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Staat will Privathäuser auf Energieverbrauch durchleuchten – darf er das?

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Die Bundesregierung ringt nach Möglichkeiten der Bestandsaufnahme des Energieverbrauchs von Privathäusern. Der Staat würde gerne Wärmebilder einsetzen – doch darf sie das?

Berlin – Kaum hat man in Sachen Wärmewende ein Problem abgehakt, kommt schon das nächste durch die Tür. Obwohl die ewigen Diskussionen um das Heizungsgesetz (Gebäudeenergiegesetz) und die kommunale Wärmeplanung im vergangenen Herbst dann doch noch ein gutes Ende fanden, geht es nun an die Umsetzung der Vorgaben. Für Städte und Kommunen, die sich um die Wärmewende in ihrem Hoheitsgebiet kümmern sollen, geht es jetzt um eine Bestandsaufnahme. Und darum, ob der Staat einfach Daten zum Energieverbrauch von Privatpersonen erheben und veröffentlichen darf.

Wärmebilder aufnehmen und verarbeiten: Was sagt der Datenschutz?

In einem Dokument an die Bundesregierung versuchen wissenschaftliche Mitarbeiter genau diese Fragen zu klären. „Soweit ersichtlich, ist in der Rechtsprechung oder der datenschutzrechtlichen Fachliteratur die Frage der Konformität von Wärmebildern von Gebäuden mit der DS-GVO [Datenschutzgrundverordnung, Anm. d. Red.] nicht eingehend diskutiert worden“, heißt es darin. Also: Es ist nicht klar, ob es datenschutzrechtlich erlaubt ist, Wärmebilder von Privatgebäuden aufzunehmen und in die öffentliche Planung von Wärmenetzen einzubeziehen.

Weiter stellt man aber fest, dass Wärmebilder schon zu den „personenbezogenen Daten“ gezählt werden dürften, also einem strengen Schutz unterliegen. Das liege daran, dass bei der Aufnahme von Wärmebildern auch Personen oder Autokennzeichen aufgenommen werden. Sind diese auf den Bildern erkennbar, dann hat die Regierung ein Problem. Dann müsste man laut DS-GVO die Erlaubnis dieser Personen einholen, bevor man die Bilder verarbeitet. Unter „Verarbeitung“ wird auch die Aufnahme und Speicherung von Daten verstanden – eine recht offene Begriffsbestimmung also.

Laut DS-GVO gibt es aber laut den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Bundesregierung drei Situationen, laut denen die Aufnahme und Verarbeitung von Wärmebildern erlaubt wäre:

  1. Die betroffenen Personen haben ihre Einwilligung gegeben
  2. Die Erstellung des Wärmebildes ist notwendig, um einen Vertrag zu erfüllen
  3. Die Erstellung des Wärmebildes ist notwendig, um „berechtigte Interessen“ zu wahren. „Berechtigte Interessen umfassen rechtliche, tatsächliche, wirtschaftliche oder ideelle Interessen.“

Datenschutz oder Klimaschutz? Regierung muss abwägen

Für die Bundesregierung ist der dritte Punkt besonders interessant. Es müsse aber, so heißt es in dem Dokument weiter, eine Abwägung der Grundrechte mit den berechtigten Interessen stattfinden. „Wärmebilder aus der Luft oder vom Boden, bei denen die Nutzung von Gebäuden durch Personen ersichtlich wird, könnten einen besonders tiefen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen“, so die Experteneinschätzung. Auf der anderen Seite könnte man auch argumentieren, dass „mit Wärmebildern der energetische Zustand von Häusern dargestellt werden soll, um Potenziale zur Energieeinsparung zu verdeutlichen und letztlich zur gesellschaftlich grundsätzlich als notwendig anerkannten Energie- und Wärmewende beizutragen.“

Das ist also die wesentliche Frage, auf die die Regierung nun eine Antwort finden muss: Datenschutz oder Klimaschutz? Welches ist wichtiger – beziehungsweise ist es möglich, beides zu wahren?

Kommunen preschen vor - und haben Lösungen parat

Einige Kommunen preschen auch schon vor, ungeachtet der Tatsache, dass es rechtliche Bedenken gibt. So auch in zwei Kreisen in NRW, in einem Stadtteil von Köln sowie im Kreis Mettmann, wo Energieunternehmen für die Kommunen Wärmebildaufnahmen aller Wohngebäude gemacht haben – sowohl mit einem Pkw als auch mit einem Flugzeug. Auswertungen finden bis Frühjahr 2024 statt und sollen Eigentümern danach zur Verfügung gestellt werden. In Köln soll das sogar kostenpflichtig sein, wie der WDR berichtet. Durchgeführt werden die Wärmeaufnahmen vom Energieversorger Rheinenergie.

Wärmeaufnahmen von Häuserfassaden.
Wärmeaufnahmen von Gebäuden sorgten in NRW zuletzt für einen Aufschrei. © imageBROKER/Arnulf Hettrich/Imago

Auch im Kreis Mettmann werden Eigentümer zur Kasse gebeten. Wie das Portal Kommunal.de berichtet, soll ein Energiebericht pro Eigentümer 40 bis 50 Euro kosten. „Die gewonnenen Erkenntnisse sollen nicht nur den Hausbesitzern zugutekommen, sondern auch den kreisangehörigen Städten. Neben der Aufdeckung von Wärmeverlusten an Gebäuden können die Wärmebilder auch für die Prüfung der Fernwärmeleitungen im Kreis genutzt werden. Darüber hinaus sollen die Ergebnisse für die Städte eine belastbare Stütze bei ihrer kommunalen Wärmeplanung einnehmen“, heißt es auf der Webseite des Kreises Mettmann.

Gegenüber kommunal.de spricht Sebastian Kock, Leiter der Stabsstelle Klimaschutz in Mettmann, das Thema Datenschutz auch direkt an. „Wir bewerben das Projekt bereits in dieser frühen Phase sehr offensiv in der Öffentlichkeit und erarbeiten natürlich auch ein Sicherheitskonzept, das Projekt datenschutzkonform zu gestalten. Dazu werden die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Datensicherheit umgesetzt“, heißt es damals. Folgende Sicherheitskonzepte habe man erarbeitet:

Könnte dies also ein Lösungsweg für andere Kommunen sein? Wichtig in diesem Zusammenhang ist auch, ob sich Aufwand und Ertrag am Ende lohnen. Für die Wärmebildaufnahmen müssen die Kommunen schließlich Geld ausgeben – 400.000 Euro im Kreis Mettmann laut Berichten. Auch deshalb gibt man die Energieberichte nicht umsonst raus. Und auch wenn Immobilienbesitzer dann über ihre Energiebilanz informiert werden, entscheiden am Ende immer noch sie, welche Schlüsse sie daraus ziehen und ob eine Sanierung in Betracht kommt.

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