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Donald Trump hat in der Nacht auf Mittwoch die Rede vor dem Repräsentantenhaus gehalten. Dabei hat er gezeigt, wie egozentrisch er ist, schreibt unser Korrespondent Renzo Ruf.
Donald Trump ist ein emotional bedürftiger Mann – ein Mann, der allen Ernstes glaubt, er leiste als Präsident brillante Arbeit, und der nicht nachvollziehen kann, warum der politische Gegner diese Sicht der Dinge nicht teilt.
Dies hat der Republikaner, der seit mittlerweile zwei Jahren im Weissen Haus wohnt und arbeitet, mit seiner Rede zur Lage der Nation, die er in der Nacht auf Mittwoch im Versammlungssaal des amerikanischen Repräsentantenhauses hielt, einmal mehr unter Beweis gestellt.
Angekündigt war eine Regierungserklärung, die weniger lang dauern werde als 2018, und in der Trump betone, wie stark er sich dafür einsetzen werde, dass die bitter verfeindeten politischen Lager sich versöhnen würden. Die Rede, die der Präsident schliesslich hielt, dauerte 82 Minuten.
Und der Gesichtsausdruck von Nancy Pelosi, der demokratischen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, die schräg hinter dem Präsidenten sass, verdeutlichte, dass Trump auch seine zweite Ankündigung nicht einhalten wollte.
Statt darüber zu sprechen, wie er Brücken bauen könnte, warf Trump dem politischen Gegner vor, Säuglinge zu töten, die Landesgrenzen abzuschaffen, den Drogenkonsum zu fördern und das kapitalistische Paradies Amerika in eine sozialistische Hölle verwandeln zu wollen.
Auch sagte er: «Ein ökonomisches Wunder spielt sich in den Vereinigten Staaten ab – und es kann nur durch törichte Kriege, politische Kleinkriege oder lächerliche parteiische Ermittlungen gestoppt werden», eine Anspielung auf die strafrechtlichen Untersuchungen gegen den Präsidenten und seine Berater
Dann sagte er, im Original: «If there is going to be peace and legislation, there cannot be war and investigation. It just doesn’t work that way!» Auf deutsch übersetzt heisst das in etwa: Frieden und legislative Fortschritte gibt es nur dann, wenn wir Kriege und Untersuchungen stoppen. «So geht es einfach nicht!»
Diese Aussage macht nicht nur grammatisch wenig Sinn. Sie verdeutlicht auch, warum Trump es nicht schafft, nach dem Shutdown, ausgelöst durch den Streit um den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, die politische Initiative wiederzugewinnen.
Dabei könnte er doch über seine wirtschaftspolitischen Erfolge sprechen, über die tiefe Arbeitslosenrate, die guten Konjunkturdaten oder darüber, dass dank seinem Aktionismus endlich ein Dialog über die unfairen Wettbewerbspraktiken chinesischer Firmen stattfindet – auch wenn diese positiven Nachrichten von der Wirtschaftsfront nicht sämtliche Probleme lösen, unter denen Amerika krankt.
Oder er hätte eine Rede über Gesetzesinitiativen halten können, die von Demokraten und Republikanern unterstützt werden. Solche Vorstösse gibt es in der Tat, zum Beispiel in der Drogenpolitik oder im Landwirtschaftsbereich.
Stattdessen sprach Trump vor allem über sich selbst, als drehe sich die Rede nicht über die Lage der Nation («State of the Union»), sondern die Lage des Präsidenten. Bestes Beispiel dafür: Gegen Ende der Rede sprach Trump über das Massaker in einer Synagoge in Pittsburgh (Pennsylvania) im vergangenen November. Einer der Überlebenden dieser Bluttat, der 81 Jahre alte Judah Samet, war im Publikum anwesend.
Als Präsident Trump erwähnte, dass der Holocaust-Überlebende am Dienstag Geburtstag feiere, stimmten die anwesenden Politiker spontan in ein Ständchen («Happy Birthday») ein. Zuerst spielte Trump – für einmal breit lachend – den Dirigenten. Dann sagte er: «Für mich hätten sie das nie getan.»