Markus Breitscheidel liest im Ziegeleimuseum aus seinem Bestseller

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Autor Markus Breitscheidel im Ziegeleimuseum. - © Foto: Schwabe
Autor Markus Breitscheidel im Ziegeleimuseum. (© Foto: Schwabe)

Lage-Hagen. Die Frau ist 62 Jahre alt. Sie sitzt mit den anderen Leiharbeitern in der Versammlung, in der ein Obstbauer Erntehelfer für seine Erdbeerplantagen sucht. Das ist schwere körperliche Arbeit. Das geht auf die Knie. Morgens um vier müssen die Helfer antreten. Um halb fünf geht’s los. Nicht selten muss bis abends um sieben geschuftet werden.

Markus Breitscheidel beginnt so eine seiner Geschichten. Er macht den zweiten Wallraff. Schaut hinter die Kulissen unserer angeblich so sozialen Marktwirtschaft. Am Sonntag zitierte er im Ziegeleimuseum aus seinem Bestseller "Arm durch Arbeit." Die Geschichte der Frau geht noch weiter. Viele der Leiharbeiter, auch die alte Frau, trauten sich die Arbeit nicht zu. Da verlas die Vertreterin der Leiharbeitsfirma einen Gesetzestext: "Wenn ein Hartz-lV-Empfänger eine angebotene Arbeit ablehnt, werden ihm automatisch 30 Prozent seiner Bezüge gekürzt." Alle Anwesenden, auch die alte Frau, nahmen die Arbeit an.
Auch Markus Breitscheidel. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler und ehemalige Marketingleiter einer großen Werkzeugfirma hatte nach wenigen Tagen heftige Schmerzen. Er wunderte sich darüber, wie die Frau diese schwere Arbeit durchhielt.

Von dem Geld, das die Erntehelfer verdienen, können sie nicht leben. Sie müssen aufstocken. Das heißt, wie Breitscheidel den Anwesenden klar machte: "Wir alle bezahlen diese Aufstockungen durch unsere Steuern mit." Breitscheidel darf Leiharbeitsfirmen "moderne Kopfgeldjäger" nennen. Alle Versuche, gegen diese Bezeichnung gerichtlich vorzugehen, sind gescheitert. Breitscheidel hatte für alle Existenzgründer einen lukrativen Tipp: "Gründen Sie eine private Arbeitsvermittlung und eine Leiharbeitsfirma. Dann vermitteln sie Arbeitslose an Ihre Leiharbeitsfirma und kassieren die Provision von der Arbeitsagentur. Für die Arbeitslosen ändert das nichts. Die sitzen zu Hause und warten auf Ihren Telefonanruf."

Auch das hat Breitscheidel bei seiner Tour durch den Niedriglohnsektor erlebt. Entweder bekommt er einen Anruf oder nicht. Dann hat er Arbeit oder nicht. 7,5 Millionen Menschen arbeiten in diesem Bereich. Für sie zahlt der Steuerzahler über die Aufstockung mit. Sie alle haben keine Alterssicherung mehr, weil sie ihre Lebensversicherungen und anderes Eigentum veräußern mussten, um Hartz-lV erhalten zu können. Auch für die Renten dieser Menschen müssen die Steuerzahler aufkommen. (ans)

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