Nach der Schließung der umstrittenen Haasenburg-Heime hat Brandenburgs Jugendministerin Martina Münch Fehler bei der Heimaufsicht eingeräumt. Sie mahnt eine Änderung der Bundesgesetze an.

Die von einer Expertenkommission festgestellten Missstände in den inzwischen geschlossenen drei Kinder- und Jugendheimen der Haasenburg GmbH haben – trotz Versäumnisse der Heimaufsicht – keine disziplinarischen Konsequenzen im Landesjugendamt zur Folge. Brandenburgs Bildungsministerin Martina Münch (SPD) sagte am Mittwoch in Potsdam, das Landesjugendamt sei seiner Aufsichtspflicht nachgekommen. „Allerdings gab es dabei Mängel.“ Dies habe die von ihr in Auftrag gegebene Untersuchung ergeben. Die Ministerin stellte ein „Maßnahmenpaket“ vor, mit dem sie die Heimaufsicht im Land Brandenburg verbessern will. Zudem entschuldigte sie sich bei den Kindern und Jugendlichen.

„Jugendliche in den Einrichtungen der Haasenburg haben nicht nur die Erfahrung gemacht, dass sie jederzeit Opfer von Übergriffen werden konnten, sie haben auch die Erfahrung machen müssen, dass man ihnen hinterher nicht glaubt“, sagte Münch, die selbst Mutter von sieben Kindern ist. „Ich bedauere das erlittene Leid, das viele bis heute prägt und entschuldige mich bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen, dass wir sie nicht besser schützen konnten.“ Alle Kinder hätten „ein Recht darauf, gewaltfrei und in Würde aufzuwachsen“.

Die wesentlichen Fehler

Im November vorigen Jahres hatte die Ministerin die Heime in Müncheberg und Jessern (Märkisch-Oderland) und in Neuendorf (Dahme-Spreewald) schließen lassen. Der private Betreiber klagte bislang vergebens gegen den Entzug der Betriebserlaubnis. Grundlage war ein Bericht einer unabhängigen Expertenkommission. Das Gremium hatte Martina Münch allerdings erst nach massivem öffentlichen Druck eingesetzt. Zuvor hatten die Heimaufsicht beim Landesjugendamt und das übergeordnete Ministerium jahrelang selbst Strafanzeigen von Jugendlichen nicht ernst genug genommen.

Die wesentlichen Fehler der Behörden liegen nun auf dem Tisch:

- Die schnelle Expansion der Haasenburg GmbH wurde nicht ausreichend begleitet und hinterfragt. Die Einrichtung hat immer mehr Plätze in geschlossener Unterbringung geschaffen. Zuletzt waren von den 114 Plätzen 60 sogenannte geschlossene. Schwierige, oft straffällig gewordene Jugendliche, die dort per richterlichen Beschluss untergebracht waren, hatten nur wenig Freiheiten.

- Es wurde nicht genügend kontrolliert, ob das Heim die Auflagen umsetzt. So wurde nie eine Kooperationsvereinbarung mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie Eberswalde geschlossen. Auch fehlte ein individuelles Maßnahmenkonzept für jeden Jugendlichen unter Beteiligung eines Facharztes.

- Das Verbot von Fixierliegen kam zu spät. Es wurde zur Vermeidung von Eingriffen in Grundrechte erst 2009 ausgesprochen. Es hätte laut Ministerin schon drei Jahre vorher erfolgen sollen.

– Die Steuerung durch das Ministerium reichte bei weitem nicht aus. Vorhaben des Ministeriums zur Überwachung von Auflagen durch das Landesjugendamt waren nicht vorhanden.

- Der Umgang mit Vorfällen in der Haasenburg war problematisch. Die Heimaufsicht hat den Träger bei der Konzeption intensiv beraten, hinterfragte aber nicht ausreichend die problematische pädagogische Praxis in den Heimen. Die Expertenkommission, die das Heim-Innenleben beleuchtete, war zu dem Schluss gekommen, dass dort auf Drill und Umerziehung gesetzt wurde. Es gebe Parallelen zu früheren DDR-Jugendwerkhöfen, aber auch zur schwarzen Pädagogik in Heimen im Westen der 50-er Jahre. Eine der Konsequenzen, die Bildungsministerin Münch ankündigte, ist die Aufstockung der Heimaufsicht von drei auf fünf Mitarbeiter. Das dürfte laut Münch ausreichen, da es im Land zwar 400 Heime gebe, die meisten aber nur sehr wenige Kinder betreuten.

Zudem würden neue Richtlinien zur Bewertung von Konzeptionen festgelegt und eine Leitlinie für eine kontinuierliche Heimaufsicht entwickelt. Kontrollen fänden künftig nicht mehr nur anlassbezogen, sondern unangemeldet statt. In besonderen Problemfällen sollen unabhängige Experten eingesetzt werden. Auf Landesebene werde eine zentrale Beschwerdestelle für Heimbewohner eingerichtete. Ehemalige Haasenburg-Mitarbeiter würden bei ihrer persönlichen Aufarbeitung unterstützt.

Zudem wolle Brandenburg wie bereits angekündigt eine bundesweite Initiative starten. Gemeinsam mit anderen Ländern auf Bundesebene. Ziel soll die Überarbeitung der gesetzlichen Grundlagen für die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Schwierigkeiten sein. Gleichzeitig werde überprüft, welche Möglichkeiten Brandenburg habe, die Bedingungen für die Genehmigung von freiheitsentziehenden Maßnahmen selbst zu regeln.

Kritik der Opposition

Der Opposition reichen die angekündigten Konsequenzen nicht. „Es ist lächerlich, eine monatelange interne Untersuchung durchzuführen, um festzustellen, dass drei Mitarbeiter des Landesjugendamts rund 400 Einrichtungen nicht wirksam beaufsichtigen können“, kritisierte CDU-Bildungsexperte, Gordon Hoffmann. „Ministerin Münch kann sich nicht hinter angeblich zu wenigen rechtlichen Grundlagen beim Vorgehen gegen Kindswohlgefährdung verstecken – es hätte jederzeit unangekündigte Kontrollen geben können. Auch Marie Luise von Halem (B90/Grüne) vermisst die Übernahme von Verantwortung. FDP-Fraktionschef Andreas Büttner wirft Münch Totalversagen vor. „Die Ministerin darf nicht glauben, sie müsse nur zwei neue Mitarbeiter für die Aufsicht einstellen und dann wären alle Probleme vom Tisch. Das Problem liegt tiefer – und die Ministerin ist Teil des Problems.“