Wie ein Stück Geschichte zusammenfällt

Spannende Abbrucharbeit im Langen Steinweg wird zum Publikumsmagnet

Von Marianne Schwarzer

Große Herausforderung: Behutsam setzte Ralf Meier gestern morgen die Schaufel seines Spezialbaggers an, um das Haus am Langen Steinweg 3 abzubrechen. Im Korb des Krans im Hintergrund beobachtet sein Kollege die Arbeiten von oben und gibt Hinweise per Funk. Foto: Gerstendorf-Welle
Große Herausforderung: Behutsam setzte Ralf Meier gestern morgen die Schaufel seines Spezialbaggers an, um das Haus am Langen Steinweg 3 abzubrechen. Im Korb des Krans im Hintergrund beobachtet sein Kollege die Arbeiten von oben und gibt Hinweise per Funk. Foto: Gerstendorf-Welle

Ein 56 Tonnen-Bagger, viel Fingerspitzengefühl und höchste Konzentration: Der Abriss am Langen Steinweg 3 ist eine echte Herausforderung für die Mitarbeiter der Abbruchfirma Otto aus Hameln.

Blomberg. Margarete Tippenhauer mag gar nicht recht hinsehen: "Da geht ein Stück meiner Kindheit dahin", sagt die alte Dame traurig, während sie mit ihrem Rollator am Bauzaun entlang schiebt. "Hier hat meine beste Freundin Brunhilde gewohnt. Ich bin dort ein und ausgegangen", erinnert sie sich wehmütig. "Brunhilde ist leider sehr früh gestorben, schon mit elf. Sie hatte einen Blinddarmdurchbruch."

Während die 84-Jährige Blombergerin mit den Gedanken in der Vergangenheit weilt, ist Ralf Meier ganz im Hier und Jetzt. Er sitzt in der Schaltzentrale des Spezialbaggers und steht vor der heiklen Aufgabe, das Haus abzureißen, ohne die Nachbarschaft in Mitleidenschaft zu ziehen. Der vordere Dachstuhl ist bereits Geschichte, nun gilt es, sich vorzuarbeiten. Doch in der engen Baggerkabine sieht Meier nicht viel. Darum steht 20 Meter weiter sein Kollege Alexander Gruber mit dem Funkgerät und dirigiert ihn: "Jetzt ein bisschen höher, Ein Stück nach vorn, und jetzt ziehen, ja so ist es richtig." Die Schaufel folgt den Anweisungen, und so schafft Ralf Meier es, einen dicken Brocken aus der linken Hauswand geordnet nach innen stürzen zu lassen. Denn wenn große Bauteile auf das Flachdach nebenan stürzen, könnte es sein, dass auch die Abfederung durch alte Matratzen nicht mehr hilft.

Die Fachfirma möchte Schäden vermeiden, darum ist heute morgen auch der Bagger sehr viel später zum Einsatz gekommen als geplant: "Wir wollten verhindern, dass der hintere Dachgiebel als Ganzes nach außen fällt", erklärt der Bauleiter. Darum sind zwei seiner Kollegen per Hebekran aufgestiegen und haben den Giebel per Vorschlaghammer von der wackligen Krankanzel aus abgebaut.

Doch nun ist das Spezialgerät dran. Zwei Feuerwehrschläuche begleiten den Abbruch, damit die Luft immer wieder von dem dichten Staub freigewaschen wird. "Ich seh' nichts", ruft Ralf Meier, und schon spült einer der Männer die Sichtscheibe des Baggers wieder frei.

Jetzt wird es heikel: Der halbrunde Erker lässt sich gar nicht so einfach abbauen. Seitlich führt Ralf Meier die Schaufel heran und schlägt sacht gegen die Außenwand des dreifenstrigen Vorbaus. Der erzittert leicht, hält aber - nur die Fensterscheiben gehen zu Bruch. Dahinter wird der Blick auf ein himmelblau gestrichenes Zimmer frei.

"Wie schade", sagt der zwölfjährige Stephan, der sich unter die wachsende Zahl Schaulustigen gemischt hat, "das war doch so ein schönes Haus." Er hat das Recyclingprinzip schon verinnerlicht: "Man hätte ja wenigstens die Fensterscheiben wiederverwenden können", meint er.

Doch mit solchen Kleinigkeiten kann sich das Otto-Team nicht aufhalten. In der Erkerdecke sitzt ein halbmondförmiger Stahlträger. Die Männer wissen nicht genau, wie der mit der seitlichen Hauswand verbunden ist: Wenn Meier ihn einfach mit der Schaufel herauszöge, könnte sie doch noch nach außen wegbrechen.

Er steigt aus: "Wir müssen erst einmal den Kran wegfahren, sonst fällt da noch was drauf", sagt er. Dann setzt er wieder behutsam die Schaufel an. Stück für Stück fällt das Haus in sich zusammen - und ist bald nur noch Geschichte.

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