Kurz nach der Freilassung des Terroristen Christian Klar verkündet sein Anwalt, dass der verurteilte Mörder in die Bundeshauptstadt zieht. Dort tritt er vielleicht ein Praktikum am Theater an. Indes wird bereits heftig debattiert, wie man mit Klar künftig in der Öffentlichkeit umgehen soll – und darf.

Der frühere RAF-Terrorist Christian Klar wird nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis zunächst in Berlin leben. Das bestätigte Klars Anwalt Heinz-Jürgen Schneider. "Ein solcher Umzug ist auch keine Überraschung", sagte der Jurist. In Berlin werde der 56-Jährige von einem Bewährungshelfer betreut.

Klar hatte wenige Stunden zuvor das Gefängnis im badischen Bruchsal nach 26 Jahren Haft verlassen. "Er hat sich gefreut, er war zufrieden", beschrieb Anwalt Schneider die Stimmung seines Mandanten vor der Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt.

Im Gespräch ist seit Monaten ein Praktikum Klars am Berliner Ensemble. Eine Sprecherin des Berliner Ensemble machte am Freitag deutlich, dass Klar in dem Theater ein Praktikum als Bühnentechniker machen könne. Sie sagte: „Wir warten darauf, dass Herr Klar auf uns zukommt.“ Seinem Anwalt zufolge hat sich der aber noch nicht entschieden, ob er das Angebot annehmen will. Klars nächste Schritte in Freiheit seien noch unklar.

Die neue Normalität des Christian Klar

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat keine Einwände gegen die Freilassung des früheren RAF-Terroristen Christian Klar. Bei diesem Vorgang handle es sich um „ein rechtsstaatlich vorgesehenes Verfahren“, sagte sie. Nach einem Verfassungsgerichts-Urteil von 1977 „muss jeder, der zu lebenslänglicher Freiheitsstrafe verurteilt wurde, die Chance haben, noch mal wieder in Freiheit zu leben“. Entscheidend sei dabei nicht die Frage von Reue, sondern allein die Prognose, dass der Betroffene keine weiteren Straftaten begeht.

Der ehemalige Leiter der Justizvollzugsanstalt Bruchsal, Harald Preusker, hat für „größtmögliche Normalität“ im Umgang mit Christian Klar plädiert. „Klar hat einen Anspruch auf Resozialisierung“, sagte Preusker, der von 1981 bis 1994 die JVA Bruchsal leitete, Morgenpost Online. „Ob es uns passt oder nicht – wir müssen ihn jetzt als Mitbürger sehen.“

Preusker verteidigte die Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart, Klar vorzeitig zu entlassen. „Wir haben eine Justiz, die solche Entscheidungen verantwortungsvoll trifft“. Kritik an der Entscheidung – auch aus der Politik – trage letztlich nur dazu bei, „die Justiz zu beschädigen“. Hinter der Kritik stecke die falsche Vorstellung von einem „rächenden Staat“. „Das Mitleid mit den Opfern und Angehörigen ist selbstverständlich, aber die Justiz kann deshalb nicht anders entscheiden.“

Auch der langjährige Bruchsaler Gefängnispfarrer Johannes Müller hat für einen unaufgeregten Umgang mit Christian Klar plädiert. „Je schneller Klar sich mit der Normalität auseinandersetzen muss, umso größer ist die Chance, dass er sich auch mit seiner eigenen Vergangenheit auseinandersetzt“, sagte Müller, der bis 2005 Seelsorger im Bruchsaler Gefängnis war, Morgenpost Online.


Sicher ist: Der Name Christian Klar ist auch nach der Entlassung des früheren RAF-Terroristen aus der Haft für die Medien nicht tabu – solange es um die Verbrechen der RAF geht. „Nach den bisherigen Urteilen ist er eine relative Person der Zeitgeschichte“, sagte der Kölner Medienrechtler Karl-Nikolaus Pfeifer. Das bedeute: Wird über die RAF berichtet, dürfe Klar erwähnt werden. Ansonsten greife das Recht des 56-Jährigen, sich wieder in die Gesellschaft einzugliedern. „Wenn sie berichten, was er heute in Berlin macht, hat das nichts mit der Geschichte der RAF zu tun“, sagte Peifer.

Klar sei medienrechtlich jedoch ein schwieriger Fall. Viel hänge vom Verhalten des 56-Jährigen ab, erklärte Peifer. „Wenn er Journalisten und den öffentlichen Auftritt erkennbar meidet, dann müssen die Medien ihn in Ruhe lassen.“ Aktuell sei Klar jedoch in den Medien sehr präsent – auch durch eigenes Zutun: Er habe nichts von seinen Taten zurückgenommen und immer wieder provoziert. „Dies könnte dazu führen, dass er zu einer absoluten Person der Zeitgeschichte wird.“ Medienrechtlich würde er dann betrachtet wie ein Prominenter.

Das gelte insbesondere, wenn Klar bewusst in die Öffentlichkeit tritt – etwa am Theater. „Jemand der sich selbst in die Öffentlichkeit begibt, darf natürlich auch öffentlich wahrgenommen werden.“

Kein Forum für den Terroristen

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird dem aus der Haft entlassenen früheren RAF-Terroristen Christian Klar kein Forum bieten. Der Intendant des Südwestrundfunks (SWR) und künftige ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust sagte: "Wir haben im SWR-Fernsehen und in unseren Radioprogrammen nicht vor, Herrn Klar in Gesprächssendungen einzuladen. Das wäre nicht angemessen und ich sehe momentan auch kein journalistisches Interesse, Herrn Klar in Talkshows zu holen. Er ist ein aus der Haft entlassener Mörder, und er hat keinerlei Reue erkennen lassen." Ähnlich hält es das ZDF. Dessen Chefredaktion hatte schon vor einigen Tagen seine Redaktionen per E-Mail aufgefordert, Klar nicht in Sendungen einzuladen. ARD-Programmdirektor Volker Herres informierte die ARD-Sender darüber, dass man Klar im Gemeinschaftsprogramm Das Erste kein Forum bieten wolle und nicht die Absicht habe, ihn einzuladen. In der ARD sei man sich einig, dass dieses Thema sensibel behandelt werden solle.

Der ehemalige Oberbefehlshaber der US-Armee in Europa, Ex-General Frederick J. Kroesen, erklärte sich zu einem Gespräch mit dem früheren RAF-Terroristen Christian Klar bereit. "Ich werde ihm zwar nicht meine Telefonnummer geben, aber sollte er mich anrufen, würde ich mich einem Gespräch nicht verweigern und mit ihm reden", sagte RAF-Opfer Kroesen der Illustrierten "Bunte". Die Initiative müsse aber von Klar ausgehen, betonte der 85- Jährige. Kroesen war 1981 bei einem RAF-Anschlag verletzt worden. Klar hatte damals mit einer Panzerfaust auf den Dienstwagen des Generals geschossen.