Politik

Rückzug aus Awdijiwka Ukrainische Soldaten verschanzen sich in Industrieanlage

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Ein ukrainischer Soldat feuert eine Panzerfaust auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Awdijiwka in der Region Donezk ab.

Ein ukrainischer Soldat feuert eine Panzerfaust auf russische Stellungen an der Frontlinie in der Nähe von Awdijiwka in der Region Donezk ab.

(Foto: dpa)

Der Fall der ostukrainischen Stadt Awdijiwka ist Russlands größter militärischer Erfolg seit Mai 2023. Nach monatelangen Kämpfen haben sich ukrainische Truppen zurückgezogen. Die Ukraine muss sich am Wochenende zudem erneut gegen russische Luftangriffe verteidigen.

Die Ukraine muss im Verteidigungskampf gegen Russland einen Rückschlag hinnehmen. Russische Truppen übernahmen nach eigenen Angaben die volle Kontrolle über die ostukrainische Stadt Awdijiwka. Allerdings hätten sich ukrainische Soldaten dort noch in einer Industrieanlage verschanzt.

Ukrainische Truppen zogen sich nach eigener Darstellung von Samstag aus der Stadt zurück. "Angesichts der operativen Lage um Awdijiwka habe ich beschlossen, unsere Einheiten aus der Stadt abzuziehen und auf günstigeren Linien in die Verteidigung zu gehen, um eine Einkreisung zu vermeiden und das Leben und die Gesundheit der Soldaten zu schützen", schrieb der neue ukrainische Oberbefehlshaber Olexander Syrskyj auf den Plattformen X und Facebook - auf Ukrainisch wie auf Englisch.

Der Fall Awdijiwkas ist Russlands größter militärischer Erfolg seit Mai 2023, als die Invasionstruppen die ukrainische Stadt Bachmut erobert hatte. Die Nachricht kommt kurz vor dem zweiten Jahrestag des russischen Überfalls auf das Nachbarland am 24. Februar 2022. Russland Präsident Wladimir Putin, der sich bei einer Wahl Mitte März im Amt bestätigen lassen will, gratulierte dem Militär und sprach von einem "wichtigen Sieg". Russische Nachrichtenagenturen meldeten unter Berufung auf das Verteidigungsministerium in Moskau, die Truppen seien an der Front bei Awdijiwka rund neun Kilometer vorgerückt.

Ein ukrainischer Militärsprecher sagte im Fernsehen, die Lage habe sich "einigermaßen stabilisiert". Die eigenen Verluste seien "angesichts der Umstände minimal". In den vergangenen Wochen hatte die Regierung in Kiew mehrfach auf Munitionsmangel hingewiesen. Sowohl Amerikaner als auch Europäer bemühen sich, das Land vor allem mit Artilleriemunition zu versorgen. Mehrere Militärexperten betonten auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass auch Russland Versorgungsprobleme habe und deshalb nur noch punktuell an der 1300 Kilometer langen Frontlinie angreifen könne, wo sich zunehmend ein Stellungskrieg entwickelt hat.

Militärs bezeichnen erbitterte Kämpfe als "Fleischwolf"

In den vergangenen Tagen war die Lage der ukrainischen Verteidiger dort immer schwieriger geworden, eine Einkesselung drohte. Die erbitterten Kämpfe um die Stadt, die in Ruinen liegt, wurden von Militärs beider Seiten als "Fleischwolf" bezeichnet. Beobachtern zufolge überwältigte am Ende Russlands überlegene Feuer- und Personalstärke die ukrainischen Streitkräfte.

Laut den Analysten der US-Denkfabrik ISW sollen die russischen Streitkräfte bei Awdijiwka vorübergehend eine örtlich begrenzte Luftüberlegenheit erlangt haben. So seien sie in der Lage gewesen, die Bodentruppen in den letzten Tagen ihrer Offensive zur Einnahme von Awdijiwka aus der Luft zu unterstützen, hieß es in dem ISW-Tagesbericht vom Samstag. Das ISW zitierte einen ukrainischen Militär, demzufolge alleine in den 24 Stunden vor dem Abzug 60 Gleitbomben auf ukrainische Stellungen in Awdijiwka abgeworfen worden seien.

Die russischen Streitkräfte hätten den Einsatz von Gleitbomben im gesamten Frontgebiet seit Anfang 2023 schrittweise verstärkt, hieß es von den ISW-Experten weiter. Der jüngste Masseneinsatz von Gleitbomben in Awdijiwka sei das erste Mal, dass die russische Luftwaffe diese Bomben in großem Umfang einsetze, um vorrückende Infanterietruppen aus nächster Nähe aus der Luft zu unterstützen.

Kämpfe auch an Front im Süden der Ukraine

Russland hatte seit Monaten versucht, Awdijiwka einzunehmen. Die Stadt, die vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine rund 33.000 Einwohnerinnen und Einwohner zählte, liegt in der ostukrainischen Region Donezk. Diese ist eine von insgesamt vier Regionen, die der Kreml 2022 für annektiert erklärt hatte.

Kämpfe gab es am Wochenende auch an der Front im Süden der Ukraine. Dort habe man am Samstag in der Region Saporischschja drei russische Panzer und 15 weitere gepanzerte Fahrzeuge zerstört und das Vorrücken russischer Truppen abgewehrt, teilte das ukrainische Militär mit. Die russischen Truppen hätten sich daraufhin "auf ihre früheren Stellungen zurückgezogen". Russland äußerte sich zunächst nicht dazu. Die Region Saporischschja war im vergangenen Sommer Schwerpunkt einer ukrainischen Gegenoffensive. Dabei konnte die Ukraine allerdings keine nennenswerten Durchbrüche erzielen und nur wenige Ortschaften zurückerobern.

Die Ukraine musste sich am Wochenende zudem erneut gegen russische Luftangriffe verteidigen. In der Nacht wurde dabei nach ukrainischen Angaben ein russischer Jagdbomber des Typs SU-34 abgeschossen. Zudem habe die Luftabwehr zwölf russische Angriffsdrohnen sowie einen Marschflugkörper vom Typ Kh-59 zerstört. Erst am Samstag hatte das ukrainische Militär den Abschuss von drei russischen Kampfflugzeugen vermeldet.

Auf der Sicherheitskonferenz sagten Politiker aus den USA und Europa der Ukraine weitere Unterstützung zu. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba traf sich am Rande der Konferenz zudem mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Yi. Dabei habe er auch über den Vorstoß der Ukraine für einen globalen Friedensgipfel gesprochen, bei dem die Schweiz ihre Unterstützung zugesagt habe, teilte Kuleba auf der Plattform X mit. Beide Minister seien sich einig gewesen, dass die Kontakte zwischen der Ukraine und China auf allen Ebenen aufrechterhalten und der Dialog fortgesetzt werden müsse.

Die Ukraine, die EU und die USA haben China wiederholt aufgefordert, seinen Einfluss auf Russland zu nutzen, um den Ukraine-Krieg zu beenden. Chinesische Teilnehmer hatten mehrfach an den von der Ukraine organisierten internationalen Treffen teilgenommen, waren allerdings nach Angaben von EU-Diplomaten beim letzten Zusammentreffen nicht dabei.

Quelle: ntv.de, jki/rts/dpa

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