LANDVERKAUF: Streit um Steuerprivileg für Bauern

Der Luzerner CVP-Nationalrat Leo Müller verteidigt ein Steuerprivileg der Bauern bei Landverkäufen mit Erfolg. Die Finanzpolitiker der Kantone warnen vor einem Verfassungsbruch.

Fabian Fellmann
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Im Rahmen der Steuerreform sollen Landwirte bei Grundstücksverkäufen bessergestellt werden (Symbolbild). (Bild: Keystone/Martin Ruetschi)

Im Rahmen der Steuerreform sollen Landwirte bei Grundstücksverkäufen bessergestellt werden (Symbolbild). (Bild: Keystone/Martin Ruetschi)

Fabian Fellmann

«Es geht einfach nicht», sagt die Basler Finanzdirektorin Eva Herzog, Vizepräsidentin der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren. Was für die Sozialdemokratin nicht geht: Landwirte sollen beim Verkauf von Bauland weniger Steuern zahlen als Nichtbauern. Das sei «unverständlich», sagt auch Charles Juillard, der Präsident der Finanzdirektoren.

200 Millionen Franken pro Jahr

Das Privileg für die Bauern, im Wert von 200 Millionen Franken jährlich, ist aber auf guten Wegen, ins Gesetz geschrieben zu werden: In der Wirtschaftskommission des Nationalrats sprach sich in der vergangenen Woche eine agrarfreundliche Mehrheit für das Ansinnen aus. Die beiden höchsten Finanzpolitiker der Kantone wünschen sich nun, dass der gesamte Nationalrat ein anderes Urteil fällt, wenn er das Geschäft am kommenden Mittwoch während seiner Sondersession berät. Herzog warnt: «Die Vorlage ist klar verfassungswidrig.» Sie verletze das Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und das Gleichbehandlungsgebot.

Was die Spitze der kantonalen Finanzpolitiker ärgert, freut den Luzerner CVP-Nationalrat Leo Müller. Er hat die Änderung des Bundesgesetzes über die Besteuerung der land- und forstwirtschaftlichen Grundstücke angestossen, worin die Kommission das Zückerchen an die Bauern festschreiben will. «Ich verstehe nicht, warum die Finanzdirektoren sich so anstellen», sagt Müller. «Wir stellen nur den alten Zustand wieder her.»

Weit reichendes Urteil

Von 1993 bis 2011 zahlten Bauern beim Verkauf von bewirtschaftetem Bauland in den meisten Kantonen nur die Grundstückgewinnsteuer auf einen Teil des Erlöses, weil das Land dem bäuerlichen Bodenrecht unterstellt war. Dann entschied das Bundesgericht, Bauland im Besitz von Bauern sei steuerlich gleich wie Bauland von Nichtbauern zu bewerten – und hielt die Kantone damit an, auf den Gewinn Einkommenssteuern und Sozialabgaben zu erheben. «Im Vergleich zu früher müssten die Bauern damit massive zusätzliche Steuern und Abgaben leisten», sagt Müller. In Einzelfällen belaufen sich die Beträge laut Müller auf mehrere hunderttausend Franken. Zudem werden die Steuern nicht nur bei einem Verkauf fällig. Wenn ein Landwirt seinen Betrieb aufgibt, wandern die Grundstücke vom Geschäfts- ins Privatvermögen, wobei der Fiskus ebenfalls zulangt. Ähnliche Probleme können auch entstehen, wenn ein Bauer Land an seine Kinder weitergibt. Das Urteil des Bundesgerichts habe so weit reichende Folgen, dass es faktisch das Gesetz geändert habe, sagt Müller, der als Gemeindepräsident und Anwalt im ländlichen Ruswil viel mit Bauern in Kontakt steht. «Das Vertrauen der Betroffenen in den Staat wurde durch das Bundesgerichtsurteil zutiefst erschüttert.» 2012 hat Müller darum in einem Vorstoss die Rückkehr zur alten Steuerpraxis verlangt, was der Bundesrat wegen verfassungsrechtlicher Bedenken ablehnte.

Hunderte Fälle liegen auf Eis

Das Parlament hingegen folgte Müller und zwang die Regierung, eine Gesetzesänderung auszuarbeiten. Seither liegen bei den kantonalen Steuerverwaltungen Hunderte Fälle auf Eis, bis in Bern entschieden ist. Die Gesetzesänderung soll rückwirkend auch für all diese Dossiers gelten, befand nun die Wirtschaftskommission des Nationalrats. Die Einwände von Bundesrat und Kantonen, die Vorlage sei verfassungswidrig und privilegiere die Bauern im Vergleich zu anderen Selbstständigerwerbenden, lässt Müller nicht gelten: «Schliesslich hat man diese Praxis vor Jahren bewusst so eingeführt, diese galt jahrzehntelang.» Selbstständigerwerbende hätten andere Möglichkeiten der Steueroptimierung, die den Bauern fehlten, und wegen des neuen Raumplanungsgesetzes würden beim Verkauf ohnehin bald 20 Prozent des Mehrwerts eines Grundstücks abgeschöpft.

Viel Verständnis für Bauern

«Wenn man dann immer noch das Gefühl hat, die Bauern leisteten beim Landverkauf zu wenig Abgaben, hat jeder Kanton die Möglichkeit, die Grundstückgewinnsteuern anzuheben», sagt Müller. Er ist zuversichtlich, dass er am kommenden Mittwoch auch im gesamten Nationalrat eine Mehrheit findet. Das Parlament tagt zwar in neuer Zusammensetzung, doch hat es schon bei anderen Vorlagen, etwa zur Ernährungssouveränität, viel Verständnis für die Anliegen der Bauern bewiesen.