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Georg Escherich: Gut bekannt mit Röhm und Mussolini – aber kein Nazi

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Der Isener Georg Escherich war Forstrat, Politiker, Lobbyist und gut bekannt mit Röhm und Mussolini. Ein Rassist oder ein Nazi soll er aber nicht gewesen sein.
So kannten ihn die Isener: Forstrat Georg Escherich. © ahu

Der Isener Georg Escherich war Forstrat, Politiker, Lobbyist und gut bekannt mit Röhm und Mussolini. Ein Rassist oder ein Nazi soll er aber nicht gewesen sein.

Isen – Georg Escherich ist in Isen als Forstrat, Jäger und Politiker bekannt. Monarchistischer Patriot, Kolonialist, Antirepublikaner, Paramilitarist, Antisemit und Chauvinist – Escherisch sei vieles gewesen, aber kein bekennender Nationalsozialist. Das machte Georg Wiesmaier von der Dorfener Geschichtswerkstatt in seinem Vortrag deutlich. Dass Escherich (1870 – 1941) den Nazis zugearbeitet hat, stehe auf einem anderen Blatt.

Straßenname erinnert an Escherich

Würde nicht eine kurze Stichstraße, die vom Marktplatz zum ehemaligen Forsthaus, dem früheren Wohnhaus Escherichs führt, seinen Namen tragen, wäre der ehemalige Forstrat wohl gänzlich in Vergessen geraten. Lediglich Historiker mit dem Spezialgebiet Weimarer Republik wissen, dass Escherich Leiter des bayerischen Landesverbands der Einwohnerwehren war und die Organisation Escherich („Orgesch“) 1920 in Regensburg gegründet hat.

In Isen war Escherisch sehr angesehen

Unterstützt wurde er dabei vom späteren SA-Führer Ernst Röhm und Franz von Epp. Ein Jahr später wurde der Dachverband der Einwohnerwehren durch eine Weisung der Reichsregierung aufgelöst. Damals hatte er eine Million Mitglieder im Deutschen Reich, davon 360 000 allein in Bayern. „Die Orgesch zerfiel in verschiedene reaktionäre Verbände“, berichtete Wiesmaier in seinem Vortrag. „Für viele führte der Weg über die Einwohnerwehren zum Nationalsozialismus.“

Isener Festzug für Hindenburg

Interessant dürfte für die Besucher aus Isen – sie machten den Großteil der rund 40 Zuhörer aus – vor allem die Verbindung Escherichs mit der Marktgemeinde gewesen sein. In seinem Heimatort war er eine angesehene Persönlichkeit, verkehrte er doch mit Größen aus Politik, Industrie und Kirche wie General Erich Ludendorff, Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, dem Industriellen Robert Bosch, Kardinal Michael von Faulhaber oder dem italienischen Duce Benito Mussolini, den er zum Beispiel über die Herstellung von Bambus-Zellstoff aus italienischen Kolonien beriet.

Besuche in Skandinavien un Afrika – im Auftrag des Kaisers

Der Besuch Hindenburgs 1926 war in der kleinen Landgemeinde ein großes Ereignis samt Sonderzug, blumenstreuenden Kindern und patriotischen Ansprachen. Doch politisch stand Escherich, der schnell Karriere gemacht hatte, zum damaligen Zeitpunkt bereits auf dem Abstellgleis. Die Gründung des Bayerischen Heimatschutzes im Dezember 1928 bezeichnete Wiesmaier als letzte größere politische Aktion Escherichs über Isen hinaus, „über Bayern hinaus schon nicht mehr“.

Wiesmaier zitierte auch aus Reiseberichten und akribisch geführten Tagebüchern des Forstrats. Während er in den täglichen Notizen Jagdstrecken, Besuche und Reisen festhielt, beschrieb er in seinen diversen Veröffentlichungen seine Reisen nach Norwegen und Schweden, Bosnien-Herzegowina, Kamerun und Äthiopien, das er 1907 und 1909 auf Aufforderung des Kaisers besuchte.

Escherich sei kein Rassist

Dass er die Lappen als „diebisch“ und die Bosniaken als „stumpfsinniges Pack, das nichts mit regelmäßiger Arbeit im Sinn hatte“, bezeichnete, entsprach, so Wiesmaier, dem damaligen Zeitgeist. Escherich, der 1914 einen Vortrag vor Wilhelm II. hielt und diesem seine Ideen zur besseren Ausbeutung der deutschen Kolonien vortrug, hatte auch eine ähnlich krude Meinung von „den Negern“, die seiner Meinung nach die Überlegenheit der Weißen anerkennen würden.

In seinem Schlusswort sagte Wiesmaier, dass er sich bemüht habe, Escherich gerecht zu werden: „Ich habe ein bestimmtes Bild gewonnen, Sie sollen sich Ihr eigenes machen.“

Das hat zum Beispiel Bürgermeister Siegfried Fischer gemacht. Auf Nachfrage der Heimatzeitung sagte er, dass er bereits vor Jahren Recherchen über das Leben und Wirken Escherichs angestellt habe. Insbesondere sei es ihm um die Benennung der Straße nach dem Forstrat gegangen. „Ich glaube, dass man in den 70er Jahren damit den Forstrat ehren wollte, der in Isen sehr angesehen war.“ Escherich sei kein Rassist und kein Nationalsozialist gewesen, ist der Bürgermeister überzeugt.

Aha-Erlebnisse bei Bürgern

Dass man wohl davon überzeugt gewesen sei, mit der Namensgebung einen ehrenvollen und verdienten Bürger zu ehren, meinte auch ein Besucher. „Wir haben gar nicht gewusst, wer das ist“, sagte ein anderer Zuhörer, der als Kind miterlebt hat, wie seine Wohnstraße, die Lindenweg geheißen hatte, nach Escherich benannt wurde. „Ich habe noch nie so detailliert etwas über ihn erfahren“, erklärte ein weiterer Zuhörer. „Ich weiß gar nicht, warum sich noch nie jemand, und da schließe ich mich nicht aus, für diese Geschichte interessiert hat.“

Damit noch mehr Isener Gelegenheit erhalten, sich mit der Historie Escherichs, die auch ein kleines Stück Isener Geschichte ist, auseinanderzusetzen, solle der Vortrag im Herbst im Heimatmuseum wiederholt werden, regte Franz Wenhardt, Leiter des Isener Arbeitskreises für Heimatpflege und Kultur, an.  

Anne Huber

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