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Finanzkrise Schwarzer Tag für Europas Banken

Bislang musste vor allem die US-Regierung Banken zu Hilfe eilen. In diesen Tagen nun sind auch europäische Regierungen als Feuerwehr im Finanzsektor unterwegs. Denn die schwerste Finanzkrise seit der Nachkriegszeit trifft jetzt auch europäische Banken mit voller Wucht - und die Anleger ergreifen die Flucht.

Brüssel/Frankfurt - In einer dramatischen Rettungsaktion bewahrten die Bundesregierung und Privatbanken den Münchener Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate mit Krediten von 35 Milliarden Euro vor dem Aus. Die Regierungen der Benelux-Staaten mussten dem Finanzkonzern Fortis mit Milliardenhilfen unter die Arme greifen und ihn zu einem großen Teil verstaatlichen. In Großbritannien nahm der Staat die kollabierte Hypothekenbank Bradford & Bingley unter seine Obhut und verstaatlichte damit zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres eine Bank.

Bange Blicke: Anleger gingen angesichts neuer Hiobsbotschaften aus dem Finanzsektor am Montag in Deckung. Händler sprachen von Panikstimmung.

Bange Blicke: Anleger gingen angesichts neuer Hiobsbotschaften aus dem Finanzsektor am Montag in Deckung. Händler sprachen von Panikstimmung.

Foto: DPA

Positive Nachrichten kamen dagegen aus den USA: Der Kongress einigte sich nach tagelangem Ringen auf das geplante 700 Milliarden Dollar schwere Rettungspaket für das US-Finanzsystem. Noch in dieser Woche soll das Vorhaben abgesegnet werden. Dennoch flüchteten Investoren rund um den Globus massenweise aus Aktien. In Deutschland verlor der Dax zeitweise rund 250 Punkte oder 4 Prozent. An der Wall Street ging der Dow Jones in der spitze mit 3 Prozent und der Technolgieindex mit 4 Prozent in die Knie.

"Man sieht jetzt, dass nicht nur die amerikanischen Banken, sondern auch die Europäer betroffen sind, und dass die Krise eben doch global ist", sagte Aktienstratege Christian Klude von MM Warburg.

Das Problem der Banken ist der Zusammenbruch der Geldmärkte: Seit dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers Mitte September hat sich die Lage dramatisch verschärft. Banken vertrauen sich untereinander nicht mehr und leihen sich kurzfristig kein Geld mehr. Besonders betroffen sind Institute, die sich zu einem großen Teil über den Kapitalmarkt refinanzieren und kein Einlagengeschäft wie Geschäftsbanken haben. In den USA musste nach dem Zusammenbruch von Lehman der Versicherungsriese AIG Unterschlupf beim Staat suchen, die Investmentbank Merrill Lynch wurde an die Bank of America verkauft. Am Montag übernahm die Citigroup, die von der Finanzkrise mit am schwersten betroffen ist, das operative Geschäft des US-Konkurrenten Wachovia.

Fortis, Hypo Real Estate, B&B und jetzt Dexia?

Benelux retten Fortis, Dexia könnte die nächste sein

Die Regierungen in Belgien, Luxemburg und den Niederlanden greifen dem Konzern mit insgesamt 11,2 Milliarden Euro unter die Arme und übernehmen dafür Teile des Bankgeschäfts in den drei Ländern. Damit ist Fortis zu fast 40 Prozent in staatlicher Hand. "Wir hätten uns raushalten können - aber dann wäre es die Frage gewesen, ob Fortis den Montag überlebt hätte", sagte der niederländische Finanzminister Wouter Bos. Mit 85.000 Mitarbeitern weltweit ist Fortis der größte private Arbeitgeber in Belgien. Fast jeder zweite Haushalt hat dort sein Geld. Um wieder auf die Beine zu kommen, will Fortis den Anteil an der Bank ABN Amro verkaufen, den sie 2007 für 24 Milliarden Euro erworben hatte.

Die belgische Regierung hält im Notfall auch für den Immobilienfinanzierer Dexia bereit. Ministerpräsident Yves Leterme sagte am Montag, der Staat werde auch Dexia unterstützen, wenn es nötig sei. Finanzminister Didier Reynders versicherte im Radio: "Was wir für Fortis getan haben, würden wir für alle anderen belgischen Banken auch tun." Dexia-Aktien stürzten am Montag wegen Spekulationen über eine Kapitalerhöhung ab. Der Vorstand kündigte für den späteren Abend eine Telefonkonferenz an.

Depfa zieht Hypo Real Estate in den Abgrund

Die Hypo Real Estate war wegen ihrer Tochter Depfa in einen ernsten Liquiditätsengpass geraten. Der in Irland ansässige Staatsfinanzierer kam nicht mehr an ausreichend Geld, um sein Geschäft aufrechtzuerhalten. Durch die von Banken bereitgestellten Kedite von 35 Milliarden Euro ist die Refinanzierung Kreisen zufolge bis Ende 2009 gesichert. Allerdings könnten auf den Steuerzahler neue Lasten zukommen: Der Staat bürgt für Risiken im Volumen von 26 Milliarden Euro.

Regierungssprecher Ulrich Wilhelm erklärte, mit der Stützung der Hypo Real Estate sei ein Ausweiten der Finanzkrise auf Deutschland verhindert worden. Im Finanzministerium hieß es, außer der Hypo Real Estate sei keine andere Kreditbank betroffen. Eine Verstaatlichung des Münchener Immobilienfinanzierers stehe nicht zur Debatte.

Britische Regierung kauft Teile von Hypothekenbank

Anders dagegen in Großbritannien: Die dortige Regierung übernahm Teile der unter der Last der Finanzkrise kollabierten Hypothekenbank Bradford & Bingley (B&B). Filialen und Spareinlagen gehen für umgerechnet 500 Millionen Euro an die spanische Großbank Santander. "Wir können nicht zulassen, dass sich die Probleme einer Bank ausbreiten und andere Institute infizieren", sagte Finanzminister Alistair Darling. Die Behörden hatten in zahlreichen Krisentreffen versucht, einen Käufer für B&B zu finden. Im Februar hatte Großbritannien bereits die Hypothekenbank Northern Rock verstaatlicht, die sich wie B&B am britischen Immobilienmarkt verhoben hatte.