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Vor 125 Jahren rührte sich was in der Stadt

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Still ruhte der Marienplatz um 1900. Doch ein Blick in das „Weilheimer Tagblatt“ zeigt, dass sich in der Stadt durchaus was rührte.
Still ruhte der Marienplatz um 1900. Doch ein Blick in das „Weilheimer Tagblatt“ zeigt, dass sich in der Stadt durchaus was rührte. © Repro: Heberlein

Vor 125 Jahren berichtete die Weilheimer Zeitung über den Alltag in der Stadt: Einbrüche, Waldfeste und Werbung fürs Ammer-Bad beschäftigten die Menschen. Es rührte sich was.

Weilheim - „Ein frecher Einbruchdiebstahl wurde heute Nacht bei Herrn Kaufmann Otto Rothmaier dahier verübt. Der oder die Thäter überstiegen von rückwärts durch das Nachbaranwesen kommend, eine Mauer, sprengten an dem im Rückgebäude befindlichen Magazin ein Schauergitter auf, wogen mit einem Prügel eine starke Eisenstange vom Fensterstocke aus und trugen aus dem Magazin eine ca. 70 Pfund Würfelzucker enthaltende Kiste davon“.

Als die Weilheimer am 2. August 1892, also vor nunmehr 125 Jahren, das „Weilheimer Tagblatt“ aufschlugen, sahen sie sich dieser „wichtigen“ Meldung gegenüber. Und da sage noch einer, die heutige Presse würde nach Sensationen gieren!

Man konnte zwar auch vom Ausbruch des Ätna, von der in Russland grassierenden Cholera und den Reisen des deutschen Kaisers lesen, aber der heimische Umkreis wird die meisten mehr interessiert haben als die große, weite Welt, von der man in Zeiten ohne Fernsehen und Internet nur recht vage Vorstellungen hatte.

Der folgende Artikel zeigt, wie wertend die Presse damals war:

„Am 11. d. verstarb im Zuchthaus zu München der unterm 9. Juni vom Schwurgericht München wegen Brandstiftung zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilte Armenhäusler J. P. von Weilheim. Wir nehmen hievon Notiz, weil bei der Gemeingefährlichkeit dieses Menschen sicher viele die Nachricht mit Genugtuung entgegennehmen werden. P. zündete bekanntlich in der Nacht vom 7. April einen Stadel am Waitzackerweg und in der nächstfolgenden den daneben stehenden an, und warum? nur damit er wieder in’s Zuchthaus komme, wie er selbst angab, weil der Aufenthalt dortselbst ihm besser zusage als im Armenhause. Bei dieser eigentümlichen Vorliebe wäre seinem Freiwerden mit einiger Besorgnis entgegenzusehen gewesen.“

Mit Freude dagegen sah man den verschiedenen Festen entgegen. Denn da steppte in Weilheim noch der Bär:

„Gesellschaft „die Gemüthlichen“. Großes Gartenfest mit Musik ausgeführt von der Kormann’schen Kapelle und Feuerwerk verbunden mit einem großartigen Zimmerstutzen-Schießen.“

Und der Weilheimer Turnverein ließ sich auch nicht lumpen:

„Großes Waldfest am Hechenberge, einem prächtigen Aussichtspunkte ins Gebirge, verbunden mit einem Preis-Gerwerfen für Herren, einem Preis-Taubenschießen für Damen, einem Preis-Turnen für die Mitturner des Vereins nebst sonstigen Belustigungen. Nachmittags halb 2 Uhr: Abmarsch zum Festplatze. Concert der Weilheimer Kapelle unter persönlicher Leitung des Dirigenten Herrn Kormann. Abends 8 Uhr: Rückzug zum Kneiplokale beim Postgarten; hierselbst Fortsetzung des Concerts. Abgabe von Lampions (zur Verherrlichung des Rückzuges) am Festplatze.“

Und wenn man erst die verschiedensten gewerblichen Annoncen aus dieser Zeit liest, so kommt man aus dem Schmunzeln gar nicht mehr heraus, denn dort hieß es unter anderem:

- „Rattenbrod – Rattentod! (Nur für Nagetiere tödlich) Sicherstes Rattenvertilgungsmittel.“

- „Ammer-Bad. Bei günstiger Witterung täglich warme Bäder.“

- „Medicinal-Tokayer & Meneser Ausbruch (rothsüss). Garantirt rein und ächt. Letztere Marke besonders für Blutarme und Bleichsüchtige von allen Aerzten bestens empfohlen.“

- „Bei einer anständigen Familie wird ein Realschüler in Kost und Logis genommen, bei strengster Aufsicht zu annehmbaren Preisen. Näheres in der Expedition des Blattes.“

Was genau unter „Näheres“ zu verstehen ist, würden wir gerne wissen. Aber das „Weilheimer Tagblatt“ wird uns darüber heute, über ein Jahrhundert später, keine Auskunft mehr geben können – schade! 

Dr. Joachim Heberlein

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