Panorama

Homo-Ehe in Argentinien Nur eine Mutter erziehungsberechtigt

Andrea Majul (l) und Silvina Maddaleno mit ihren Kindern Jazmin, Santiago und Abril kurz nach der standesamtlichen Trauung des lesbischen Paares am 18. Oktober 2010 in Buenos Aires.

Andrea Majul (l) und Silvina Maddaleno mit ihren Kindern Jazmin, Santiago und Abril kurz nach der standesamtlichen Trauung des lesbischen Paares am 18. Oktober 2010 in Buenos Aires.

(Foto: dpa)

Seit gut einem halben Jahr ist die Homo-Ehe in Argentinien zulässig. Über 1300 Paare haben seitdem geheiratet. Für Andrea Majul und Silvina Maddaleno ergibt sich dadurch ein neues Problem: Ihre Drillinge werden nur als Kinder einer Mutter akzeptiert.

Oktober 1992: Der Regen wäscht den Winter aus den Straßen der argentinischen Hauptstadt. Andrea gibt einen Kurs für Radio-Moderatoren, Silvina ist ihre Schülerin. "Fang bloß nichts mit einer Schülerin an", ermahnt sich Andrea und tut es doch. Andrea Majul und Silvina Maddaleno werden ein Paar. Eine ganz normale Liebesgeschichte.

15 Jahre später: Die dritte künstliche Befruchtung war erfolgreich. Endlich. Acht Wochen später fährt Schmerz durch Silvinas Unterleib. Ein Abgang, fürchten die Frauen und rasen ins Krankenhaus. Der Arzt entwarnt: Die Einnistung der Eier habe die Blutung hervorgerufen. "Sie bekommen Drillinge. Herzlichen Glückwunsch!"

Moderne Familie etablieren

"Das war, als hätten wir eine Reise in die Karibik gebucht und wären am Nordpol gelandet", erinnert sich die 37-jährige Silvina und lacht. Ihre Freunde und die Familie hätten sich gefreut. Die Nachbarn wunderten sich zwar, warum da zwei Frauen zusammenleben und obendrein eine schwanger wird. Aber spätestens, als am Muttertag in der argentinischen Tageszeitung "Clarín" ein großer Bericht über die Familie erschien, war alles klar.

"Wir wollten zeigen, dass andere Familienmodelle die selbe Existenzberechtigung haben wie das traditionelle" sagt Andrea, 42 Jahre alt. Vater, Mutter, Kind - das sei in Argentinien schon längst ein Auslaufmodell, überholt von Alleinerziehenden, Patchwork-Familien und Familien wie Andreas.

Frühgeburt, aber alles geht gut

27. Schwangerschaftswoche: Wehen, viel zu früh. Zurück im Krankenhaus fragt die Schwester am Empfangsschalter nach den Daten: Name, Mutter, Vater - das Standardprogramm. "Es gibt keinen Vater, wir sind zwei Mütter", antwortet Andrea. Das könne ja nicht gut gehen, murmelt die Schwester. Wer sie denn aufgezogen habe, will Andrea wissen. Eine Tante. "Na und bei Ihnen ist es doch auch gut gegangen, oder?" Jetzt sagt die Schwester nichts mehr.

Per Kaiserschnitt werden Santiago, Abril und Jazmín am 8. August 2007 auf die Welt geholt. Die drei sind winzig. Drei Monate wachen die Eltern am Brutkasten. Anfangs dürfen sie ihre Kinder nicht einmal berühren. Die drei schaffen es "und wir haben seither keine Zeit mehr, durchzuatmen", sagt Andrea. Feste Rollen gibt es in der Familie nicht. Andrea kann besser kochen, Silvina besser Zöpfe flechten. Das Geld verdienen beide. Eine moderne Familie.

Nur eine Mutter erziehungsberechtigt

Jazmín tanzt auf dem Sofa, ihre Kinderhände grapschen Andrea ins Gesicht. "Mamú, ich hab' deine Nase", ruft sie und reckt ihren Daumen in die Höhe. Mamú, das ist Andrea, Mami heißt Silvina. Auf das normale "Mama" hören beide. Aber obwohl Andrea für die Kinder genauso Mama ist wie Silvina, obwohl auch sie Gutenachtgeschichten erzählt, Leibgerichte kocht und aufgeschlagene Knie pustet - als Erziehungsberechtigte erkennt der Staat sie nicht an.

Im Juli vergangenen Jahres machte Argentinien einen großen Schritt Richtung Gleichberechtigung gleichgeschlechtlicher Paare: Das Land führte die Homoehe ein. Nach Auskunft des argentinischen Verbands für Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle (FALGBT) haben im ersten halben Jahr nach der Einführung über 1300 Paare geheiratet. 30 Prozent davon waren Lesben, darunter auch Andrea und Silvina, die sich am 18. Oktober, ihrem 18. Jahrestag, das Jawort gaben. "Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, nach so vielen Jahren endlich vom Staat anerkannt zu werden, die gleichen Rechte wie jedes andere Liebespaar zu erhalten", sagt Silvina.

Neues Gesetz gilt nicht rückwirkend

Weniger euphorisch begrüßte der Abgeordnete Alfredo Olmedo die Einführung der Homo-Ehe. Besonders unzufrieden ist er mit der Situation der Kinder. "Eine Ehe besteht aus Mutter und Vater", sagt Olmedo. Es gebe kein Kind, das zwei Mütter oder Väter habe. Das Gesetz widerspricht ihm. Im Falle einer Schwangerschaft ist nun auch die nicht-biologische Mutter erziehungsberechtigt.

Da das aber nicht rückwirkend gilt, bleibt auf dem Papier Silvina Maddaleno alleinerziehend und Andrea Majul ein Niemand. Sollte Silvina sterben, verlören die Kinder nicht nur eine Mutter, sondern zwei. "Ich müsste meine eigenen Kinder adoptieren", sagt Andrea. Über 300 Paare stecken in der gleichen rechtlichen Lücke fest. Das hat die Organisation "Lesmadres" herausgefunden und gemeinsam mit anderen Institutionen eine administrative Lösung entworfen, die nun vom Innenministerium geprüft wird.

Martín Canevaro von der Organisation 100 % Diversidad y Derechos rechnet damit, dass der Erlass in den nächsten Monaten erscheinen wird. "Für unsere Gemeinschaft wäre das nach der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe die größte rechtliche Errungenschaft."

Quelle: ntv.de, Lisa Maria Hagen, dpa

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