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Wohnen in Potsdam

Aus für die Potsdamer Wohnungstauschzentrale: Wie ein Wohnungstausch scheitern kann

Werbung für Wohnungstausch in Potsdam Babelsberg. Die Wohnungstauschzentrale konnte in knapp drei jahren nur sieben Tausche vermitteln.

Werbung für Wohnungstausch in Potsdam Babelsberg. Die Wohnungstauschzentrale konnte in knapp drei jahren nur sieben Tausche vermitteln.

Potsdam. Besonders erfolgreich war sie nicht, nun wird das Projekt beendet: Die Wohnungstauschzentrale der Stadt Potsdam erhält ab dem kommenden Jahr keine Förderung mehr, das bis Ende dieses Jahres befristete Projekt wird nicht fortgesetzt. Darüber informiert eine Mitteilungsvorlage der Stadtverwaltung die Stadtverordneten.

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Im März hatte die Zentrale als Erfolg drei abgeschlossene und zwei anstehende Umzüge in diesem Jahr gemeldet. 18 Vorgänge sollen damals in Bearbeitung gewesen sein. Auf MAZ-Anfrage sagt nun eine Rathaussprecherin, „seit Bestehen der Koordinierungsstelle Wohnungstausch konnten sieben Wohnungstausche durch sie erfolgreich vermittelt werden. Weitere vier Wohnungstausche befinden sich in der Vorsetzung zur Umsetzung“.

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8000 Kleine Haushalte in großen Wohnungen

Das macht also sieben erfolgreiche Tausche seit September 2020 bei Kosten in sechsstelliger Höhe pro Jahr – ein schiefes Bild angesichts der Zahlen, die die Verwaltung in der Vorlage kommuniziert und die großes Interesse am Angebot implizieren: „In Potsdam leben mehr als 8000 Ein- und Zwei-Personen-Haushalte auf mehr als 80 Quadratmetern beziehungsweise 100 Quadratmetern“, heißt es dort. Davon seien „mindestens 3.000 Senioren-Haushalte, die auf mehr als 80 Quadratmetern leben“.

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Einer dieser Seniorenhaushalte ist ein Paar aus Potsdam, dessen Fall an die MAZ herangetragen wurde. Seit fast 25 Jahren bewohnte das Paar eine Dachgeschosswohnung in der Potsdamer Innenstadt. Viele Kinder haben die beiden in den Zimmern großgezogen, noch heute komme die Familie gern zum Feiern vorbei, heißt es. Doch den Senioren, 80 und 68 Jahre alt, ist die 126 Quadratmeter-Wohnung mit fünf Zimmern zu groß – und zu teuer. In einem Schreiben an die Gewoba, die Immobilienverwaltung der kommunalen Pro Potsdam, erklären sie, die Wohnung nur noch dank staatlicher Unterstützung bezahlen zu können und sich vor den Behörden für den teuren Wohnraum rechtfertigen zu müssen. Ihnen sei vorgeschlagen worden, Räume unterzuvermieten oder die Heizkosten zu senken.

Tausch scheitert trotz Intersse

Dabei läge die Lösung für das Paar auf der Hand. Schon im Oktober 2021 wurde Kontakt zum Vermieter aufgenommen und sich auf dessen Hinweis hin an die Wohnungstauschzentrale gewandt. Auch privat hat das Paar die Wohnung annonciert, über ein Kleinanzeigenportal. Aber mal passte die Tauschwohnung der Interessenten nicht – laut Sozialamt sollten die Rentner maximal 65 Quadratmeter für höchstens 550 Euro Kaltmiete beziehen – mal war die bisher bewohnte Wohnung für die potenziellen Tauschpartner nicht passend.

Dann lernen die Senioren Julie Mauerer kennen. Die junge Mutter will seit mehr als fünf Jahren umziehen, sie sagt, sie habe „die Gewoba angefleht, mir mit der Suche nach einer neuen Wohnung zu helfen“. Die Wohnung der beiden Senioren findet sie dann nicht über die Wohnungstauschzentrale, sondern im Kleinanzeigenportal. Ein Ringtausch wäre eine Möglichkeit, denkt sich Julie Mauerer, denn eigentlich sind die fünf Zimmer auch für sie und ihren Sohn zu groß, auch eine Familien-WG wäre vielleicht eine Option.

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Die Voraussetzungen sind eigentlich bestens. Die Tauschinteressenten verstehen sich gut, beide wollen gern tauschen und haben denselben Vermieter. Doch das Projekt scheitert.

Wollen Vermieter die großen Wohnungen lieber verteuern?

„Ich habe sie ein paar Mal auf den Tausch angesprochen, aber die schienen auf diesem Ohr taub zu sein“, schreibt das Paar an Julie Mauerer, mit „sie“ ist eine Mitarbeiterin der Gewoba gemeint. Stattdessen wird den beiden nun auf einmal anderer Wohnraum in der Heinrich-Mann-Allee und in der Kiezstraße angeboten.

Auch Julie Mauerer fragt mehrfach per Mail beim Vermieter nach, erhält aber nie eine schriftliche Antwort. „Das Problem ist, dass die Gewoba diese großen schönen Wohnungen, die die Senioren tauschen wollen, nicht verlieren will“, sagt sie. Die Wohnung des Paares sei nie getauscht worden, sondern mittlerweile wieder im Bestand des Vermieters – und zwar deutlich teurer als vorher. „Nicht gerade sozial“, findet sie. Die Warmmiete steige demnach auf 1700 Euro. „Dann wird sie für den Durchschnittsbürger wieder unbezahlbar. Selbst große Familien können sich eine so hohe Miete wahrscheinlich nicht leisten.“

Gewoba bestätigt den Fall grundsätzlich

Die Pro Potsdam als Mutterkonzern der Gewoba bestätigt den Sachverhalt grundsätzlich. Die technische Instandsetzung der Wohnung sei nach der langen Mietdauer von 25 Jahren unumgänglich, heißt es auf Anfrage, „und diese Kosten müssen natürlich umgelegt werden“. Überhaupt sei die Wohnung für Julie Mauerer ja zu groß, sie habe nicht darlegen können, dort mit mehr als zwei Personen einziehen zu wollen. Zugleich will man die Mieterin, die so verzweifelt eine Wohnung sucht, beruhigen: „Sie wird, wenn sie als Suchende registriert ist und es Angebote gibt, auch welche erhalten“, sagt eine Sprecherin der Immobilienholding. Sollten die Voraussetzungen für einen Wohnberechtigungsschein vorliegen, solle dieser beantragt werden. „Über die Dringlichkeit befindet dann das Rathaus.“

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Das Paar, um dessen mittlerweile ehemalige Wohnung es geht, hat eine der alternativ angebotenen Optionen angenommen, die beiden wollen nicht mit der MAZ sprechen, kein Öl ins Feuer gießen. Julie Mauerer dagegen ist weiter auf der Suche. Die Wohnungstauschzentrale jedenfalls wird ihr wohl nicht mehr helfen können.

MAZ

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