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München: Literaturhaus zeigt Nikolaus Heidelbachs fantastische Welten - diese Schau ist eine Schau!

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Nikolaus Heidelbach fordert die Betrachter dazu auf, genau hinzusehen. Hier eine Illustration aus dem Märchen „Die Schöne und das Tier“
copy-of-nikolaus-heidelbacmaerchen-aus-aller-weltblumencnikolausheidelbach.jpg © Beltz & Gelberg 2010

Das Literaturhaus München zeigt 251 Originalblätter des preisgekrönten Illustrators und Autors Nikolaus Heidelbach. Für Kinder und Erwachsene ein fantastisches Erlebnis!

Er ist schnell. Weil die eigene Neugierde seinen Zeichenstift über das Papier jagt. Erst ist da eine Idee, und dann möchte Nikolaus Heidelbach selbst bitte ganz fix wissen, wie das, was er sich da wieder in seiner Fantasie ausgemalt hat, auf Papier aussehen könnte. Was in seinem Kopf vorgeht? Die Wucht in Tüten, ach was, überdimensionalen Säcken. Für die Besucher des Literaturhauses München öffnet der 66-Jährige ein Türchen hinein in seine fulminante Gedankenwelt – und man möchte mehr als einen Augenblick verweilen, es ist so schön!

Der preisgekrönte Illustrator und Autor Nikolaus Heidelbach. Hier zu Besuch in der Schau im Literaturhaus München.
Die große Kunst der kleinen Details beherrscht der preisgekrönte Illustrator und Autor Nikolaus Heidelbach famos. Hier zu Besuch in der Schau im Literaturhaus München. © kjk

Der im rheinland-pfälzischen Niederlahnstein geborene, preisgekrönte Illustrator und Autor kann nicht nur in unverwechselbarem Stil malen und Geschichten erzählen; all seinen schlauen, doppelbödigen, schwebend-hintergründigen Werken zugrunde liegt sein vielleicht größtes Talent: Nikolaus Heidelbach ist ein Meister der Beobachtung. Woher kennt der mich so gut?, fragt man sich bei sehr, sehr vielen der 251 (!) Originalblätter, die in der Schau zu sehen sind. Alle liebevoll mit Nadeln an die Wände und auf den Grund der Vitrinen gepinnt; mit eben den Nadeln, die auch Heidelbach nutzt, wenn er daheim in Köln-Nippes seine Arbeiten vor sich ausbreitet. Die Kunst der kleinen Details beherrschen unübersehbar auch Anna Seethaler und das Team vom Gestaltungsbüro „unodue{ münchen“, die die Ausstellung kuratiert haben.

Nikolaus Heidelbach erzählt die Welt aus Kinderperspektive

Also, wie macht der Heidelbach das, dass man sich in den Bildern ständig wiederentdeckt mit den eigenen Wünschen, Träumen, Ängsten? Die Antwort auf diese Frage steht in seinem Lebenslauf. Für die Jahre 1978-83 heißt es da: „Babysitter“. Klar will man von ihm, der zur Ausstellungseröffnung angereist ist, wissen, was es damit auf sich hat. Es ist so einfach, wie es dasteht: Als junger Mann zog er einst nach Berlin – um sich die Bude leisten zu können, hat er für Freunde auf deren Söhnchen aufgepasst. Und dabei gelernt, was Kinder umtreibt. „Das Kind ist ein hochkomplexes Objekt. Die meisten Illustratoren lassen 80 Prozent von dem, was Kinder ausmacht, weg. Aber Kinder sind mehr als große Kugelaugen und Stupsnäschen.“ Schon damals in Berlin, später dann im Alltag mit den eigenen Kindern und nun mit den zwei Enkeln fasziniert Heidelbach gerade die nicht ganz so süße Seite, die Ungehemmtheit, mit der Kinder teils brutal sein können. Denn das gehört zu den kleinen Ausgaben unserer selbst genauso wie die überschwängliche Zärtlichkeit, mit der sie sich einem unvermittelt in die Arme werfen.

Leseecke des Ausstellungssaals im Literaturhaus München, in der Besucher Nikolaus Heidelbachs Bücher lesen oder sich per Audio Guide von Schauspielern vortragen lassen können.
In einer Leseecke des Ausstellungssaals im Literaturhaus München sind Besucher eingeladen, Nikolaus Heidelbachs Bücher zu lesen – oder sie sich per Audio Guide von Schauspielern vortragen zu lassen. © kjk

All das spiegelt sich in Heidelbachs Bildern wider. Mit Wasserfarben, Deckweiß, Buntstiften erschafft er aus Kinderperspektive Welten, durch die wir alle schon einmal geschritten sind. Leider geht vielen im Laufe das Lebens der Wegweiser zu diesen durchgeknallten Winkeln unserer Vorstellungskraft verloren. Heidelbach schubst uns sanft zurück in die richtige Richtung.
Die Fensterscheiben des Ausstellungssaals schmücken Unterwasserbilder, die zum Abtauchen einladen. Auch sie aus einem Buch von Nikolaus Heidelbach. Der Titel: „Wenn ich groß bin, werde ich Seehund.“ Warum denn nicht?

Bis 31. Juli 2022 im Literaturhaus München, Salvatorplatz 1, täglich 11 bis 18 Uhr; weitere Infos gibt es hier

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