Leben

Der denglische Patient Happy Crimbo!

Jubel, Trubel, Weihnachtszeit! Diese beiden hier sind am hellichtem Tage eindeutig merry - also angetüdelt, aber in a good way.

Jubel, Trubel, Weihnachtszeit! Diese beiden hier sind am hellichtem Tage eindeutig merry - also angetüdelt, aber in a good way.

(Foto: imago/Westend61)

Weihnachten auf Englisch ist nicht jedermanns Sache - schon weil wir oft gar nicht verstehen, was Santa Claus sagen will. Wissen Sie, was sein "Grotto" ist? Wie man "Secret Santa" spielt? Ob früher wirklich mehr "tinsel" war? Oder wie man lässig "Frohe Weihnachten" wünscht?

Kennen Sie das beliebteste Gesellschaftsspiel in der englischsprachigen Welt? Es ist das Weihnachtskartenschreiben - jedenfalls in der, nüchtern deutsch formuliert, Jahresendzeit. Ihre Entsprechung lautet nüchtern englisch formuliert festive season. Schließlich weiß man heute nie, wer wie Weihnachten feiert. Kein Mensch soll sich mehr christlich überrumpelt fühlen.

Was nun die Karten betrifft, verblüffen - wie immer - die stilistischen Unterschiede zwischen US-Amerikanern und Briten. In den USA schreibt man gerne lang und ich-bezogen, um mit prosaischer Anwandlung das zurückliegende Jahr als persönliche Heldengeschichte nachzuerzählen.

Karten aus England sind hingegen oft kurz und kommen ohne "Ich" aus. King Charles - formerly known as Prince - verschickt seit Jahrzehnten den knappen Satz: "Wishing you a Happy Christmas and New Year". Selbstverständlich will er "Happy New Year" sagen. Sein radikal verkürzter Stil wirkt merkwürdig, geradezu ironisch! Mit Sicherheit hat er sich einschließlich des letzten Jahres nichts sehnlicher gewünscht, als selbst das nächste Jahr zu erleben, um noch König werden.

Happy Merriment - was soll das denn sein?

War früher wirklich mehr Lametta?

War früher wirklich mehr Lametta?

(Foto: imago/teutopress)

Wem es zu langweilig ist, immer Christmas zu schreiben - übrigens immer mit großem C, so wie auch God oder das halbgöttliche I -, hat im Englischen einige Varianten mehr als im Deutschen. Neben der gängigen Abkürzung X-Mas ist auch altmodisch getragen von Yuletide die Sprache. Auch lässt sich das heilige Fest auf Crimbo verkürzen, einen britischen Slang. Man wünscht dann Happy Crimbo!, selbst wenn es wie limbo klingt: die Zwischenhölle - die passend wirkt angesichts des Konsumrauschs, in den die Menschen vor Weihnachten verfallen.

Von vielen lakonischen Season's greetings, die ich jedes Jahr aus Großbritannien erhalte, stach einmal die Version meiner lieben Kollegin Brit aus London hervor: "Wishing you all much joy and merriment over Christmas and a good start to the New Year!" Merriment war mir nie zuvor in einer Weihnachtskarte gewünscht worden!

Laut Oxford English Dictionary hat merriment die Bedeutung von gaiety and fun, also Fröhlichkeit und Freude, bis hin zu Ausgelassenheit und ordentlich Remmidemmi. Seitdem Brit das geschrieben hat, kenne ich keinen besseren englischen Begriff mehr, um die heiteren Anstrengungen auf den Punkt zu bringen, die wir uns am Ende jedes Jahres zumuten! Googeln Sie mal "Christmas depression and stress relief tips" - und Sie werden sehen, wie groß das Betätigungsfeld alleine für englischsprachige Ratgeber, Seelsorger und Nervenärzte ist.

Kris Kringle ist unser Christkind

Wenn ich alleine an den Sack voll Späße denke, den sich die Leute im großen Wichtelfieber herumreichen, um sich schon vor Weihnachten gegenseitig mit kleinen Geschenken näherzukommen - oder zu ärgern. Im Englischen hat das nichts mit Zwergen zu tun wie im Deutschen. Falls Sie im nächsten Jahr mit Ihren englischsprachigen Kolleginnen und Kollegen wichteln wollen und mit Beschreibungen wie "Christmas dwarfing" nicht weiterkommen, sagen Sie: "Let's play Secret Santa!" Das Ganze ist gewissermaßen eine heimliche Aktion des Weihnachtsmanns, der bekanntlich als "Heiliger Klaus" durchgeht: Santa Claus. Dabei ist er bloß der größte Scheinheilige, denn ich kenne!

Wissen sollte man auch, dass der rot-weiß gekleidete Weihnachtsmann nicht von Coca-Cola erfunden wurde, wie seit einer Werbekampagne des Konzerns im Jahr 1931 immer wieder behauptet wird. Vielmehr ist er ein europäischer Re-Import, der seinen Ursprung im Heiligen Sankt Nikolaus hatte und in Europa verschiedene Gestalten angenommen hat, bevor er zu einer Art Superman für Weihnachten wurde.

Auch er tritt in einigen Varianten auf: im Vereinigten Königreich als Father Christmas. In den USA als Kris Kringle – was eine sprachliche Umdeutung des deutschen Christkinds ist. Eine Behausung, die dem deutschen Weihnachtsmann bisher weitestgehend erspart geblieben ist, ist das sogenannte grotto in britischen oder amerikanischen Kaufhäusern.

Der unweihnachtliche Tannenbaum von Iowa

In Berlin am 21. Dezember 2022 - Klimaaktivisten vor dem Brandenburger Tor.

In Berlin am 21. Dezember 2022 - Klimaaktivisten vor dem Brandenburger Tor.

(Foto: dpa)

Auch der Weihnachtsbaum stammt aus unseren Breiten. Vermutlich würde er heute weder das Weiße Haus in Washington noch den Buckingham-Palast in London schmücken, wenn nicht unzählige Auswanderer auch in der neuen Welt Wert auf eine geschmückte Tanne gelegt hätten. Dazu zählte auch Prinz Albert, der deutsche Mann von Königin Victoria, der vor ungefähr 160 Jahren den Christbaum für die britische Bevölkerung auf die Insel brachte. Zugleich kann der Tannenbaum bis heute für große deutsch-englische Sprachverwirrung sorgen. Etwa wenn Briten und Amerikaner glauben, das deutsche Wort "Tannenbaum" sei gleichbedeutend mit "Weihnachtsbaum", bloß weil "Oh Tannenbaum" auch zum Standardrepertoire englischsprachiger Weihnachtslieder zählt. Wir wiederum sind fest davon überzeugt, ein "Evergreen" sei ein altbekanntes Lied, obwohl es im Englisch bloß ein Tannenbaum ist - a fir tree is an evergreen (tree). Ein altbekanntes Lied ist auf Englisch hingegen ist a popular song oder zu Weihnachten ganz einfach a Christmas carol, kurz: carol. Was die Sache mit dem Lied "Oh Tannenbaum" darüber hinaus kompliziert macht, ist die offizielle Hymne - anthem - des US-Bundesstaats Iowa. Hören Sie mal!

Was bedeuten wreath, tinsel and poinsettia?

Falls Sie auf die Schnelle nach Übersetzungen weiterer typischer Weihnachtswörter suchen, will ich Sie Ihnen sehr gerne schenken:

- Da sind zunächst die "Weihnachtsgeschenke": Christmas presents oder Christmas gifts. Falls Sie sich über gift wundern, was bei uns die Bedeutung von poison hat: Das altgermanische Wort gift taucht bei uns noch mit der Bedeutung "Geschenk" in der altmodischen "Mitgift" auf.

- Süßigkeiten: US kids want candies, UK children want sweets.

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- Kekse und Gebäck: Obwohl unser Wort dank Hermann Bahlsen vom englischen Cake(s) abstammt, sagt man in den USA Christmas cookies und im Vereinigten Königreich Christmas biscuits. Hinzu kommen Spezialitäten wie ginger bread - eine Art Lebkuchen - oder mince pie.

- Lametta, selbst wenn es niemand mehr benutzt: tinsel.

- Lichterkette: fairy lights.

- Weihnachtskranz: Christmas wreath, gesprochen: [rieß]

- Weihnachtsstern: poinsettia.

- Wohlige Wärme und Glück: a warm glow and happiness.

- Und eine Menge Zauber und Kitsch: a good deal of magic and kitsch.

Weihnachtlicher Alkoholrausch am Vormittag

Zum Schluss möchte ich auf einen irren Weihnachtsbrauch der Briten zu sprechen kommen, für den ich keine bessere Bezeichnung finden kann als "Weihnachtsbauch". Man trägt ihn vor sich her - und er ist auch längst bei uns angekommen. Die Rede ist von den sogenannten Christmas Jumpers: Pullover, die aussehen wie Brustpanzer, die aus bestrickten Bettvorlegern geschneidert sind, um Angreifer kraft ihrer Motive abzuschrecken. Man kann sie einfach nicht übersehen!

Mal wird Jesus irgendwie veralbert, mit Luftballons, Biergläsern und Beschriftungen wie Birthday boy, mal der Weihnachtsmann, der zum Beispiel "Ho ho ho!" ruft und seinen Mantel offen hat, die Beine nackt und vor dem Gemächt das Schild "censored". Es ist unklar, was solche Darstellungen sagen sollen. Vielleicht reicht es, sie als Beleg für die Unterschiede zu betrachten, die es auch nach mindestens zwei Jahrhunderten noch gibt: Feiern wir, wie übrigens auch die englische Königsfamilie, den "Heiligen Abend" - the Holy Eve(ning) -, beginnt Weihnachten im englischsprachigen Raum traditionell am 25. Dezember - Christmas Day. Dieser Brauch bringt zwangsläufig mit sich, dass man dort schon morgens Alkohol trinkt und gegen Mittag nicht selten ziemlich angetüdelt ist - also merry.

In diesem Sinne: Merry Christmas!

Quelle: ntv.de

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