Trotz des Dudens bestem Wollen bleibt die Beugung der Wörter nach Präpositionen oft ein Rätsel der Grammatik.

„Trotz krassem Auftakt ungewohnt gefühlvoll“, so rezensierte eine Fernsehzeitschrift einen Film im Ersten Programm. Die Rezension mag stimmen, die Grammatik aber nicht. Nach heutigem Sprachverständnis steht die Präposition trotz nicht mit dem Dativ, sondern mit dem Genitiv, ja sie „steht“ nicht nur mit dem Genitiv, vielmehr fordert sie den Genitiv. Also hätte es „trotz krassen Auftakts“ heißen müssen.

Eine solche Forderung lässt sich nicht mit dem Gerichtsvollzieher durchsetzen, scheidet aber die ungefilterte Umgangssprache von der gehobenen Schriftsprache und zeigt an, auf welchem Sprachniveau unser Gegenüber sich bewegt. Diese Forderung nach einer bestimmten Form und Eigenschaft eines abhängigen Ausdrucks nennt man die Rektion. Am häufigsten tritt die Fähigkeit, die Flexion (Beugung) eines abhängigen Wortes im Satz zu bestimmen, als Kasusrektion auf. Der Kasus (Fall) des abhängigen Wortes hängt also von dem Wort ab, das es aufgerufen hat. Die Kasusrektion finden wir bei den Präpositionen, Verben, Substantiven sowie Adjektiven und Partizipien. Werfen wir zuerst einen kurzen Blick auf die Rektion der Verben.

Wie Sie wissen, fordert die Rektion des Verbs kosten den Akkusativ: Dieser Schritt kostete ihn das Leben. Und wenn Sie noch so oft nach dem „Wem“ fragen – die Rektion von „kosten“ zwingt „ihn“ in den Akkusativ. Andere Verben können mit dem Dativ verbunden sein: Ich helfe „dich“? Nein, ich helfe dir (Dativ)! Besonders peinlich ist es, wenn das geforderte Genitivobjekt der Sprachschluderei zum Opfer fällt, zum Beispiel nach den Verben gedenken oder bedürfen: Der Senat gedachte des Falls der Mauer (bitte, bitte nicht „dem Fall“) – oder: Es bedurfte nur eines Wortes (wessen?).

Zurück zu den Präpositionen (Verhältniswörtern). Jede Präposition regiert einen oder mehrere Kasus, ist also kasusfordernd, wobei verschiedene Kasus auch zu verschiedenen Aussagen führen: Er liegt auf dem Sofa (wo? Zustand) oder: Er legt sich auf das Sofa (wohin? Tätigkeit). Bei der Präposition trotz sollten wir uns auf den Genitiv konzentrieren: Sie gingen trotz des Regens in den Garten. In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz ist allerdings noch die Dativ-Rektion üblich, was wir aber bei aller Liebe zu den Bayern nicht als korrektes Hochdeutsch akzeptieren wollen: „Trotz dem Regen“ gingen die Münchner viel spazieren.

Die Rektion der Präposition trotz ist im Laufe der Zeit vom Dativ in den Genitiv gewandert. Dass der Dativ die ältere Rektion darstellt, zeigen noch die festen Fügungen trotz allem und trotz alledem sowie das Adverb trotzdem. Korrekt ist der Dativ, wenn trotz vor einem unbegleiteten starken Substantiv im Plural steht (trotz Beweisen, trotz Kindern). Wird das Substantiv im Plural jedoch von einem Artikelwort oder Attribut begleitet, ist wiederum der Genitiv angesagt: trotz erdrückender Beweise; trotz der Kinder. Wenn ein stark flektierter Genitiv Singular einem von der Präposition trotz abhängenden stark flektierten Singular vorausgeht, vermeiden wir einen doppelten Genitiv: trotz des Bootes starkem Schwanken (nicht: trotz des Bootes „starken Schwankens“).

Die gleichen Regeln der Rektion gelten übrigens für die Präposition wegen, die auch dann in den Dativ rutscht, wenn der Genitiv im Plural nicht zu erkennen ist: wegen des Geschäfts (Gen.), wegen Geschäften (Dat.), wegen der Geschäfte (Gen.).

Andere Präpositionen wie laut, gegenüber oder nahe fühlen sich mit dem Dativ pudelwohl und haben auch keinen Ortswechsel geplant, werden aber dauernd in den Genitiv geschoben. Es heißt laut dem Grundgesetz und nicht „laut des Grundgesetzes“, es heißt gegenüber dem Bahnhof und nicht „gegenüber des Bahnhofs“, und es heißt – zum Donnerwetter noch einmal! – nahe dem Tatort und nicht „nahe des Tatorts“! Allerdings: Der Genitiv nagt am Dativ. Immer häufiger liest man: laut „unseres Schreibens“ (richtig: laut unserem Schreiben).

Peter Schmachthagen schreibt wöchentlich über die Tücken der deutschen Sprache
Peter Schmachthagen schreibt wöchentlich über die Tücken der deutschen Sprache © Klaus Bodig

Peter Schmachthagen schreibt hier wöchentlich über die Tücken der deutschen Sprache. Sie erreichen den Autor unter deutschstunde@t-online.de.

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