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SPD gegen von der Leyen Dämlicher geht es kaum

Ursula von der Leyen könnte neue Kommissionspräsidentin der EU werden. Doch die Widerstände im EU-Parlament sind groß.

Ursula von der Leyen könnte neue Kommissionspräsidentin der EU werden. Doch die Widerstände im EU-Parlament sind groß.

(Foto: dpa)

Die SPD will von der Leyen an der EU-Spitze verhindern. Die erste Deutsche seit 1967, die erste Frau an der EU-Spitze überhaupt. Ein nationaler Wahlkampfschlager wird das mit Sicherheit nicht. Im Gegenteil.

Was die deutschen Sozialdemokraten gerade veranstalten, zeugt von herausragender politischer Inkompetenz. Erst jubeln sie, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans unterstützt. Dann lehnen sie Ursula von der Leyen ab und ziehen sich beleidigt zurück. 27 sehr unterschiedliche EU-Staaten haben für die Verteidigungsministerin votiert. Nur Deutschland musste sich enthalten, weil die SPD die Deutsche nicht zur EU-Chefin machen will. Wie bitte? Und nun steht die SPD wieder einmal da, vollkommen ratlos, weiß nicht, was sie eigentlich sagen und machen soll, spürt aber: Sie wird auf jeden Fall als Verliererin vom Platz gehen. Wie immer.

Der Fall zeigt, dass die SPD ihr inneres Zentrum und jedes Gespür für die politische Lage und die Frage nach politischer Verantwortung verloren hat. Denn eigentlich gibt es für die Sozialdemokraten nur eine mögliche Haltung in dieser Frage: Applaus für Angela Merkel und offensive Zustimmung zur Personalie von der Leyen.

Schließlich erzielte die SPD bei der Europawahl nur schlappe 15,8 Prozent. CDU und CSU kamen zusammen auf immerhin 28,9 Prozent. Hat die SPD, der das Spitzenkandidaten-Modell angeblich so wichtig ist, sich im nun beginnenden Konflikt für den CSU-Politiker und konservativen Spitzenkandidaten Manfred Weber ausgesprochen? Nein. Dennoch aber hat Angela Merkel, als klar wurde, dass Weber gegen Emmanuel Macron nicht durchzubringen ist, Timmermans unterstützt. Eben weil Merkel, obwohl sie selbst kein ausgeprägter Fan des Spitzenkandidaten-Modells ist, das dem Wähler versprochene Verfahren verteidigte.

Mit Hinterzimmer hat das nichts zu tun

Doch die schwierigen Regierungschefs aus dem Osten haben durch hartnäckige bis arrogante Ablehnung Timmermans als EU-Chef verhindert. Nun poltert die SPD mit dem Vorwurf des Einknickens vor Osteuropa. Natürlich ist das nicht schön. Aber wäre es klug gewesen zu versuchen, einen Kandidaten gegen die Osteuropäer durchzusetzen? Sicher nicht. Ist es Hinterzimmer-Diplomatie, wenn in Verhandlungen Lösungen ausgelotet und tragfähige Kompromisse erzielt werden? Nein, das ist Alltag in der Politik.

Das Gerede vom Hinterzimmer und Postenschacher ist ohnehin Unsinn. Es beschädigt die Institutionen, nicht nur die der EU. Zumal selten eine Personalie so offen, in so vielen Runden, mit so vielen Namen und so nachvollziehbar für das interessierte Publikum ausverhandelt wurde.

Und sicher ist dieses Spitzenkandidaten-Verfahren der richtige Schritt, ist es gut, die EU zu personalisieren, greifbarer zu machen. Von Anfang an war aber klar, dass viele Regierungen diesem Prinzip nicht mit besonderer Leidenschaft begegnen. Wären als Spitzenkandidaten angetreten, sagen wir ein spanischer Sozialist und ein polnischer Konservativer, deren Namen wir nicht mal aussprechen können, wären hierzulande dann auch alle so vehement für die Spitzenkandidaten eingetreten? Natürlich nicht.

Deshalb wäre es schlau von der SPD, anzuerkennen, dass Angela Merkel vielleicht ihren letzten großen Coup gelandet hat:

  • Angela Merkel hat Einigkeit hergestellt. Zwischen allen 28 EU-Staaten.
  • Künftig steht, wenn es gut geht, eine Deutsche an der EU-Spitze. Wie konnte es eigentlich passieren, dass die sich oft gegängelt fühlenden Südländer, die flüchtlingskritischen Osteuropäer und der Franzose Macron alle eine Deutsche an der Spitze sehen wollten? Und dass Merkel es auch noch geschafft hat, dass alle die Urheberschaft dieser tollen Idee für sich beanspruchen? Genial.
  • Mit von der Leyen stünde erstmals eine Frau an der Spitze der EU. Und zwar ganz selbstverständlich. Mit Christine Lagarde wäre das starke Frauen-Duo perfekt.
  • Von der Leyen kann das. Die in Brüssel geborene Ärztin ist eine überzeugte Europäerin, setzt sich seit Langem für eine europäische Verteidigungsunion ein, ist sehr gut mit Washington verdrahtet, spricht fließend Englisch und Französisch, hat in 14 Jahren als Kabinettsmitglied Loyalität, Beharrungsvermögen und Durchsetzungsstärke bewiesen. Und wer sieben Kinder großgezogen hat, der kommt auch mit 27 oder 28 EU-Staaten klar.
  • Von der Leyen stößt auf eine breite Zustimmung. 47 Prozent der Deutschen haben in einer Forsa-Blitzumfrage im Auftrag von n-tv erklärt, von der Leyen sei gut geeignet für den Posten. Welche SPD-Politikerin oder welcher SPD-Politiker würde solche Zustimmungswerte erhalten?

Im Sinne des europäischen Kompromisses wäre die durch und durch liberale und pro-europäische CDU-Politikerin auch aus Sicht der SPD eine exzellente Wahl. Hätte die SPD noch einen funktionierenden Kompass, dann wäre ihr all das klar. Den hat sie jedoch irgendwann in den letzten Jahren verloren. Ob sie ihn je wiederfindet und wieder zu einer relevanten politischen Kraft wird? Derzeit sieht es nicht so aus.

Quelle: ntv.de

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