Kim Jong Il und sein Sohn und designierter Nachfolger nahmen gigantische Parade ab Nordkorea.
Erstaunliche Live-Bilder aus Pjöngjang gingen gestern um die Welt: Nordkorea hielt anlässlich des 65. Gründungstages der Kommunistischen Partei eine gigantische Militärparade mit 20000 Mann, Panzern, Geschützen und Raketen ab. Das Regime hatte dazu mehrere Dutzend ausländische Journalisten eingeladen – in der klaren Absicht, der Aussenwelt Einheit, Stabilität und Stärke zu demonstrieren. Führer Kim Jong Il nahm die Parade mit Sohn Kim Jong Un an seiner Seite ab. Der designierte Nachfolger des nordkoreanischen Machthabers wirkte in seinem dunklen Anzug so staatsmännisch und streng, als wäre er bereits im Amt.
Selbst abgebrühte Korrespondenten waren beeindruckt. Es gebe wenige Armeen auf der Welt, die den Boden so zum Erzittern bringen könnten wie die Nordkoreaner mit ihrem Stechschritt, meinte ein BBC-Journalist. Auf der Tribüne sassen auch hohe Gäste aus China sowie ausländische Diplomaten. Das Signal des Regimes war unmissverständlich: Hier wurde der Sohn Kim Jong Ils vor den Augen der Welt zum Nachfolger geweiht. Der Parteifunktionär Yang Hyong Sop hatte das zuvor bestätigte: «Unser Volk hatte bereits die Ehre, dem grossen Präsidenten Kim Il Sung und dem grossen Führer Kim Jong Il zu dienen. Jetzt haben wir die Ehre, auch dem jungen General Kim Jong Un zu dienen.»
Die neue Offenheit hat Gründe
Nach der Militärparade folgte eine mehrstündige «Soirée» mit Tänzen und Shows von 100000 Menschen – ebenfalls live im Fernsehen übertragen. So offen hat sich Nordkorea noch selten gezeigt. Nicht einmal die üblichen Aufpasser verfolgten die ausländischen Reporter auf dem Rückweg ins Hotel. Die Reporterin von al-Dschasira, Melissa Chan, berichtete sogar auf Twitter über ihre Eindrücke in Pjöngjang.
Die überraschende Offenheit des Regimes hat gute Gründe: Nordkorea demonstrierte an diesem strahlend blauen Herbstsonntag Selbstbewusstsein. Pjöngjang habe der Aussenwelt zeigen wollen, «dass Nordkorea noch immer eine starke Kraft ist, mit der zu rechnen ist», sagte Paul Haenle, der ehemalige Gesandte von US-Präsident George W. Bush bei den Nukleargesprächen mit Nordkorea.
4-Sterne-General ohne Uniform
Innerhalb von zwei Wochen ist der bisher völlig unbekannte Kim Jong Un gleich mehrmals öffentlich aufgetreten. Bei der Parade stand er zwischen reich dekorierten Generälen. Kim Jong Un selber trug keine Uniform, obwohl er eben erst zum 4-Sterne-General befördert worden war, sondern einen ähnlichen dunklen Anzug wie einst sein Grossvater, der «Grosse Führer» Kim Il Sung. Laut Beobachtern soll damit vermieden werden, dass sich die altgedienten Generäle brüskiert fühlen, drängt doch da einer auf der Überholspur an die Spitze, ohne sich die militärischen Sporen abverdient zu haben.