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ZDF Pokern, schachern, intrigieren

CDU und SPD streiten um den vakanten Posten des ZDF-Programmchefs. Bei dem Gerangel geht es nicht nur um die Verteidigung des Erbhofes, sondern vor allem um die Verteilung der Fleischtöpfe - 350 Millionen Euro harren ihrer Bestimmung.

Mainz - Die Suche nach einem Programmdirektor droht für das ZDF ein ähnliches Fiasko zu werden wie die Intendantenwahl im Frühjahr. Nach bisheriger Planung soll der ZDF-Verwaltungsrat am 18. Oktober Personalentscheidungen verabschieden, wovon die wichtigste die Bestimmung des neuen Programmchefs ist.

Die Stelle ist seit der Wahl von Markus Schächter zum ZDF-Intendanten im März nicht besetzt, Hans Janke leitet das Amt kommissarisch. Aber wie im Frühjahr können sich die politischen Parteien nicht auf einen Kandidaten einigen. Nun wird sogar eine Verschiebung der Entscheidung nicht mehr ausgeschlossen.

Doch die Zeit drängt. Der Programmchef verantwortet Ausgaben von etwa 350 Millionen Euro im Jahr für die Produktion von Serien und Filmen. Gleichzeitig muss das ZDF wegen wegbrechender Werbeeinnahmen 150 Millionen Euro in den nächsten vier Jahren einsparen. Hohe ZDF- Mitarbeiter meinen, der Sender könne es sich nicht länger leisten, die Stelle vakant zu lassen. "Da geht es um zig Millionen Euro, die ein Kenner der Produktionsszene herausholen kann", sagt ein ZDF-Mann.

Janke gilt als Top-Besetzung

Im Sender ist es kein Geheimnis, dass sich Schächter für seinen früheren Stellvertreter Janke einsetzt. Der Intendant hat im Verwaltungsrat das Vorschlagsrecht, muss aber drei Fünftel der Stimmen auf seine Seite bekommen, also eine Partei übergreifende Mehrheit erreichen. Janke gilt bei Fachleuten als Top-Besetzung. Am Wochenende bekam er prominente Unterstützung, unter anderem von "Wetten, dass..."-Star Thomas Gottschalk und Regisseur Dieter Wedel.

Da Janke aber SPD-nah ist, gilt er konservativen Vertretern als nicht akzeptabel. Der Vorsitzende der CSU-Medienkommission, Markus Söder, meint: "Der Programmdirektor war immer eine konservative Position. Das soll auch so bleiben." Bei der SPD ist man dagegen der Meinung, dass man in den vergangenen Jahren schon zu viel Einfluss der Konservativen beim ZDF zugelassen hat. "Wir können nicht immer nur nachgeben", sagt ein hoher SPD-Vertreter.

War die Wahlberichterstattung SPD-lastig?

Auf dem Mainzer Lerchenberg gibt es wegen des neuen Gerangels Befürchtungen, dass Spitzenpositionen an Kompromisskandidaten aus der zweiten Reihe fallen könnten. Nach dem monatelangen Hin und Her bei der Wahl Schächters, als Kandidaten aufgestellt und wieder fallen gelassen wurden, hatten Politiker aller Parteien versichert, dass man Bewerbern künftig solche Prozeduren ersparen wolle.

Insbesondere die CSU ist jedoch derzeit vor allem über die nach ihrer Ansicht unfaire Wahlkampf-Berichterstattung von ARD und ZDF verärgert. ZDF-Fernsehratsmitglied Söder hat nun sogar in der "Passauer Neuen Presse" damit gedroht, den Vertrag von ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender, der auf dem SPD-Ticket läuft, nicht mehr zu verlängern. Der Vertrag endet allerdings erst in drei Jahren.

Eine weitere wichtige politische Position im Sender ist zu besetzen, wenn zum Jahresende der Leiter des "heute journal", Wolf von Lojewski, in den Ruhestand geht. Als Nachfolger für das SPD-Mitglied Lojewski ist der als liberal geltende ARD-Korrespondent in London, Claus Kleber, im Gespräch. Von konservativer Seite werden der stellvertretende Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios, Peter Hahne, oder "heute"-Moderator Klaus-Peter Siegloch favorisiert.

Schächer betreibt Pendeldiplomatie

Um die Interessen unter einen Hut zu bekommen, betreibt Schächter eine Art Pendeldiplomatie. Er spricht unter anderem mit dem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Kurt Beck (SPD) und Bayerns Regierungschef Edmund Stoiber (CSU), die beide im Verwaltungsrat sitzen, der für Personalentscheidungen zuständig ist. Schächter ist pragmatisch genug, dass er nicht an einem chancenlosen Kandidaten festhält.

Söder gibt sich bereits optimistisch, dass er Janke verhindern kann: "Ich sehe Signale, dass der Intendant eine mehrheitsfähige Lösung vorschlagen wird." Doch wenn Schächter den beliebten Janke fallen lassen muss, kann das sein Ansehen im Hause untergraben. Janke würde in diesem Fall als Fernsehdirektor zum Südwestrundfunk (SWR) gehen. Dessen Intendant Peter Voß will ihn unbedingt haben.

Richtig in Fahrt kommt das Personalkarussell, wenn der der CDU zugerechnete stellvertretende ZDF-Chefredakteur Helmut Reitze am 18. Oktober zum Intendanten des Hessischen Rundfunks gewählt wird. Er hat gute Chancen. Eigentlich könnte dann nach der "politischen Farbenlehre" beim ZDF Innenpolitik-Chef Thomas Bellut nachrücken, doch er wird inzwischen auch als möglicher Programmchef gehandelt, wenn Janke den Posten nicht bekommt.

Rolf Westermann, dpa