Asbestalarm verzögert Juchareal-Abbruch

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Obwohl die Juchbaracken im Asbestkataster verzeichnet sind, war das Giftproblem bisher kein öffentliches Thema. Nun wird der Abbruch teurer und dauert länger.

Asbestfund auf dem Juchareal. Gebäudeteile sind abgesperrt, kontaminiertes Material liegt in Säcken herum, wie diese Zeitung erfahren hat. AOZ, die dem Sozialdepartement angegliederte Asylorganisation Zürich, bestätigt, dass Asbest in «Fliesenklebern, Wand- und Deckenverputzen, Kitt bei alten Fenstern, Welleternit der Dachflächen und Elektrotableaus» nachgewiesen wurde. Proben wurden laut AOZ schon im Jahr 2018 genommen und analysiert, Kontroll- und Ergänzungsproben kamen am 27. Mai 2020 dazu. Die Resultate will AOZ aber nicht herausgeben. «Die Resultate sind deponiert bei der beigezogenen privaten Fachstelle für Schadstoffuntersuchungen (Fachbegleitung Rückbau) und beim Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich (UGZ), Gebäudeschadstoffe (inkl. Analysen)». Dass die Resultate ernster Natur sind, beweisen die getroffenen Massnahmen: «Die Bauteile mit Schadstoffen sind während der Schadstoffsanierung zusätzlich abgesperrt (Unterdruckverfahren)», erklärt Mediensprecher Thomas Schmutz schriftlich auf Anfrage. Die Kontroll- und Ergänzungsproben für die Massnahmen erfolgten erst fünf Tage nach der Räumung durch die Stadtpolizei. Grund der Aktion: Die Baufirma HRS benötigt das Gelände als Bauinstallationsplatz für das benachbarte Stadion der ZSC
Lions. Dass die seit 1962 als Wohnstätten genutzten Baracken mit Asbest verseucht sind, war bisher nie ein Thema. Weder für die Bauarbeiter, die bis in die 1990er-Jahre hier wohnten, noch für die bis im Herbst 2019 am selben Ort untergebrachten bis 300 Flüchtlinge, geschweige denn die Hausbesetzer. Der Umwelt- und Gesundheitsschutz Zürich (UGZ) bestätigt auf Anfrage aber, dass «die Gebäude auf dem Areal im Asbestkataster» verzeichnet sind.

Keine Asbestwarnungen
Speziell ist in diesem Zusammenhang die Kommunikation von AOZ. Im Oktober 2019 thematisierte AOZ die «Sicherheitsrisiken auf dem Gelände». Gegenüber Radio Top hiess es, man habe festgestellt, dass sich ein Gebäudetrakt sehr rasch absenke. Asbest? Kein Thema. Dabei ist Asbest ein höchst krebserregender Baustoff. In vielen Bauten seit den 1950er-Jahren und bis zum 1. März 1990 wurden die gefährlichen Faserteilchen verwendet, als Dämm- und Klebematerial in Dächern, Böden und für Plattenbeläge. In einem Artikel in der «Sonntags-Zeitung» vom 7. Juni 2020 «werden noch Tausende wegen Asbest sterben». Eine Opfergruppe seien Hobbyhandwerker, die «bei Umbauten mehrmals ungeschützt asbesthaltige Materialien bearbeitet hatten». Perfiderweise erfolgen Erkrankungen wegen Asbest aber oft erst nach Jahrzehnten.
Bemerkenswert ist, dass die Stadt Zürich beim Abbruch der Familiengärten-Hüsli am heutigen Standort des Pfingstweidparks weit dramatischer reagierte: Riesige Transparente warnten vor dem Betreten des Areals. Die Entsorgung von asbesthaltigen Eternitteilen kostete 420 000 Franken. Der aktuelle Asbestfall kommt die Stadt scheinbar sehr günstig zu stehen. «Die Kosten aufgrund der speziellen Behandlung von asbesthaltigen Bauteilen belaufen sich voraussichtlich auf etwa 50 000 Franken (Planung, Rückbau und Entsorgung)», so Thomas Schmutz von der AOZ.

Übergabe 14 Tage später
Welche Konsequenzen wurden wegen des Asbests beim Juchhof gezogen? «Während der Nutzungsphase waren keine speziellen Massnahmen erforderlich, da es sich um gebundene Asbestvorkommen handelt», erklärt Schmutz. Heute sei das gesamte Areal für den Baustellenbetrieb wie üblich abgesperrt, Warntafeln (Zutritt verboten) seien montiert. Der Abbruch und die Übergabe an HRS verzögern sich nun laut AOZ um zwei Wochen. «Im Zeitplan wurden vorgängig 14 Tage Asbestsanierung vor Ort eingerechnet», rechnet Schmutz. (ls.)