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Nur Angucken ist langweilig Nur Angucken ist langweilig: Zwei Künstler wollen Mitmachmuseum in Dessau starten

Von Danny Gitter 25.01.2016, 10:26
Etwas auf die Beine stellen wollen Friedolin Krentel und Anja Wolf.
Etwas auf die Beine stellen wollen Friedolin Krentel und Anja Wolf. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau - Irgendwann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. „Nur angucken ist echt langweilig“, dachte Friedolin Krentel. Für seine Doktorarbeit in Sozialwissenschaften interessierte sich der Ethnologe auch für die Vermittlung von Kunst und Kultur, unter anderem in Museen. Aus wissenschaftlicher Sicht wiederholen sich Muster und Strukturen: Die Besucher schauen sich Exponate an und gehen im Idealfall mit einem Gewinn an Wissen und Erkenntnis heraus. Krentel ist aber der festen Überzeugung: „Es geht auch anders“. Deshalb will der freie Künstler zusammen mit der Modedesignerin Anja Wolf in Dessau jetzt ein Mitmachmuseum etablieren. Nicht nur für den Nachwuchs, auch für Erwachsene.

Dem kreativen Prozess hingeben

In Workshops sollen sich die Teilnehmer einem kreativen Prozess hingeben, an dessen Ende ein künstlerisches Werk steht. Aber erst im Workshopverlauf soll sich abzeichnen, was für ein Kunstwerk entsteht. „Wir arbeiten nicht auf ein bestimmtes Ergebnis hin. Bei uns ist der Weg das Ziel“, erzählt Krentel. So soll ein gestalterischer Dialog entstehen, bei dem alles frei interpretiert und zu einer sozialen Skulptur neu zusammengefügt wird. Alte, eingerostete Denkmuster sollen nach dem Willen von Wolf und Krentel bei den Teilnehmern dadurch aufgebrochen und so zum „wilden Denken“ animiert werden. Das kann durch Fotografieren, Malen, Bauen oder Basteln passieren. Am Ende steht ein Kunstwerk, ein eigenes Museumsstück, das im eigenen sozialen Umfeld einen passenden Standort finden und an die eigene kreative Schaffenskraft erinnern kann. Dass in jedem ein kleiner Künstler schlummert, davon sind Wolf, die Modedesignerin und Krentel, der derzeit so ziemlich jede Spielart der Kunst ausprobiert, überzeugt. Als mobiles Angebot für Unternehmen, Schulen, Kitas, Altenheime oder bei passenden Räumlichkeiten auch im privaten Rahmen wollen sie ihre Workshops anbieten.

Mitmachen statt nur Anschauen

Mitmachen statt nur Anschauen ist die Devise von Wolf und Krentel. In die geplante Doktorarbeit hat er die Erkenntnis nicht mehr einfließen lassen. Nachdem seine Frau eine Stelle beim Umweltbundesamt antrat, zog der Doktorand mit ihr und den beiden Kindern im vergangenen Sommer nach Dessau. Hier ließ der Ethnologe die graue Theorie ein für alle Mal ruhen und legte die Promotion an der Universität Gießen endgültig zu den Akten. Seine theoretischen Erkenntnisse wollte Krentel in der neuen Heimat trotzdem in der Praxis testen. Die Kinderstadt „Dessopolis“ sollte eine erste Plattform dafür bieten. Zusammen mit Wolf, die schon vor langer Zeit der privaten Liebe und der Liebe zum Bauhaus wegen von Ostwestfalen nach Dessau zog, testete Krentel im August in Dessopolis das Mitmachmuseum.

Im Rahmen eines sozialwissenschaftlichen Forschungsprojektes entwarf der Ethnologe Friedolin Krentel das Konzept eines Mitmachmuseums, in dem Kunstwerke und Exponate nicht nur angeschaut werden können, sondern in einem kreativen Prozess entstehen.

Erfolgreich getestet wurde das Projekt im August 2015 in der Kinderstadt „Dessopolis“. Als mobiles Angebot soll das Mitmachmuseum in Form von Workshops unter dem Motto „mach mit - denke wild!“ alle Generationen ansprechen. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt der beiden freien Dessauer Künstler Friedolin Krentel und Anja Wolf.

Weitere Informationen sind auch auf der Homepage unter www.mimamu.info erhältlich.

Rund eine Woche lang leiteten sie den Nachwuchs an, ein eigenes Freiluftmuseum aufzubauen. Mit Hölzern, Federn, Steinen und anderen Materialien wurden ein Tyrannosaurus Rex, ein „außerirdischer Skorpion“ und andere Fantasiewesen geschaffen. Tag für Tag entstanden die Exponate. „Das war ein wichtiges Gemeinschaftserlebnis für die Kinder“, weiß Wolf. Spielerisch erschlossen sich die Jüngsten ihre Welt des Museums in der Kinderstadt.

Mitmachmuseum soll an einen festen Ort

In einem kleinen Atelier in der Wilhelm-Müller-Straße, das ihnen temporär überlassen wurde, arbeiten Wolf und Krentel derzeit zusammen. Langfristig wollen die beiden Künstler ihr Mitmachmuseum, wenn es ein überzeugendes Finanzierungskonzept gibt, am liebsten auch an einem festen Ort in einem Laden im Dessauer Zentrum etablieren. Zu bestimmten Öffnungszeiten könnte dann jeder das Mitmachmuseum besuchen und sich an der Schaffung von Kunstwerken beteiligen. Ganz im Gegensatz zu Exponaten in konventionellen Museen wären die hier geschaffenen Werke ständigen Neuinterpretationen unterworfen und nie das fertige Stück eines Einzelnen. Der Besucher könnte auch selbst immer gleichzeitig ein Künstler sein. Dessau als ein Hort kollektiv kreativer Dynamik. Das gefiele ihnen auch viel besser als die derzeitige resignative Grundstimmung, die sie oft wahrnähmen. (mz)