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Adolf Hitler die Ehrenbürgerwürde aberkennen

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Der Journalist Claus Biegert fordert den Uffinger Gemeinderat auf, Adolf Hitler nachträglich die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen.
Der Journalist Claus Biegert fordert den Uffinger Gemeinderat auf, Adolf Hitler nachträglich die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen. © Mayr

Uffing – Die Gemeinde Uffing muss sich mit einem dunklen Kapitel ihrer Ortsgeschichte auseinandersetzen: 1933 ernannte der Gemeinderat Adolf Hitler zum Ehrenbürger. Eigentlich erlischt dieser Titel automatisch mit dem Tod. Dennoch fordert der Journalist Claus Biegert in einem Antrag die Volksvertreter auf, Hitler nachträglich die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen.

Im Rathaus zu Uffing hängen die Konterfeis aller Ehrenbürger. Klaus Bahlsen ist etwa zu sehen, sogar als Büste, der Philanthrop und Keks-Fabrikat, der im Ort wohnte und den Ministranten an Ostern gerne mal zwei, drei Tüten mit Süßigkeiten zusteckte. Oder Lorenz Kraus, der neueste Ehrenbürger, der 48 Jahre für die CSU im Gemeinderat saß. Von Josef Summer, dem Uffinger Lieblingspfarrer, der sogar verkleidet auf den Altweiberfasching ging, hängt ein Bild in der Empfangshalle. Niemand wäre auf die Idee gekommen, Adolf Hitler in diese Galerie honoriger Uffinger aufzunehmen. Doch streng genommen gehört der Diktator in die Sammlung. Am 21. März 1933 trug ihm der Gemeinderat die Ehrenbürgerwürde an, am 3. Mai desselben Jahres nahm er den Titel an. Obwohl die Ehrenbürgerschaft mit dem Tod erlischt, ist sie doch Teil der Ortsgeschichte.

Thema in der nächsten Gemeinderatssitzung

Deshalb hat sich der Uffinger Journalist Claus Biegert mit einer Bitte und einem Antrag an den Gemeinderat gewandt: Die Volksvertreter sollen sich doch besinnen und Hitler nachträglich die Ehrenbürgerwürde aberkennen. Das wäre kein juristischer, sondern ein symbolischer Akt, wie Biegert in seiner Rede betont. „Er ist wichtig für die kommenden Generationen“, betont der 74-Jährige. Verschweigen oder Vergessen hält Biegert für ein fatales Zeichen. In einer der nächsten Sitzungen entscheiden die Gemeinderäte über Biegerts Anliegen.

Der Journalist, deutschlandweit bekannt für seine Reportagen über die indigenen Völker Nordamerikas, hatte seinen Vortrag mit dem Sujet „Erinnerungskultur“ überschrieben. Er leitete mit einer Erzählung aus der Welt der Irokesen, die sich selbst Haudenosaunee nennen, ein. Den obersten Häuptling bezeichnen sie dort als Tadodaho, der alten Sage nach eine verkrümmte Schreckensgestalt, ein Monster, das aber wieder Mensch wird. Seither heißt der oberste Hüter der Irokesen Tadodaho. Biegert erkennt darin „eine vorbildliche Kultur des Erinnerns, des Nicht-Vergessens“, in der das Böse weder verleugnet noch verschwiegen wird.

Gleiche Maßstäbe möchte er im Umgang mit Hitlers Titel ansetzen. Bislang unterschlage die Gemeinde seine Ehrenbürgerwürde. „Aus bekannten, begreiflichen Gründen“, wie Biegert erklärt. Doch er stellt die Frage: „Wollen wir riskieren, dass in den nächsten Generationen jemand die Unterschlagung ausgräbt und fragt, warum wir die Taten unserer Vorfahren verschweigen?“ Einen Fehler einzuräumen, hält der Uffinger für einen Akt der Stärke – auch wenn der Jahrzehnte später passiert. Biegert kann sich einen Bilderrahmen ohne Foto vorstellen samt Einordnung des Sachverhalts, dazu das Datum der posthumen Aberkennung. So schlug er es dem Gemeinderat vor, der damit quasi den Fehler seiner Vor-Vorgänger korrigieren könnte.

Teil der Uffinger Geschichte

Das originale Sitzungsprotokoll aus dem März 1933 hat man unmittelbar nach Kriegsende vernichtet, hat Ortshistoriker Franz Huber herausgefunden. Im Zuge der Recherchen zur 1250-Jahrfeier des Ortes im Jahr 1989 gruben die Uffinger dieses dunkle Kapitel wieder aus. Eine weitere Episode: 1923 hatte sich Hitler nach dem Aufruf zum „Marsch auf Berlin“ in der Uffinger Villa des Verlegers Ernst Hanfstaengel versteckt. Nach 48 Stunden verhaftete ihn die Polizei im Landhaus, das unweit von der Bahlsen-Grundschule entfernt steht. „Ob es uns gefällt oder nicht, Adolf Hitler ist Teil der Uffinger Geschichte“, betont Biegert. Deshalb soll die Gemeinde jetzt dem Vorbild vieler Städte und Dörfer folgen, die sich nach der Jahrtausendwende besonnen und Hitler rückwirkend die Auszeichnung entzogen haben. Hof, Berchtesgaden, Lindau, Bayreuth oder Tegernsee zählt der Journalist unter anderem auf. Erst in diesem Jahr, im Juli, zog Babenhausen nach. „Das Jahr 2021 hat durchaus noch Platz für ein Dorf am Staffelsee“, betont Biegert. „Es ist nie zu spät.“

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