Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz wurde ein neues Rechtsschutzsystem für den Verwässerungsschutz zugunsten der Aktionäre bei der Durchführung einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss eingeführt.
Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz besteht nun zugunsten der Aktionäre ein neues Rechtsschutzsystem für den Verwässerungsschutz bei der Durchführung einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss. Erfahren Sie hier mehr (credits: adobestock).

Was müssen Aktionäre, Vorstände, Aufsichtsräte und Rechtsabteilungen bei Bewertungsrügen jetzt beachten?

Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz wurde ein neues Rechtsschutzsystem für den Verwässerungsschutz zugunsten der Aktionäre bei der Durchführung einer Kapitalerhöhung unter Bezugsrechtsausschluss eingeführt. Konkret betrifft dies die Geltendmachung, dass der auf eine Aktie entfallende Wert der Einlage unangemessen niedrig oder ein Sondervorteil an bestimmte Aktionäre gewährt worden sei. Stand den Anteilsinhabern bis Ende 2023 in solchen Fällen die Möglichkeit einer Anfechtungsklage nach § 255 Abs. 2 AktG a.F. zur Verfügung, ist dieser Weg nunmehr nach § 255 Abs. 2 AktG n.F. versperrt. Der Streit hierüber wird nun in das Spruchverfahren verlegt. Was das für den Rechtsschutz des einzelnen Aktionärs bedeutet und was zukünftig bei dem Vorgehen gegen einen unangemessenen niedrigen Wert der Einlage zu beachten ist (sog. Bewertungsrüge), wird im Folgenden überblicksartig und bündig dargestellt.

I. Ausgleichsanspruch statt Anfechtungsklage

Die entscheidende Änderung des Rechtsschutzsystems ist in § 255 Abs. 2 und Abs. 4 AktG zu verorten. Nach § 255 Abs. 2 AktG kann eine Anfechtung eines Kapitalerhöhungsbeschlusses mit Bezugsrechtsausschluss (Beschlussanfechtungsklage) nicht mehr darauf gestützt werden, dass der auf eine Aktie entfallende Wert der Einlage unangemessen niedrig ist (Verwässerungsschutz) – sog. Bewertungsrüge.

§ 255 Abs. 4 AktG sieht für den betroffenen Aktionär in diesem Fall nur noch die Möglichkeit vor, von der Gesellschaft eine bare Ausgleichzahlung zu verlangen, soweit sein Bezugsrecht ausgeschlossen ist. Über den Ausgleichsanspruch des Aktionärs wird sodann im Spruchverfahren entschieden. Hierdurch sollen Registersperren, die durch eine Anfechtungsklage entstehen und nur bedingt im Freigabeverfahren beseitigt werden können, künftig vermieden werden, um so der Aktiengesellschaft die Möglichkeit zu geben, sich schnell und effektiv benötigtes Eigenkapital am Markt zu verschaffen. Die §§ 255a und 255b AktG ermöglichen es den Aktiengesellschaften aber zudem, den Ausgleichsanspruch nicht unter Abfluss liquider Mittel in bar zu bedienen, sondern durch eine Ausgabe von neuen Aktien.

Wie § 255 Abs. 4 AktG klarstellt, betrifft die Rechtsschutzreform nicht die Kapitalerhöhungen im Wege des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses gem. § 186 Abs. 3 Satz 4 AktG. Insoweit bleibt es bei dem bisherigen Weg einer Anfechtungsklage gegen den Kapitalerhöhungsbeschluss mit Bezugsrechtsausschluss.

II. Wie effektiv ist der neue Rechtsschutz für Aktionäre?

Hintergrund und Zweck der Verlagerung des Verwässerungsschutzes

Der Verlagerung des Verwässerungsschutzes bei sog. Bewertungsrügen in das Spruchverfahren lag ein praktisches Bedürfnis der Aktiengesellschaften nach einer beschleunigten Durchführung der Kapitalerhöhungen zugrunde. Bisher bestand schließlich durch das gerichtliche Verfahren infolge einer Anfechtungsklage ein Hemmnis für die Eintragung (sog. Registersperre) und damit für die Wirksamkeit der Kapitalerhöhung. Es drängt sich die Frage auf, ob der günstigen Wirkung für die Aktiengesellschaften nun spiegelbildlich ein Nachteil für die betroffenen Anteilsinhaber gegenübersteht.

Indes besteht insoweit nur in geringem Maße Anlass zur Sorge. Zunächst ist festzuhalten, dass der Verweis in das Spruchverfahren den Aktionärsinteressen nicht zwangsläufig zuwiderläuft. Schließlich wendet sich der Aktionär nicht gegen die Kapitalerhöhung als solche, sondern gegen die Wertverwässerung seines Anteils. Um diese zu beseitigen, ist allerdings keine Aufschiebung der Wirkung der Kapitalerhöhung erforderlich. Das Gericht hat im Spruchverfahren weiterhin umfassend zu prüfen, ob der Wert der Einlage unangemessen niedrig ist. Ein Rückzug der gerichtlichen Kontrolle geht daher mit dem neuen Rechtsschutzsystem nicht einher. Ob effektiver Verwässerungsschutz gewährt wird, hängt in hohem Maße von einer sorgfältigen Ermittlung der Anspruchshöhe durch die Gerichte im Spruchverfahren ab. Unter diesem Gesichtspunkt könnte die Reform gar einen Vorteil für die Aktionäre auf der einen und die Aktiengesellschaft auf der anderen Seite mit sich bringen. Schließlich sieht sich das entscheidende Gericht nunmehr nicht mehr dem Druck der Aktiengesellschaft auf eine schnelle Entscheidung ausgesetzt.

Ausgabepreis junger Aktien

Um zu prüfen, ob der Ausgabepreis junger Aktien angemessen ist, wird bei börsennotierten Unternehmen grundsätzlich der durchschnittliche Börsenkurs der Unternehmensaktien in den letzten drei Monaten vor dem Tag der Entscheidung über die Kapitalerhöhung herangezogen. Dies wird durch § 255 Abs. 5 Satz 1, 4 AktG und § 5 Abs. 1 der Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz-Angebotsverordnung (WpÜGAngebV) geregelt. Nur wenn der Börsenkurs an diesem Tag niedriger ist als der festgelegte Referenzkurs, wird dieser Börsenkurs gemäß § 255 Abs. 5 Satz 5 AktG als maßgeblich betrachtet.

Hinsichtlich der Kapitalerhöhungen im Wege des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses (§ 186 Abs. 3 Satz 4 AktG) ergeben sich, wie bereits festgestellt, hingegen keine Veränderungen. Es bleibt somit bei Bewertungsrügen beim Rechtsschutz im Wege der Anfechtungsklage. Dies macht mit Blick auf den unterschiedlichen Herausforderungen der Verfahren auch grundsätzlich Sinn. Schließlich geht es bei Kapitalerhöhungen im Wege des vereinfachten Bezugsrechtsausschlusses zumeist nicht um komplexe Bewertungsfragen, sodass sich eine schnellere Abwicklung im Freigabeverfahren nach § 246a AktG anbietet.

III. Fazit

Auch wenn die Änderung des Rechtsschutzsystems bei der Durchführung bezugsrechtsfreier Kapitalerhöhungen im Interesse der Aktiengesellschaften geschah, geht diese nicht automatisch mit einem verminderten Rechtsschutz der Aktionäre einher. Der im Spruchverfahren durchzusetzende Ausgleichsanspruch stellt auf den ersten Blick eine für beide Seiten interessengerechte Lösung dar. Ob er tatsächlich einen wirksamen Verwässerungsschutz bietet, hängt letztlich von der Sorgfalt der Gerichte bei der Bemessung seiner Höhe im Rahmen des Spruchverfahrens ab. Aus Aktionärssicht ist damit darauf hinzuwirken, dass im Spruchverfahren ein angemessener Ausgleichsanspruch gewährt wird. Hierfür bietet sich in aller Regel spezialisierte Rechtsberatung an.

Wichtig ist dabei insgesamt, dass Aktionäre, Vorstände, Aufsichtsräte und Rechtsabteilungen sich nun verinnerlichen, in welchen Konstellationen der Bewertungsrüge die Beschlussmängelklage oder aber das Spruchverfahren der richtige Rechtsbehelf ist.


Der Autor dieses Beitrags steht Ihnen rund um das Thema der bezugsrechtsfreien Kapitalerhöhungen beratend gerne zur Verfügung.

Autor: Dr. Karl Brock

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