Jörg Schönbohm war bis Herbst 2009 zehn Jahre Innenminister in Brandenburg. Er gilt als ein streitbarer Politiker, der mit seinen Einschätzungen und zugespitzten Thesen immer wieder polarisiert. Jetzt hat er ein Buch geschrieben und nennt es “Wilde Schwermut. Erinnerungen eines Unpolitischen“.

Jörg Schönbohm hat wieder ein Buch geschrieben. "Wilde Schwermut", so hat er es genannt, beginnt in Brandenburg und endet in Brandenburg. Denn hier hat der frühere Bundeswehr-General seine familiären Wurzeln und hier hat er seinen politischen Abschied genommen. Zehn Jahre war er Innenminister, bis er nach der Landtagswahl im September als 72-Jähriger in "den Ruhestand" ging.

So wie er es sich gewünscht hatte, stellte sein Freund, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Montagabend die "Erinnerungen eines Unpolitischen" in der brandenburgischen Landesvertretung in Berlin vor. Der Titel stimmt und stimmt auch nicht: Schönbohm ist als einer der letzten Wertkonservativen in der CDU alles andere als ein unpolitischer Mensch. Aber aus dem späten Politikeinsteiger ist nie ein Parteisoldat und schon gar kein politischer Stratege geworden.

Wörner hielt Schönbohn für zu vertrauensselig

Als Schönbohm 1996 seinem früheren Chef Verteidigungsminister Manfred Wörner mitteilte, Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) habe ihm den Posten des Innensenators angeboten, fragte Wörner seinen einstigen Adjutanten, ob er nicht ganz bei Trost sei. Sinngemäß soll sich das so angehört haben: "Damit das klar ist, ich finde, Sie taugen nicht für die Politik. Sie sind viel zu offen und vertrauensselig. Sie können das nicht."

Schönbohm ging trotzdem in die Politik. Und Wörner behielt in einem Recht: Politische Ränkespiele waren nicht Schönbohms Sache. Und den Mund hielt er auch nicht, sobald ihn etwas wirklich bewegte. Und das ohne Rücksicht auf seine Partei. Weder CDU-Chefin Angela Merkel noch die märkische Union waren begeistert, wenn "der Alte" sich wieder einmal mit provokanten Thesen zu Wort meldete. Deshalb musste der Ex-Landeschef seiner Nach-Nachfolgerin Johanna Wanka auch versprechen, dass sein Buch nicht schon im Landtagswahlkampf in den Buchläden landet. Schönbohm hat sich daran gehalten, die CDU kam trotzdem nicht über ihre 20 Prozent Wählerzustimmung hinaus.

Der Autor Schönbohm nimmt nichts zurück. Auch nicht seine Äußerungen über den neunfachen Babymord einer Mutter, die ihm politisch und der CDU im Bundestagswahlkampf 2005 wohl am meisten geschadet haben: Er machte dafür auch eine Folgen der Zwangsproletarisierung in der DDR verantwortlich. "Ich wollte keine allgemeine Abneigung äußern, sondern habe eine staatlich organisierte Verwahrlosung kritisiert", schreibt er heute dazu. Zuletzt war es seine Kritik an der Stillosigkeit der Ostdeutschen, die für einen Aufschrei sorgte. Die CDU distanzierte sich sogar mit einem Parteitagsbeschluss von der Pauschalkritik ihres Ehrenvorsitzenden.

In seinem Buch, das eine Reise durch sein und das Leben seiner Frau Evelin ist, erinnert sich Schönbohm auch an seine drei Jahre in Berlin. Mit seiner rigiden Ausländerpolitik und seinem Durchgreifen gegen die Hausbesitzerszene avancierte er zum Feindbild der Linken. Der hohe Ausländeranteil wurde "romantisch verklärt" und kaum etwas für die Integration getan, so Schönbohm. Im Sandkasten seien deutsche Kinder von ausländischen Kindern beschimpft worden. Bewohner eines Hauses hätten geklagt: "Wenn wir Weihnachtslieder singen, werden unter uns die Bongo-Trommeln gespielt."

Für Selbstkritisches ist da wenig Platz

Schönbohm klingt wie einer, der mit sich im Reinen ist. Für Selbstkritisches ist da wenig Platz. Auch wenn er eine zerstrittene CDU hinterlassen hatte. Und einer seiner größten politischen Albträume wahr geworden ist: Matthias Platzeck regiert jetzt mit einer stasibelastete Linken, und die CDU ist in der Opposition. Wie er über Platzeck denkt, fasst er in den bösen Satz: "Um Verrat zu begehen, muss man erst einmal für etwas stehen."

Das Buch endet mit der Erkenntnis: "Wir sind jetzt da, wo wir schon einmal waren." Aber es gibt ein Nachwort. Darin stellt er fest, dass die "rot-rote Koalition zu meiner Freude und zum Ärger Oskar Lafontaines erhebliche Einsparungen im öffentlichen Dienst" plant. Und die Linke "die Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit" vorantreiben will. Sein überraschendes Fazit: "Vielleicht sind wir doch weiter, als ich dachte." Jörg Schönbohm ist eben ein unerschütterlicher Optimist.

"Wilde Schwermut - Erinnerungen eines Unpolitischen", erschienen im Landtverlag, ISBN 979-3-938844-25-0. Das etwa 450 Seiten umfassende Buch enthält auch Beiträge von Evelin Schönbohm. Zudem ist von ihm erschienen: "Zwei Armeen und ein Vaterland. Das Ende der Nationalen Volksarmee". Berlin: Siedler 1992, ISBN 3886804526. In diesem Jahr veröffentlichte Schönbohm das Büchlein "Politische Korrektheit". Leipzig: Manuscriptum Verlag, 2009. ISBN 978-3-937801-56-8