Berlin. In einem Plattenbau an der Pestalozzistraße in Pankow verschaffte sich die DDR einst Devisen, heute kann man dort wohnen. Alle Infos.

In einem Gebäudekomplex an der Pestalozzistraße 5 bis 8 in Pankow hatte das Devisenbeschaffungsunternehmen INTRAC – der einzige wirkliche Global Player der DDR – seinen Sitz. Bis zu 700 Mitarbeiter setzten hier in den 1980er-Jahren Milliardenbeträge um. Wegen seiner besonderen Bedeutung war das INTRAC-Gebäude mit viel Liebe zum Detail gestaltet worden: inklusive abhörsicheren Konferenzräumen und einem Bunker im Keller, der Atomangriffen standhalten sollte. Erfahren Sie hier alle Infos zu dem ehemaligen Lost Place.

Das sind die Fakten zum ehemaligen INTRAC-Firmensitz im Überblick:

  • Adresse: Pestalozzistraße 5-8, 13187 Berlin-Pankow
  • Geschichte: Während der DDR-Zeit Hauptsitz der 1964 gegründeten Devisenbeschaffungsfirma INTRAC; nach der Wende Leerstand; ab 2008 als Künstlerateliers genutzt
  • Führungen: Keine
  • Status: Ehemaliger Lost Place. Ab 2020 Sanierung und Umbau zum 2023 eröffneten Apartmentkomplex "The Base Berlin One"

Wo liegt der ehemalige INTRAC-Firmensitz genau?

Das Gebäude befindet sich an der Pestalozzistraße 5-8 im Ortsteil Pankow des gleichnamigen Bezirks. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreicht man den ehemaligen Lost Place am besten mit der Tramlinie M1 oder den Buslinien 155 und 250 (Haltestelle Bürgerpark Pankow). Vom S-Bahnhof Wollankstraße benötigt man etwa 15 Minuten zu Fuß entlang der Wollank- und Parkstraße.

Lost Places in Pankow

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    Das sind die wichtigsten Etappen der Geschichte des ehemaligen INTRAC-Gebäudes:

    Ausgangslage: Devisen für die international isolierte DDR

    Seine Bekanntheit verdankt der fünfgeschossige Plattenbau an der Pestalozzistraße seiner ursprünglichen Bestimmung als Sitz der INTRAC. Die Firma war das Flaggschiff des Bereichs Kommerzielle Koordinierung (KoKo), mit der die notorisch klamme DDR seit den 1960er-Jahren versuchte, Devisen aus dem kapitalistischen Ausland zu besorgen.

    Im April 1964, knapp drei Jahre nach dem Bau der Mauer, hatte die DDR-Führung Stasi-Mitarbeiter und Ökonomie-Experten aufgefordert, einen Plan zu erstellen, wie "am offiziellen Außenhandel vorbei Devisengewinne erwirtschaftet" werden könnten. Die Antwort: ein verdeckt operierendes Unternehmensgeflecht, das seit Anfang der 1970er-Jahre von der Bankkontrolle befreit war und wie ein Staat im Staate agierte.

    Unter der Leitung des DDR-Devisenbeschaffers und Stasi-Obersts Alexander Schalck-Golodkowski (1932–2015) nutzte die INTRAC jeden legalen und illegalen Weg, um an Westmark, Dollar oder Yen zu kommen sowie begehrte Importwaren für die DDR-Führungsspitze zu beschaffen. Bei INTRAC handelte man am sozialistischen Plansoll vorbei mit Antiquitäten, Schmuck, Diamanten, Erdöl, Edel- und Buntmetallen.

    Ehemaliger INTRAC-Firmensitz: Alltägliches Geschäft mit Öl und Häftlingen

    Der ehemalige DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski im Gerichtssaal in Berlin-Moabit 1995.
    Der ehemalige DDR-Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski im Gerichtssaal in Berlin-Moabit 1995. © picture-alliance / dpa | ho

    Ein Anteil der Gewinne wurde aus eher gewöhnlichen Außenhandelsgeschäften erzielt – wie die Vermittlung von Ost-West-Geschäften im Bereich der Metall- und Chemiebranche, Finanzgeschäfte oder die Versorgung Westberlins mit Benzin, Diesel und Heizöl. Andere Geschäftsbereiche hatten dubioseren Charakter wie die Beschaffung embargobewehrter Güter aus dem Westen, der Handel mit Waffen und Antiquitäten, die Abnahme von Sondermüll aus Westberlin und die Abwicklung von Häftlingsfreikäufen in enger Kooperation mit dem Ministerium für Staatssicherheit.

    INTRAC besaß eine eigene Abteilung "Umwelt", die den Mülltransport aus dem Westen auf ostdeutsche Deponien organisierte. Unter derselben Adresse firmierte die INTRAC-Tochter Zentral-Commerz. Sie kümmert sich um den Verkauf von Produkten aus der DDR-Leichtindustrie in den Westen, den Ankauf von Waren für die heimischen Intershops, um den Export von Altpapier sowie die Ein- und Ausfuhr von Getreide.

    Der Firmenverbund der KoKo, zu der die INTRAC zählte, erwirtschaftete insgesamt mindestens 28 Milliarden Westmark an Gewinn und trug dazu bei, die größten Defizite in der Handelsbilanz der DDR zu stopfen. Für die Abwicklung der Geschäfte im Ausland musste das Unternehmen auf ein Netz von Mittelsmänner und Tarnfirmen zurückgreifen. Hunderte Millionen Westmark zirkulierten auf Konten zwischen Berlin, Lichtenstein und der Schweiz. Ab 1974 floss ein Teil der Gelder auch auf ein persönliches "Generalsekretärskonto" Erich Honeckers.

    Ehemaliger INTRAC-Firmensitz: So war das Gebäude ausgestattet

    Von außen wirkte der Plattenbau an der Pestalozzistraße im Stile der sozialistischen Moderne für nichtsahnende Passanten eher unscheinbar. Im Inneren war er dagegen mit allerlei Details und Extravaganzen ausgestattet und bot den Angestellten und Handelspartner ein Interieur, das einem John le Carré-Roman hätte entsprungen sein können.

    Versteckte Hinterzimmer, Geheimfächer hinter Bilderrahmen und ein mit Kupfer abgeschirmter Sitzungsbereich für den Chef. Politbüro-Mann Alexander Schalck-Golodkowski hatte in Pankows bekanntestem Plattenbau an der Pestalozzistraße Dinge zu besprechen, bei denen niemand mithören sollte. Im INTRAC-Gebäude sicherten Kameras und Klingeldraht erfolgreiche Geschäfte.

    Noch bis vor kurzem fanden sich in den Büros und Ateliers Originaleinbauten: Wandschränke und schwere Konferenztische. In den VIP-Verhandlungsräumen und Büros sorgten Klimaanlagen von Panasonic für ein angenehmes Klima. In den Etagenküchen standen AEG-Herde. Seit mehr als 30 Jahren warteten in einem Schrank Cognacgläser mit Goldrand auf ein Prosit zum erfolgreichen Vertragsabschluss.

    Ehemaliger INTRAC-Firmensitz: Atomschutzbunker im Keller

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    Doch der markanteste Ausbau befand sich im Keller: In den Kellerräumen im Hauptsitz der KoKo in der Wallstraße 17–22 wurden im Dezember 1989 – nach der Flucht von Alexander Schalck-Golodkowski in den Westen – 21 Tonnen Gold aufgestapelt in Barren zu je 5 Kilogramm gefunden. Ein Vielfaches der Menge, die die DDR an Goldbestand in ihrer Staatsbank lagerte. Der Verbleib des Goldes im damaligen Wert von fast 450 Millionen DM ist heute unklar.

    Im Keller in der Pestalozzistraße stieß man zwar nicht auf Gold, dafür installierten die Hausherren in Pankow neben Versorgungsräumen und der Gebäudetechnik einen Atomschutzbunker für die eigene Belegschaft. Im Falle eines Falles hätten die Funktionäre und Mitarbeiter der INTRAC hier unterhalb der ehemaligen Stasi-Kantine Schutz suchen können. Im Normalbetrieb boten die unterirdischen Bunkeranlagen viel Platz, um Handelsgüter, Kunst und Wertmetalle fachgerecht zu lagern.

    Ehemaliger INTRAC-Firmensitz: Lost Place nach der Wende

    Das Firmengeflecht der "Kommerziellen Koordinierung" der DDR schien bei der Auflösung der Abteilung im März 1990 undurchschaubar. Nur wenige hatten Einblick in die geheimen und verwickelten Geschäfte. Die INTRAC Handelsgesellschaft mbH hatte zuletzt ein Stammkapital von 102 Millionen Westmark. Auf dem Höhepunkt ihrer Handelstätigkeit in den 1980er-Jahren betrug ihr Jahresumsatz mehr als 10 Milliarden Westmark – was sie zu diesem Zeitpunkt in der BRD zur Aufnahme in den DAX qualifiziert hätte.

    Für die Büros in der Pestalozzistraße gingen nach der Wende in den 1990er-Jahren die Lichter aus. Zwar hatte der letzte Intrac-Generaldirektor noch schnell im Februar 1990 den lukrativen Geschäftsbereich der Abfallentsorgung in eine Tochterfirma ausgegliedert, diese saß aber an anderem Ort und ging später in den Besitz der Treuhand über.

    Ehemaliger INTRAC-Firmensitz: Seit 2020 entstand das Wohnprojekt "The Base"

    Das Bürogebäude nach der Wende.
    Das Bürogebäude nach der Wende. © Bernd Wähner

    Der Leerstand in dem Bürogebäude an der Pestalozzistraße war nicht von Dauer. Nach der Wende zogen kleinere Gewerbe und Künstler in die Intrac-Büros. Ingenieure, eine Musikschule, Architekten, Maler, Freischaffende, eine Theaterschule und Beratungsstellen fanden hier bezahlbare Quartiere. Ab 2012 nutzte die Gruppe "KunstEtagenPankow" die Büroräume im Seitenflügel des Plattenbaus als Atelier- und Arbeitsräume.

    „The Base“-Chef Florian Färber auf der Baustelle im ehemaligen Intrac-Bürogebäude.
    „The Base“-Chef Florian Färber auf der Baustelle im ehemaligen Intrac-Bürogebäude. © BM | Thomas Schubert

    Seit 2020 wurde das Plattengebäude vom neuen Eigentümer umgebaut und erweitert, um begehrten Wohnraum im Herzen von Pankow zu schaffen. Am Standort der INTRAC entstand ein Wohnkomplex mit Kino, Meditationsraum, Bibliothek und Dachterrasse. Die Zielgruppe: junge Menschen aus aller Welt, die in Pankow möblierte Wohnungen für eine Übergangszeit mieten wollen. Seit April 2023 sind die 318 Apartments von "The Base Berlin One" in der Pestalozzistraße verfügbar.

    In genau diesem Raum arbeitete DDR-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski. Künftig dient er als Coworking-Bereich für Bewohner des „Base“ in Pankow.
    In genau diesem Raum arbeitete DDR-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski. Künftig dient er als Coworking-Bereich für Bewohner des „Base“ in Pankow. © BM | Base

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