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Gescheitertes Prestigeprojekt Gescheitertes Prestigeprojekt: Vor 20 Jahren kam das Glanzstück der Bahn aus Dessau

Von Thomas Steinberg 13.09.2019, 08:28
Besucher schauen sich im Werk der Dessauer Fahrzeugtechnik um (undatiert).
Besucher schauen sich im Werk der Dessauer Fahrzeugtechnik um (undatiert). Bernd Helbig

Dessau - Der Zug galt als das Prestigeprojekt der Deutschen Bahn: Vor 20 Jahren rollten zum ersten Mal Metropolitan-Züge zwischen Köln und Hamburg. Die luxuriösen Wagen, gebaut in der Fahrzeugtechnik Dessau und ausgestattet bei den Deutschen Werkstätten Hellerau, dazu ein aufwändiger Service und kurze Fahrzeiten – all dies sollte zwischen beiden Metropolen pendelnde Geschäftsreisende dazu bringen, vom Flugzeug zur Bahn zu wechseln.

Der Hamburger Eisenbahnfan Thomas Heier war auf der Jungfernfahrt des Metropolitan dabei. Schon Monate vor dieser wurde der neue Zug in den Foren der Eisenbahnbesessenen diskutiert. Verständlich, denn das Konzept war in mehrfacher Hinsicht neu.

Seit Jahrzehnten waren die Bahnfahrer auf der Welt es zum Beispiel gewöhnt, dass es zwischen ihnen Klassenunterschiede gibt: Die wenigsten reisen 1. Klasse, die meisten 2. und früher ging es auch darunter weiter. Der Metropolitan war klassenlos, sofern man bereit und in der Lage war, die 180 Mark für eine Fahrt zu bezahlen.

Pro Wagen kümmerte sich ein Mitarbeiter um maximal 57 Passagiere

Dafür gab es an Bord massig Beinfreiheit und nur drei Sessel pro Reihe statt der üblichen vier. Die Wände waren mit Birnbaumfurnier verkleide, die Decken mit gebürsteten Edelstahl. Pro Wagen kümmerte sich ein Mitarbeiter um maximal 57 Passagiere. Wer ausruhen wollte, buchte Platz im Silence-Wagen, Kopfkissen und Decke waren im Preis inbegriffen.

Im Office-Wagen trafen sich die, die das Arbeiten nicht sein lassen konnten und wer weder schlafen noch arbeiten wollte, checkte in einem der beiden Club-Wagen ein. Etwa 3:20 Stunden benötigten die Züge zwischen der Hansestadt und der Karnevalshochburg und waren damit 40 bis 50 Minuten schneller, als die öfter haltenden ICE.

Thomas Heier zählte zu denen, die sich rechtzeitig um ein Ticket gekümmert hatten und am 1. August 1999 auf der Jungfernfahrt von Hamburg nach Köln dabei war. „Die Bahnfans treffen sich schon seit 30 Jahren im Netz, und in den Usenet-Foren war der Zug schon vorgestellt worden“, erinnert sich der Hamburger. „Für mich stand fest: Was Neues, da muss ich dabei sein. Möglicherweise habe ich sogar extra Urlaub genommen.“

Der Metropolitan kam bei den Kunden nicht an - am 11. Dezember 2004 war Schluss

Sein Glück: Neben ihm sitzt ein „Herr Hansen“, irgendein wichtiger Bahn-Mann. Der verschafft Heier nicht nur Zutritt zur Lok, sondern verschreckt auch den Kontrolleur. Heier konnte sich so später einen Teil des Fahrpreises erstatten lassen.

Nach wenigen Wochen ließ die Begeisterung bei den Bahnkunden über das neue Angebot nach. Heier: „Es fuhren zu wenig Züge am Tag. Wenn ich geschäftlich unterwegs bin, dann richte ich meinen Termin- nicht nach dem Fahrplan.“ Die Bahn versuchte gegenzusteuern. Sie richtete „Traveller“-Plätze ein, quasi eine 2. Klasse. Sie warb mit Sonderangeboten, verteilte Prämien – ausgerechnet für das Vielflieger-Programm der Lufthansa.

Es half nichts. Der Metropolitan kam nicht an. Auch, weil er innerhalb des Bahn-Konzerns ein Fremdkörper blieb. Fahrkarten für ihn mussten extra gelöst werden, waren nicht mit dem üblichen Bahnsystem kompatibel. Am 11. Dezember 2004 war Schluss. Die Marke Metropolitan wurde getilgt, die Züge fuhren fortan unter DB-Logo als ICE und IC im ganz normalen Fernverkehr. Wer zufällig in einen von ihnen steigt, sieht es noch immer: Dieser Zug ist anders als andere. Vom einstigen Glanz ist nach 20 Jahren Betrieb und der Umrüstung von 75 Prozent aller Sitzplätze auf 2.-Klasse-Niveau aber wenig übrig geblieben.

Fahrzeugtechnik Dessau ist nach dem Metropolitan-Aus massiv geschrumpft

Und die Fahrzeugtechnik Dessau? Aus den ambitionierten Plänen des damaligen Geschäftsführers, sich als kleiner, flexibler Hersteller zwischen den Konzernen wie Siemens, Alstom und Bombardier positionieren zu können, wurde nichts. Man entwickelte noch Regionalzüge, die den Namen „Protos“ trugen - das war es denn auch. Es folgten viele Jahre des Auf und Ab. Längst war der einst weltgrößten Kühlwagenhersteller auf ein Minimum geschrumpft, Insolvenzen eingeschlossen.

Nun firmiert das Unternehmen als Molinari Rail Systems GmbH. Eigene Fahrzeuge werden in der ehemaligen „Waggonfabrik“ wohl nie wieder gebaut werden, aber als Zulieferer anderer Hersteller könnte Dessau eine Chance haben. (mz)

Der Name Metropolitan bezog sich auf jene Orte, zwischen denen der Zug zunächst verkehrte: Die Metropole Hamburg, zweitgrößte Stadt der Republik, und die Metropolregion Rhein-Ruhr. Im Norden soll es teils Verwechslungen mit Zügen des Anbieters Metronom gegeben haben.

Gäste bei der Vorstellung des Zugs in Dessau, April 1999.
Gäste bei der Vorstellung des Zugs in Dessau, April 1999.
Eckehard Schulz
Der Metropolitan im Kölner Hauptbahnhof - kurz vor der ersten Fahrt.
Der Metropolitan im Kölner Hauptbahnhof - kurz vor der ersten Fahrt.
DPA