert.

Alle Frauen, die ich geliebt hab, haben für mich getan, was sie konnten. Es hat immer gereicht.

Der erste Mensch in meinem Leben war die Mutter. Der letzte Mensch in meinem Leben ist die Fliege. Alles Gute kommt von Frauen.

Sogar der Arzt ist ’ne Ärztin. Sie hat mich untersucht, eh ich in diese Bude kam. Ihr Blick war mitleidig. Ihre Griffe waren weich. Zum Abschied hat sie mir die linke Schulter getätschelt. Ohne Vorwurf. Das letzte von ihr war ’n musikalisches Wort: Moribundus. – Ich hab nie ’ne Ärztin gehabt. Ich wünsch mir, daß sie meinen Totenschein schreibt. Als bekäm ich ’ne Postkarte.

Post krieg ich nie. Manche kennen doch meine Adresse. Sie sagen sich wahrscheinlich: Der schreibt ja nicht zurück. – Schreiben verlangt schreiben.

Wenigstens will ich allen ’ne Todesnachricht zukommen lassen. Ich sag zu der Frau, die mir gesagt hat, daß nachts einer unterm Bett liegt: Nimm mein Adreßbuch aus’m Nachttisch und schick an jede Adresse ’ne Karte: Am Soundsovielten verschied – und meinen Namen.

Die Frau sagt: Wo soll ich die Karten herkriegen. Wer bezahlt das Porto. Wie heißt du überhaupt.

Ich sag: Geld spielt keine Rolle. Du verkaufst meine Klamotten, meine Wäsche und meine Schuhe. Mein Name steht in meinem Ausweis.

Die Frau sagt: Was hab denn ich davon.

Ich sag: Du hast ’n Herz. Achte drauf, wie ich sterb. Dementsprechend schreibst du: … verschied sanft …, oder: … verschied nach schwerem Ringen … – Aber schreib nicht, wann das Begräbnis stattfindet. Das möcht ich den Frauen nicht antun, daß sie an meinem Grab weinen müssen.

Die Frau sagt: Dir weint doch keine ’ne Träne nach.

Hinterher ist mir eingefallen, daß ich Trauergäste brauch, damit sie aus’m Lautsprecher auf meinem Sarg ’n Blues hören können.

Die Frau hat noch gesagt: Der Mann unterm Bett glaubt, daß ich ihm helf. Ich hab ihn dabei gelassen. Aber ich sag dir, was der wissen will: Ob du noch einen hochkriegst. Der hat Angst, daß du noch ’n Kind machst. Verbrecher zeugt Verbrecher: hat der gesagt.

Verbrecher.

Der will dazwischengehen, wenn du was machst.

Der liegt gar nicht so schief. Ich hätt Lust, noch ’n Kind zu machen. Aber wem.

Es kommen doch genug Frauen.

Die wollen doch nicht.

Am Tag ginge es. Wenn der Mann unterm Bett weg ist.

Meinst du, ich könnte?

Probieren geht über Studieren.

Wie wärs mit dir?

Ich denk drüber nach. Abtreiben kann ich’s dann immer noch. Heute geht’s nicht. Ich hab grad meine Tage. In zwei Wochen sag ich dir Bescheid.

Ich hab zu der Frau gesagt: Wenn ich tot bin, sollt ihr mir nicht die Kinnlade hochbinden. Wie sieht denn das aus.

Die Frau hat gesagt: Das muß sein. Sonst kommt dir die Scheiße aus’m Hals. Sowas stinkt unglaublich. Wir müssen dir auch das Arschloch zukleben.

Das könnt ihr machen: hab ich gesagt: Das sieht ja keine.

Naja: hat sie gesagt: Wart’s ab.

Ich hab gesagt: Gib mir ’ne Spritze, ich will abkratzen.

Aber sie: Warum denn.

Weil ich unheilbar krank bin.

So schnell schießen die Preußen nicht. Hast du unerträgliche Schmerzen?

Nö.

Na also. Außerdem mußt du den Todeswunsch mehrfach äußern.

Das tu ich gern.

Aber sie: Sieh erst zu, daß du unerträgliche Schmerzen kriegst.

Irgendwann kam die Alte, bei der ich jahrelang gewohnt hab, als ich noch keine Wohnung hatte. Sie ist jetzt Mitte 90.

Sie hat gesagt: Na, junger Mann. Wie ist das Leben.

Ich hab gesagt: Ich weiß nicht. Ich hab schon lange nichts mehr von ihm gehört.

Sie sagt: Ich habe ein Kräuterbad genommen. Fühlen Sie mal.

Sie streckt mir ihren knochigen Arm entgegen.

Ich hab mit der linken Schulter gezuckt.

Sie sagt: Mein Mann war Brauereidirektor. Ich trinke jeden Tag Warmbier. Das hält jung.

Ich hab gesagt: Wenn’s anders wär, wär’s schlimmer. Was macht Ihre Tochter.

Die ist 70 und bettlägerig. Ein Glück, daß sie sich nicht mit Ihnen eingelassen hat. Sonst lägen Sie hier zu zweit.

Ich bin zufrieden. Mehr kann ich nicht verlangen.

Verlangen. Verlangen. Ich hab immer gewußt, daß aus Ihnen nichts wird. Raffen Sie sich endlich auf. Die Welt ist groß. Das Glück liegt auf der Straße.

Ich hab gesagt: Was macht Ihr Schwiegersohn.

Der! Der hat mich mit’m Schuh auf’n Kopf gehauen, daß mir’s Blut aus’n Ohren gekommen ist. Weil ich beim Sonntagsbraten gekleckert hab. Ich dachte: Den überlebst du. – Kürzlich ist er tatsächlich gestorben, die Drecksau. Meine Tochter hat er auch geprügelt. Die hat den dafür noch geliebt. Oder sie hat bloß so getan.

Neuerdings weiß ich oft nicht, wo ich bin. Jetzt wieder. Wo bin ich eigentlich.

Die Frau, die dauernd nach mir sieht, sagt: Is was?

Ich sag: Warum kommst du dauernd rein.

Ich komm nicht dauernd. Ich komm jede Stunde. Weil ich nachsehen muß, ob du noch lebst. Wir haben wenig Platz. Wenn du tot bist, mußt du sofort raus hier. Da warten noch andre auf deine Matratze.

Ich hab dir doch gesagt, ich will ’ne Spritze.

Ihr Kerle erwartet immer alles von andern. Tu selber was. Was glaubst du, wer hier alles sterben will. Mach dir klar, was für ein Luxusleben du führst. Läßt dir Zeit und blockierst tagelang die Bude. Im Hochsommer geht’s schneller. Mir wird’s allmählich langweilig. Immer dasselbe Gesicht. Deinen Arsch kenn ich langsam.

Die einzige Freude heute war meine Fliege. Sie sagt mir alles. Das ist Liebe. Sie hat gesagt: Im Nachbarzimmer der Typ hat mich angemacht. Er hat gesagt: Bleib doch bei mir. Ich hab eitrige Beulen unter der Achsel. Unter meiner Achsel kannst du dein Wochenbett einrichten. Da finden deine Kinder ein warmes Plätzchen und jede Menge Kindernahrung. – Ich hab gesagt: Neinnein. Ich lebe nicht allein. Ich brauche deinen Eiter nicht. Mein Partner hat einen offenen Rücken. Da ist es warm, und Essen gibt es genug. Ich bin kein besonderer Eiterfan. Ich hab’s lieber, wenn meine Kinder frische Blutsuppe kriegen.

Meine Fliege. Ich hab zu ihr gesagt: Flieg auf meine Lippen. Ich will dich küssen.

Die Fliege ist das einzige Wesen auf der Welt, dem was an mir liegt. Ich weiß jetzt, was ich meiner Fliege zum Abschied sag: Hör mal. Ich schenk dir meine Augen. Ich träum davon, daß du mir in die Augen siehst, wenn ich gestorben bin. Du liest aus meinen Augen, wie es mir auf der Reise in die Hölle ergeht. Trink meine Augen aus, bevor du endgültig Abschied von mir nehmen mußt.

Die Fliege hat gesagt: Ich danke dir. Ich will alles tun, was du gesagt hast. Meinen Kindern werd ich erzählen, wie salzig süß deine Augen geschmeckt haben. Schade, daß du begraben oder verbrannt wirst. Anderswo werden die Toten auf Bäumen bestattet. Da dürfte ich bis an mein Ende bei dir bleiben. Ich könnte mich gemütlich in einer Augenhöhle einrichten. In der anderen Augenhöhle fänden meine Kinder eine Bleibe. Dein Totenschädel wäre ein schöner Spielplatz. Die Kinder könnten in deinem Kopf herumklettern. Von deinem Augenrand könnten sie ihre ersten Flugversuche starten.

Ja, schade: hab ich gesagt.

Zu der Frau, die mir mein luxuriöses Leben vorwirft, hab ich gesagt: Drück mir nicht die Augen zu. Ich hab sie der Fliege versprochen.

Die Frau hat gesagt: Das ist wieder mal typisch. Versprichst andern das Blaue vom Himmel. Ich drück dir die Augen nicht zu. Aber was ist, wenn du die Augen selber zumachst? Laß doch die Fliege frei. Vielleicht findet sie ’n andern, der länger lebt als du. Hier gibt’s viele, die was zu bieten haben. Offenere Wunden. Ausfluß. Dickere Scheiße. Aber so seid ihr. Egoistisch bis zum Gehtnichtmehr. Meine Freundin hat auch so ’n alten Kacker. Der kann schon lange nicht mehr. Aber sie muß ihm treu sein. Sonst sperrt der Alte die Knete. Er sagt’s aber anders: Das schuldest du mir. Ich hab immer für dich gesorgt. Die Leute spucken dich an, wenn du mich sitzen läßt. – Blahblah. Meine Freundin ist noch fit. Die will noch mal. Aber im Moment redet sie sich ein, daß sie nix braucht. Ihr Alter kann noch lange rumkrebsen. Danach ist es echt zu spät.

An irgend ’nem Tag sind plötzlich viele Frauen gekommen. Sie hatten alle schwarze Kleider an. Gesagt hat keine was. Bloß angesehen haben sie mich. Ich hab gesagt: Was geht denn jetzt ab.

Eine hat gesagt: Lebe wohl, alter Freund.

’ne andre hat gesagt: Möge es dir leicht werden.

’ne dritte hat gesagt: Ich vergesse dich nie.

Ich hab keine gekannt. Zwei haben geweint. Sie hatten Taschentücher vor der Nase.

Eine hat geflüstert: Auf dem sitzen schon die Fliegen.

Es war aber nur meine einzige Fliege da. Sie stand neben meinem linken Auge.

Ich hör sehr gut, was geflüstert wird. Ich hab gesagt: Blödsinn. Fliegen sitzen nicht. Fliegen stehen. – Ich hatte Angst, daß irgend ’ne Frau mit’m Taschentuch vor meinem Gesicht rumwedelt.

Die Frauen sind ziemlich lange dageblieben. Wie Krähen. Hocken und warten. Steif wie Bretter.

Auf einmal sind sie verschwunden. Brett für Brett.

Die Frau, die mir nicht die Augen zudrückt, hat gesagt: Der Mann unterm Bett hat sich beschwert. Er hat die Pisse, die Scheiße und die Blutsuppe satt. So kann ich nicht leben: hat er gesagt: Da muß was getan werden. – Was denn: hab ich gefragt. – Dafür bist du zuständig: hat er gesagt.

Ich hab zu der Frau gesagt: Was willst du tun.

Ich muß dir ’ne Windelhose anziehen. Wenn ich’s nicht mach, dann denkt der, ich steck mit dir unter einer Decke.

Ich hab gesagt: Ein Mann in einer Windelhose!

Sie hat gesagt: So fängt’s an, und so hört’s auf. Das ist der Kreislauf des Lebens.

Naja. Mir ist es recht. Es ist sogar angenehmer. Ich hab in der Windelhose viel mehr Lust zum Pissen und Scheißen. Ich lieg wärmer, und ich lieg weicher. Ich lebe auf. Vielleicht komm ich bald wieder hoch.

Ich hab mir zuerst Sorgen um meine Fliege gemacht. Ich kann sie doch nicht mehr aus meinem Nachttopf ernähren. Ich hab zu ihr gesagt: Komm unter meinen Rücken. Der Rücken suppt weiter. Du findest schon ein Fleischloch. Ich bin so federleicht. Ich werd dir nicht zur Last.

Die Fliege hat gesagt: Sei nicht ängstlich. Ich bin doch nicht wegen des Essens bei dir. Wir wollen von etwas anderem reden. Du mußt etwas für dich tun. Wenn wir zusammen leben, müssen wir auch zusammen etwas unternehmen. Laß uns einen Ausflug machen. Gehen wir die Wand hinauf. Oben an der Decke schauen wir hinunter auf die Welt. In der Deckenlampe ist es warm. Da machen wir ein Picknick.

Du hast gut reden: hab ich gesagt: Die Wand kann ich vielleicht schaffen. Aber an der Zimmerdecke hab ich keinen Halt.

Meine Fliege war traurig. Sie hat gesagt: Wie verschieden wir doch sind.

Ich war auch traurig. Ich hab gesagt: Ja wenn ich gesund wär. Aber wie wär’s, wenn du ’n paar Freunde einlädst. Wir könnten uns ’n netten Nachmittag machen. Du wärst in Gesellschaft und kämst auf andre Gedanken.

Na gut: hat die Fliege gesagt: Aber gerecht ist es nicht.

Sie ist abgeschwirrt und kam mit drei Freundinnen zurück. Jede hatte ’n Gastgeschenk dabei. Die eine hat ’n Zuckerkrümel gebracht. Die zweite ’n Tabakkrümel. Die dritte ’n Krümelchen blutige Scheiße. Sie haben sich alle unter meine Nase gestellt. Meine Fliege hat gesagt: Bedient euch! – Sie selber hat den Anfang gemacht und den Rotz geschleckt, der aus meiner Nase läuft. Die andern haben’s sich nicht zweimal sagen lassen und haben mitgeschleckert. Für mich war der Tabakkrümel. Ich hab mich gefühlt wie früher. Die eine Fliege hat den Zuckerkrümel zu dem Rotz getan. Die dritte den Scheißekrümel zu dem Zucker. Das hätten wir längst mal tun sollen!: hat die zweite gerufen: Das machen wir mal wieder.

Ich hatte meine Freude an den Gästen. Meine Fliege war stolz drauf, daß sie ihren Freudinnen was Gutes tun konnte mit mir.

Die eine Fliege hat gesagt: Jetzt kann ich es euch ja sagen.

Die zweite Fliege hat gesagt: Happy birthday to you.

Die dritte Fliege hat gesagt: Ich habe Sorgen.

Meine Fliege hat gesagt: Bleib doch bei uns. Hier hast du dein Auskommen, und ich freue mich über deine Gesellschaft.

Aber die dritte Fliege hat mit ’nem Seitenblick auf mich gesagt: Ich weiß nicht so recht. Ihr wollt doch sicher für euch bleiben.

Meine Fliege hat sofort gespürt, was los ist. Sie hat schnell gesagt: Na wie du willst. – So ist sie. Im entscheidenden Moment denkt sie nur an mich.

Das Schöne an den Partys von heute ist, daß ich hinterher nicht mehr abwaschen muß. Meine Fliege und ihre Freundinnen haben alles sauber abgeleckt.

In der Nacht war meine Fliege die ganze Zeit bei mir. Sie hat gesagt: Schön war’s heute. Ich wußte gar nicht, daß du so gesellig sein kannst. – Dann hat sie sich in mein rechtes Nasenloch gekuschelt und ist eingeschlafen.

Am Morgen hab ich mich gefühlt wie ’ne Eintagsfliege am Abend. Ich hab zu meiner Fliege gesagt: Guten Morgen, mein Liebes.

Sie hat gesagt: Guten Morgen. Wie geht’s dir.

Ich hab gesagt: Scheiße, ich bin krank.

Was hast du denn.

Ich hab Schnupfen. Sieh dich bloß vor. Wenn ich niesen muß, wirst du fortgeweht.

Sie ist aus’m Nasenloch gekrochen und hat sich auf meine Nasenspitze gestellt. Ich mußte aber nicht niesen.

Siehst du: hat sie gesagt: So krank bist du gar nicht.

Ich bin froh: hab ich gesagt: daß ich unbeweglich bin. Ich komm nicht mehr in Versuchung, nach andern zu schielen.

Würdest du das tun? Ich denke, du liebst nur mich.

Das ist es ja: hab ich gesagt: Obwohl ich nur dich liebe, würd ich nach andern schielen.

Du machst mich traurig: hat meine Fliege gesagt. Aber ich weiß schon – Männer sind geborene Verräter. Liebesverräter.

Nana: hab ich gesagt: Ich kenn Frauen, die …

Na gut: hat meine Fliege gesagt: Vielleicht gleicht sich’s aus aufs Ganze gesehen. Aber bestimmt würdest du ’n Doppelspiel treiben und rumlügen. In der Liebe sind Männer feige.

Nana: hab ich gesagt: Ich kenn Frauen …

Na schön: hat meine Fliege gesagt: Also was ist.

Ich würd dir die Wahrheit sagen.

Der andern auch?

Der andern auch.

Die Wahrheit ist nie verkehrt: hat meine Fliege gesagt.

Von allen Frauen, die ich geliebt hab, hab ich ein bis zwei Frauen am meisten geliebt. Aber die beiden besuchen mich nicht. Vielleicht glauben sie, daß ich ihnen Grund gegeben hab. Deshalb fürcht ich mich vor ihrem Besuch. Womöglich sagen sie im Chor: Du bist ein Verbrecher.

Wenn ich an einen Gott glauben könnt, der an mich glaubt, könnt ich reinen Gewissens sagen: Herr Gott, Sie sind mein Zeuge! Ein Verbrecher bin ich nicht! – Aber vielleicht besuchen mich die meistgeliebten Frauen nicht, weil sie mir nicht zeigen wollen, wie leid ich ihnen tu. Wir könnten alle in Tränen ausbrechen. Ein endloses Geweine. Wie auf’m Bahnsteig, bis mein Zug endlich abfährt.

Meine Fliege hat gesagt: Sobald du tot bist, hört deine Traurigkeit auf.

Ja: hab ich gesagt: Aber bis dahin …

Meine Fliege hat noch gesagt: Du sollst nicht immer: Meine Süße – zu mir sagen.

Sag ich das?

Ja. Aber ich bin nicht dein. Ich bin nur bei dir. Zuletzt glaubst du dir selber. Womöglich verschluckst du mich noch, wenn ich grade in deinem Mund spazieren geh.

Ehrlich gesagt – ich hab schon dran gedacht. Aber dann wärst du tot, und was hätt ich davon. Ich wüßte nicht, wann es Zeit wär, dich zu verschlucken.

Versprich mir, daß du das nie tust. Was soll ich davon halten, daß du mir deine Augen versprochen hast. War das alles Lüge?

Ich versprech dir, daß ich dich nicht verschluck.

Wir wollen von was anderm reden.

Ja. Ich weiß so wenig von dir. Wo bist du geboren.

In einem Kuhfladen. Meine Eltern hab ich nie kennengelernt. Meine Geschwister hab ich aus den Augen verloren. Ich hab mich ganz alleine durchgeschlagen.

Mit wem warst du vor mir zusammen?

Diese Frage liebe ich nicht. Ich hab dich auch nicht gefragt, mit wem du vor mir zusammen warst.

Entschuldige.

Ich hab geschwiegen. Meine Fliege – ich mein, die Fliege hat auf meiner Nase gestanden und mich freundlich und selbstbewußt angesehen. Ich hab mich in ihre großen schwarzen Augen vertieft. Ich hab gesagt: Heut ist mein farbenfroher Tag. Du bist ein lebendes Kunstwerk.

Du übertreibst: hat meine Fliege gesagt. Du könntest ein bißchen Farbe gebrauchen. Du siehst so angekalkt aus.

Ich sehn mich nach der Zeit zurück, wo ich auf Krücken gegangen bin. Da war ich jeden Tag spazieren. Da bin ich jeden Tag in die Kneipe. Ich konnt auf Krücken an der Theke stehen und mich auf den gepolsterten Achselstützen hängenlassen. Ich konnt meinen Schnaps runterkippen und meine Zigarette reinziehen. Niemand hat mich angepöbelt. Die hatten sogar Respekt vor mir: Der hängt auf Krücken und säuft! – Ich hatte auf den Krücken mehr Halt als die. Ich konnt zum Pissoir gehen. Ich konnt die Hose aufmachen und pissen. Bloß scheißen konnt ich nicht alleine. Runterlassen konnt ich die Hose nicht. Sicherheitshalber hab ich mich zu Hause ausgeschissen.

Meine Hose mußte mir die Frau runterlassen, die’s damals bei mir ausgehalten hat. Hinhocken konnt ich mich alleine. Den Arsch abwischen konnt ich mir auch. Wieder hoch kam ich, weil ich starke Arme hatte und mich an zwei Wandgriffen auf die Beine gehievt hab. Meine Hose mußte mir die Frau übern Hintern ziehen. Es war mir nicht angenehm, daß sie dabei meinen Scheißgestank riechen mußte. Zuerst hat sie gesagt: Das macht mir nichts. – Später hat sie gesagt: Warum stinkt deine Scheiße so. – Zuletzt hat sie gesagt: Ich kann deine Scheiße nicht mehr riechen. – Das war der Anfang vom Ende dieser Liebe. Ich mußte selber sehen, wie ich die Hose wieder hochkrieg. Zuerst bin ich mit runtergelassener Hose vom Scheißhaus in die Wohnung getrippelt und hab zu der Frau gesagt: Zieh mir die Hose hoch. – Das hat sie gemacht. Zuletzt hat sie’s auch in der Wohnung nicht mehr gemacht. Hab ich gewartet, bis der Briefträger kam oder ’n Kumpel aus der Kneipe. Für ’n Schnaps hat mir der Kumpel oder der Briefträger die Hose hochgezogen.

Abends hab ich mich gar nicht mehr ausgezogen, weil mich niemand ausgezogen hat. Damals hab ich oft gedacht: Das Leben ist nicht einfach.

Die Frau hat’s ziemlich lange mit mir ausgehalten, weil ich noch ficken konnt. Ich hatte starke Arme und konnt mich abstützen. Meine Beine lagen tot zwischen ihren Schenkeln. Ich hab damals schon ziemlich lange gebraucht, eh ich abspritzen konnt. Aber umso besser. Für ihr Loch war das ’n Vorteil. Eh ich endlich soweit war, hatt ich sie schon zweimal weggemacht. Sowas bindet. Jedenfalls ’ne Zeitlang. Ich weiß nicht, wieso’s irgendwann aus war mit ihr und mir. Ich glaub, es war aus, weil sie zu mir gesagt hatte: Dein Schwanz stinkt wie ’n fauler Fisch. – Kein Wunder. Ich konnt mich nicht mehr waschen. Und sie hat ihn auch nicht gewaschen.

Dann kam noch die Sache mit den Krücken. Ich war in der Kneipe umgefallen. Haben sie mich nach Hause geschafft und ins Bett. Am nächsten Tag hab ich die Krücken nicht gefunden. Ich sag: Wo sind meine Krücken. Ruf mal in der Kneipe an. – Aber sie: Die sind nicht in der Kneipe. Die hab ich heute verkauft. – Stimmt, ich hatte Schulden bei ihr. Am selben Tag ist die Frau abgehauen. Ich hab gedacht: Das Leben ist nicht nur einfach. – Ich hab die Frau nie wiedergesehen. Zwei Tage lag ich im Bett. Dann hab ich mich rausfallen lassen und bin zur Tür gekrochen. Als der Briefträger vorbeikam, hab ich gebrüllt. Der hat die Polizei geholt. Die haben die Tür aufgebrochen und mich ins Krankenhaus geschafft. Einer hat gesagt: Der macht nicht mehr lange. – Aber denkste. Ich bin noch hier.

Ich hab’s mir überlegt. Ich mach kein Kind mehr. Die Frau, die mir Bescheid geben wollte, ist nicht die richtige. Und außerdem – wie soll ich das vor meiner Fliege rechtfertigen. Treue gegen Treue: sag ich.

Mit der Frau, die meine Krücken verkauft hat, gab’s dauernd Meinungsverschiedenheiten. Wenn sie mir Geld gegeben hatte, hieß es, ich hätt Schulden bei ihr. Aber sie hatte nie Schulden bei mir, wenn ich ihr Geld gegeben hatte.

Meine Fliege war schon den zweiten Tag fort. Langsam hab ich mir Sorgen gemacht. Rufen wollt ich sie nicht. Das hätte der Mann unter meinem Bett gehört. Womöglich wär er auf falsche Gedanken gekommen: Aha, das Aas kratzt ab. – Als hätte die Fliege geahnt, daß ich unruhig war, kommt sie plötzlich angebrummt.

Hallo, hier bin ich wieder.

Wie ist es dir ergangen.

Och, gut eigentlich. Aber ich hab Sachen durchgemacht, das glaubst du nicht.

Was denn.