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Der Streit ums kühle Nass zwischen Verein und Landratsamt eskaliert

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Sie wollen im Streit mit dem Landratsamt nicht klein beigeben: Wasserwart Romuald Straub, Bernhard Jott Keller und Schatzmeister Peter Lutz (v.l.) vom „Verein für sauberes Wasser“ inspizieren die Wasserschutzzone ihres Brunnens in Riesen.
Sie wollen im Streit mit dem Landratsamt nicht klein beigeben: Wasserwart Romuald Straub, Bernhard Jott Keller und Schatzmeister Peter Lutz (v.l.) vom „Verein für sauberes Wasser“ inspizieren die Wasserschutzzone ihres Brunnens in Riesen. © Archiv

Der Streit um das Trinkwasser in Riesen hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Das Landratsamt hat eine vom Gericht vorgeschlagene Mediation abgelehnt, der Ton wird immer rauer. Der „Verein für sauberes Wasser“ und die Behörde kreuzen im November ihre Klingen nun vor dem Verwaltungsgericht in München.

Riesen/Weilheim – Mit welchen Bandagen im Streit um Risikobewertungen und Trübungsmessungen des Riesener Trinkwassers mittlerweile gekämpft wird, legen Auszüge des Schriftverkehrs des Landratsamtes in Weilheim nahe: „Beim Vorstand Keller wird man den Eindruck nicht los, dass es ihm eigentlich mehr um Selbstdarstellung geht und nicht um die Interessen des gemeinnützigen Vereins“, ist darin unter anderem zu lesen.

Sogar vor persönlichen Diffamierungen gegen den Vereinsvorsitzenden Bernhard Jott Keller macht das Amt nicht halt, berichtet der Anwalt des Vereins, Sebastian Heidorn. Der Jurist hat den Eindruck, dass es in dem Streit längst nicht mehr nur um das Wasser geht: „Es geht gegen die Person von Herrn Keller.“

Klage gegen Durchführung der Trinkwasserverordnung

Vor Gericht dürfte es am 13. November dennoch mehr um die Sache gehen. Wie mehrfach berichtet, setzt sich der Verein, der mit seinem Brunnen das 100-Seelen-Dorf Riesen (Gemeinde Steingaden) versorgt, mit einer Klage gegen die Art der Durchführung der Neuregelung der Trinkwasserverordnung durch das Landratsamt zur Wehr. Das Amt schreibt dem Verein bei den regelmäßigen Probenahmen wieder vor, auch nach Stoffen zu suchen, die es rund um Riesen weit und breit nicht gibt. Pflanzenschutzmittel, die nie zum Einsatz kamen und Acrylamid nennt der Vorsitzende Keller als Beispiele. „Diese und weitere Ausnahmen waren bereits vor Jahren von einem unabhängigen Sachverständigen für Trinkwasser vorgeschlagen und vom Gesundheitsamt akzeptiert worden“, heißt es vom Verein, der die Ausnahme-Regelung beibehalten will. Man werde nicht wieder bei „Adam und Eva anfangen“, machte der Vorsitzende schon im Januar klar.

Nach den Berichten in der Heimatzeitung sendete auch das Bayerische Fernsehen einen Beitrag:

Keller wird nicht müde, zu betonen, wie gut die Qualität des Riesener Wassers sei. Selbst nach Extremwetterereignissen mit Überflutungen in der Trinkwasserschutzzone 1 gibt es demnach keinerlei Auffälligkeiten in den Proben. Die Grenzwerte – zum Beispiel der laut Verein bereits durchgeführten Trübungsmessungen – würden um mehr als das Zehnfache unterschritten, versichert Keller und präsentiert entsprechende Messreihen.

Kostenfreie Probeentnahme durch das Gesundheitsamt lehnt der Verein ab

Denen traut das Gesundheitsamt aber offensichtlich nicht über den Weg. In einem Schreiben der Behörde moniert ihr Chef Stefan Günther, dass sich der Verein vorbehalte, die Trinkwasserbefunde zuerst einzusehen, bevor diese an das Gesundheitsamt weitergeleitet werden. „Hier liegt die Vermutung nahe, dass Herr Keller positive mikrobiologische Befunde dem Gesundheitsamt vorenthält und nur negative Befunde weiterleitet“, schreibt Günther. Eine kostenfreie Probeentnahme durch das Gesundheitsamt werde vom Verein abgelehnt, moniert er. Dazu Keller: „Es ist völlig ausgeschlossen, 30 Jahre lang ein schlechtes Wasser auf gut zu untersuchen.“

Das Verwaltungsgericht in München hatte jüngst versucht, Dampf aus dem Kessel zu nehmen. Es regte eine Mediation an. „Das wäre eine super Sache“, findet der gesamte Vereinsvorstand. Das Gesundheitsamt ist dagegen weniger begeistert und besteht auf das „fixe gesetzliche Beprobungsschema“. Verhandlungsspielraum gibt es für die Kreisbehörde nicht: „Bei einer Abweichung würden wir ansonsten mit dem Vorrang des Gesetzes in Konflikt kommen“, heißt es in der Antwort an das Gericht.

Gesundheitsamt setzt mit neuer Anordnung noch eins drauf

Jetzt hat das Gesundheitsamt noch eins drauf gesetzt und den Riesenern eine weitere Anordnung ins Haus geschickt. Vom 15. Februar bis 31. Juli 2020 muss der Verein danach kontinuierliche Trübungsmessungen im Wasser vornehmen. Zuletzt hatte die Behörde noch eine dreimonatige Messreihe gefordert. Vereinsanwalt Heidorn hält die Anordnung für „völlig überflüssig“. Man hätte das Ergebnis der Gerichtsverhandlung abwarten können, meint er.

Der Jurist kündigt an, eine zweite Klage einzureichen. Und Bernhard Jott Keller steht die Verärgerung ins Gesicht geschrieben: „Wir machen gute Arbeit, das wird uns von Fachleuten immer wieder bestätigt. Das Amt war von Beginn an gegen uns, ohne in den letzten 27 Jahren belastbare Argumente zu haben“, kritisiert er die Verantwortlichen im Landratsamt. „Die arbeiten mit allen Methoden, um uns ins Unrecht zu stellen, obwohl die Versorgung seit Jahrzehnten bestens funktioniert“. Klein beigeben wird der Verein sicher nicht: „Die sollten uns nicht unterschätzen.“

Nach Veröffentlichungen im Internet droht Amt mit strafbewehrter Unterlassungserklärung

Vergangene Woche wurde obendrein noch  ein neuer Nebenkriegsschauplatz eröffnet. Das Landratsamt monierte Veröffentlichungen auf der Vereins-Homepage. Unter dem Reiter „der Prozess“ finden sich auch Schreiben und Bescheide der Behörde, die das jetzt in einem weiteren Schreiben rügte: „Die Veröffentlichung des Namens des Sachbearbeiters stellt eine Verletzung von dessen allgemeinen Persönlichkeitsrechten dar“, wird argumentiert. Ebenso unterliege der Inhalt der Bescheide dem Urheberrecht. „Sie begehen daher in zweierlei Hinsicht eine Rechtsverletzung“, wird dem Verein vorgeworfen. Ihm wurde eine Frist bis zum 2. August eingeräumt, sämtliche Schreiben und Bescheide von der Seite zu nehmen. „Dann würden wir auf die sonst in derartigen Fällen übliche strafbewehrte Unterlassungserklärung mit gegebenenfalls sich daran anschließender einstweiliger Verfügung verzichten.“

Verein stellt Schreiben postwendend zu den anderen und spricht von Zensur

Der Verein denkt gar nicht daran. Er stellte das jüngste Schreiben sogleich zu den anderen auf seine Homepage und würzte es mit einem geharnischten Kommentar. „Es spricht für sich, dass die Behörde nun versucht, mangels belastbarer Sachargumente mit zensorischen Methoden die Dokumente ihres ungerechtfertigten Verhaltens vor der Öffentlichkeit geheim zu halten“, heißt es darin. Der Verein sieht mit der Veröffentlichung des Namens des Sachbearbeiters keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts, da dieser als Unterzeichner nicht im Auftrag, sondern als der juristische und voll verantwortliche Abteilungsleiter des Referats „Bauen und Umwelt“ handele, argumentierten die Vereinsverantwortlichen und fügten hinzu: „Der vorliegende Fall ist, wie die zahlreichen Berichte in den Print-, Hör- und TV-Medien zeigen, für die Bürger von außerordentlicher Bedeutung, und deshalb ist diesem öffentlichen Interesse Vorrang einzuräumen gegenüber dem Persönlichkeitsrecht eines Einzelmenschen.“

Dennoch einigte man sich nach Angaben des Landratsamtes gestern, dass die Namen des Mitarbeiters auf den Dokumenten im Netz geschwärzt werden.

Das sagt das Landratsamt:

In einer Stellungnahme der Rechtsabteilung des Landratsamts heißt es zu dem Fall in Riesen, dass eine Mediation nur sinnvoll sei, „wenn beide Seiten in ihrer Position nachgeben können“. Vorliegend würde es in der Mediation um den Beprobungsumfang und angeordnete Trübungsmessungen gehen. „Der Beprobungsumfang ist vom Gesetzgeber fix vorgegeben und wir als Verwaltung müssen uns an geltendes Recht halten. Deshalb besteht hier kein Verhandlungsspielraum“, macht ein Jurist der Behörde klar. Er weist darauf hin, dass die Trübungsmessungen auf das Wasserwirtschaftsamt Weilheim (WWA) zurück gehen, um einen Oberflächenwassereinfluss und eine damit verbundene Gefährdung des Trinkwassers auszuschließen. „In der Eigenschaft als amtliche Sachverständige kommt den Auskünften des WWA ein besonderes Gewicht zu, das wir nicht einfach übergehen können. Daher sind die Trübungsmessungen aus fachlicher Sicht unabdingbar und nicht verhandelbar.“ 

Dem Vereinsvorsitzenden Bernhard Jott Keller wirft das Landratsamt vor, sich wiederholt und aufdringlich an Pressevertreter zu wenden: „Es geht ihm wohl vielmehr um das Rechthaben gegenüber uns und nicht um eine konstruktive Lösung“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme

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