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Münchner Klimaziele 2035 –
Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Dialogforum am 15. November 2023

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    in Kooperation mit HM:UniverCity und Hochschule München

    München will klimaneutral werden. Dazu müssen alle Akteur:innen – Verwaltung, Bürger:innen, Unternehmen – schnell, energisch und gemeinsam handeln. Wo stehen wir bei der Umsetzung dieses ambitionierten Ziels? Welche Ideen und Ansätze gibt es, die finanziellen und operativen Herausforderungen zu stemmen? Auf unserem Dialogforum, das wir in Kooperation mit dem Innovationsnetzwerk der Hochschule München HM:UniverCity und der Hochschule München organisierten, suchten wir gemeinsam mit renommierten Expert:innen nach Antworten.

    Die bayerische Landeshauptstadt beteiligt sich an der EU-Mission „100 klimaneutrale und intelligente Städte bis 2030“ und hat dafür 68 Einzelmaßnahmen mit einem Fördervolumen von 500 Millionen Euro beschlossen. Zentraler Hebel ist die kommunale Wärmestrategie, um den Gebäudesektor unabhängig von Öl und Erdgas zu machen, wie Maximilian Leuprecht, Geschäftsbereichsleiter „Klimaschutz und Energie“ im Referat für Klima- und Umweltschutz, erläuterte. Denn rund 40 Prozent der CO2-Emissionen entstehen beim Heizen von Wohnungen und Büros. „Wir setzen auf das geothermische Potenzial im Untergrund. Die Umsetzung der Planungen wird aber etwa zehn bis 15 Jahre dauern“, gab Leuprecht zu bedenken. Gleichzeitig mahnte er zur Eile, denn: „Jedes verlorene Jahr ist nicht mehr aufzuholen.“
    Am 15. November diskutierten die Podiumsgäste über die Münchner Klimaziele.

    Kleine Veränderungen – große Wirkung

    „Wir haben keine Zeit mehr, sonst werden sich die Lebensbedingungen in München und dem Rest der Welt drastisch verändern“, warnte auch Harald Lesch, Professor für Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität. Gerade in Ballungsräumen gelte: „Hitze ist der stille Killer“. Grundsätzlich hält er eine klimaneutrale Stadt für möglich. Schon mit kleinen Veränderungen könnten große Effekte erzielt werden. „Der ökologische Fußabdruck einer Schule besteht zu 78 Prozent aus der Mobilität der Beteiligten. Der Verzicht auf Elterntaxis führt sofort zu einer spürbaren CO2-Entlastung“, machte Lesch deutlich. Der Vorteil einer solchen Verhaltensänderung sei, dass keine Genehmigungen oder technische Einrichtungen notwendig seien. Verzicht sei allerdings ein Wort, das in der deutschen Politik keinen hohen Stellenwert habe. Außerdem, so Lesch, müsse man sich bei allen Maßnahmen fragen, wie es um die Akzeptanz bei den Bürger:innen stehe. 

    Hitze sei der stille Killer im Klimawandel, mahnte Prof. Harald Lesch.
    In vielen Bereichen nicht besonders gut, wie Silvia Hladky berichtete. Sie sitzt als Vertreterin der Zivilgesellschaft im Klimarat der Stadt München. „Das Mobilitätsverhalten ist offensichtlich am schwierigsten zu ändern. In Deutschland herrscht der Irrglaube, es gäbe ein Grundrecht auf einen Parkplatz vor der Haustür“, kritisierte sie. Erst im Sommer hatte das Projekt „Autofreie Kolumbusstraße“ mit Hochbeeten und Spielplätzen die Nachbarschaft gespalten. Weil die Bürger:innen Veränderungen oft als Eingriff in ihre persönliche Freiheit empfänden, würden Politiker:innen, die wiedergewählt werden wollen, nur zögerlich handeln. „Im Klimarat erlebe ich immer wieder, wie mühsam die Überzeugungsarbeit ist“, machte sie deutlich. 
    Siliva Hladky (Klimarat der Landeshauptstadt München) und Dr. Ulrich Mach (blueFLUX Energy AG).

    Aus Gülle wird Wasserstoff

    An Innovationen für mehr Klimaschutz mangelt es jedenfalls nicht. Zum Beispiel bei der Umwandlung von Bioabfällen in Wasserstoff. Dafür hat etwa das Start-up ecomates, das von der Hochschule München und dem Strascheg Center for Entrepreneurship gefördert wird, einen Smart-Degrader, eine Biogasanlage für den Haushalt, entwickelt. Im großen Maßstab verfolgt auch die blueFLUX Energy AG diesen Ansatz. Das Hightech-Unternehmen stellt Anlagen her, die Reststoffe wie Klärschlamm, Gülle oder Lebensmittelabfälle wirtschaftlich und nachhaltig in Energie umwandeln.

    „In der Zusammenarbeit mit der Stadt München war es hilfreich, dass wir 2022 den Wettbewerb „Energie Start-up Bayern“ des Freistaats Bayern gewonnen haben“, freute sich Dr. Ulrich Mach, verantwortlich für Business Development. Er plädierte für eine technologieoffene Diskussion und mehr Förderprogramme für Innovator:innen. Auch die Investorenseite, vor allem in Deutschland, agiere zu zögerlich, wenn es um die Finanzierung klimafreundlicher Innovationen gehe.

    „Klimawandel muss erlebbar werden“, forderte Mach und verwies auf sogenannte Reallabore. Das sind Experimentierräume für Nachhaltigkeit, die als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxispartner:innen fungieren. „Wir bauen gerade bei uns in Peissenberg das Reallabor „Almwirtschaft Windkreut“ auf, um zu zeigen, wie der Prozess von der Kuh bis zum Wasserstoff funktioniert.“ 

    Handeln statt laborieren

    „Reallabore sind wichtig, um auf den richtigen Weg zu mehr Nachhaltigkeit zu kommen“, bekräftigte Lesch. Es gebe aber Situationen, in denen man nicht mehr herumlaborieren müsse, weil man längst wisse, wohin die Reise gehe. „Es ist ein Skandal, dass in Deutschland immer noch Neubauten ohne Photovoltaik auf dem Dach entstehen, weil die Genehmigungen fehlen. Warum lässt man die Leute nicht einfach machen, wenn es niemandem schadet, statt aus Prinzip eine Verwaltungsvorschrift durchzusetzen?“, fragte er. 

    Leuprecht stimmte zu: „Wir haben einen wahnsinnigen Apparat aufgebaut und müssen uns jetzt durch den Verwaltungsdschungel kämpfen“, räumte er ein. Auch ihm falle es schwer, sich unter diesen Bedingungen kreativ einzubringen. Immerhin habe man gemeinsam mit dem Planungsreferat den integrierten Quartiersansatz auf den Weg gebracht, um das Ziel der Klimaneutralität zu erreichen. Das Quartier als Bindeglied zwischen übergeordneter Planung und gebäudebezogenen Maßnahmen biete die Chance, eine nachhaltige Strom- und Wärmeversorgung, das Mobilitäts-, Abfall- und Wassermanagement sowie die Grün- und Freiflächenversorgung gemeinsam mit den Menschen vor Ort zu entwickeln. „Wichtig ist, nicht von oben herab zu handeln, sondern Maßnahmen auf Augenhöhe mit den Bürger:innen zu ergreifen“, beschrieb er das Erfolgsrezept.

    Maximilian Leuprecht leitet seit Juni diesen Jahres den Bereich "Klimaschutz und Energie" im Referat für Klima- und Umweltschutz der Landeshauptstadt München.

    Vorbilder Paris und Barcelona

    Wie erfolgreiche Stadtteilpolitik aussehen kann, zeigt Barcelona. Dort ist es gelungen, durch die Einrichtung von sogenannten Superblocks den motorisierten Individualverkehr zu reduzieren und die Lebensqualität in den Quartieren zu steigern. Auch Paris geht auf dem Weg zur Verkehrswende mit strikten Maßnahmen voran. „Selbst in Berlin geht vieles leichter, auch weil man sich vielleicht nicht immer ganz gesetzeskonform verhält“, weiß Klimarat-Vertreterin Hladky.

    München scheint auf einem guten Weg, im nächsten Jahrzehnt klimaneutral zu werden. Ein großes Hindernis dabei ist, dass die Landeshauptstadt im Gegensatz zu Stadtstaaten wie Hamburg keine eigene Gesetzgebungskompetenz hat und vom Freistaat Bayern abhängig ist. Auch wenn einige Projekte wieder in der Schublade verschwinden, war die Arbeit nicht umsonst, wie Lesch deutlich machte: 

    „Im Moment ist der sozioökonomische Mainstream klar gegen das Klima. Aber wenn der Klimaknall kommt, braucht der Mainstream Alternativen. Dafür sind alle Nischenakteur:innen wichtig, weil sie Handlungsoptionen aufzeigen“. Wie der Mix aus neuen Technologien, Verhaltensänderungen und Verzicht die Gesellschaft verändern wird, ist heute noch nicht absehbar. „Ich wünsche der Stadt München viel Glück bei der Transformation. Sie wird es brauchen“, schloss Lesch den Abend.

    Podiumsgäste:

    Silvia Hladky

    Zivilgesellschaftliche Vertreterin im Klimarat der Landeshauptstadt München

    Maximilian Leuprecht

    Geschäftsbereichsleiter "Klimaschutz und Energie" im Referat für Klima- und Umweltschutz der Landeshauptstadt München

    Prof. Harald Lesch

    Professor für Astrophysik an der Ludwig-Maximilians-Universität, München

    Dr. Ulrich Mach

    blueFLUX Energy AG

    Moderation:

    Paju Bertram

    Programm Management HM:UniverCity