Ratgeber

Recht verständlich Chef ausgelacht - Kündigung?

Auch respektloses Verhalten kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

Auch respektloses Verhalten kann eine fristlose Kündigung rechtfertigen.

(Foto: imago images/Design Pics)

Ein Mitarbeiter und Betriebsratsmitglied, bereits wegen respektlosen Verhaltens abgemahnt, geht seinen Vorgesetzten vor anderen Mitarbeitern laut und unverschämt an, stellt dessen Fachkompetenz infrage und lacht provokant. Der Arbeitgeber will fristlos kündigen. Zu Recht?

Laut Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG, Az.: 7 TaBV 1479/19) kann eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein, wenn ein Mitarbeiter den Vorgesetzten in Gegenwart anderer Mitarbeiter anbrüllt, mit einem respektlosen Umgang lächerlich macht, seine Fachkompetenz anzweifelt und ihn auslacht. Hier retteten den Mitarbeiter nur die Gesamtumstände des Einzelfalls, die dem Gericht für eine fristlose Kündigung nicht reichten. So sei es dem Mitarbeiter bei der Auseinandersetzung zum Beispiel um Sicherheitsaspekte im Betrieb gegangen, die Äußerungen enthielten keine Beleidigungen und seien noch von der Meinungsfreiheit des Artikel 5 des Grundgesetztes abgedeckt.

Wie war der Fall?

Zwischen einem Arbeitnehmer eines metallverarbeitenden Unternehmens, Betriebsratsmitglied, und seinem Vorgesetzten kam es zu einem Streit. Nach Weigerung einer anderen Mitarbeiterin, eine Maschine zu starten, um Reinigungskräfte eines externen Dienstleisters nicht zu gefährden, wies der Vorgesetzte den Maschinenstart an und wollte die externe Firma informieren. Laut Arbeitgeber hat der Mitarbeiter daraufhin vor anderen Kollegen in aufbrausenden, lauten, respektlosen und unverschämten Ton zu seinem Chef gesagt: "Sergej, es geht gar nicht, dass du mit Frau Katrin G. so redest beziehungsweise umgehst und dass dir die Sicherheit der Mitarbeiter intern und extern als Sicherheitsverantwortlicher der Firma scheißegal ist. Ich stelle deine Fachkompetenz gegenüber den Kollegen hiermit infrage und werde mich darüber beschweren".

Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.

Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.

Dabei habe er dem Vorgesetzten ins Gesicht gelacht, später einen Ziehsteinhalter (Gewicht circa 50 Kilogramm) lautstark und aggressiv fallen lassen, woraufhin der Vorgesetzte ihn zur Rede stellte: "Frank, was machst du da? Wie gehst du mit dem Eigentum der Firma um? Das geht gar nicht!" Der Mitarbeiter habe dann grinsend beziehungsweise lachend geantwortet, "er sei ihm aus der Hand gerutscht". Die Arbeitgeberseite sprach daraufhin von Vorsatz, bewusster Provokation einschließlich Gefährdung von Gesundheit und Eigentum (Firmenboden) und beantragte beim Betriebsrat die bei Gremienmitgliedern erforderliche Zustimmung zu einer fristlosen Kündigung. Der Mitarbeiter war circa ein Jahr vorher bereits wegen "respektlosen Verhaltens gegenüber Vorgesetzten" sowie rund 9 Monate vorher "wegen Verstoßes gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht" abgemahnt worden. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung, der Arbeitgeber zog vor Gericht.

Das Urteil

Das LAG prüfte, ob ein Grund für eine fristlose Kündigung gegeben ist und stellte zunächst fest, dass auch respektloses Verhalten eine fristlose Kündigung rechtfertigen kann. Wenn ein Mitarbeiter den Vorgesetzten in Gegenwart anderer Mitarbeiter anbrüllt, mit einem respektlosen Umgang lächerlich macht, seine Fachkompetenz angezweifelt und ihn auslacht, könne es hier nicht mehr um die sachliche Kritik gehen, sondern die Herabwürdigung der Person des Vorgesetzten zum Ziel haben.

Die Grenze, ab wann der Bogen bei betrieblichen Auseinandersetzungen überspannt ist, ist sicherlich fließend, aber so weit darf der Arbeitnehmer nicht gehen. Ein "normaler" Streit ist klar erlaubt, strafbare Beleidigungen nicht. Respektloses Verhalten und Lächerlichmachen liegen dazwischen. Hier reichten dem Gericht die Einzelfallumstände für eine fristlose Kündigung nicht aus.

Dem Gericht fehlte es schon an ausreichendem Vortrag der Arbeitgeberseite. Formulierungen wie "schamlos" und "respektlos" reichen als subjektive Bewertungen nicht aus. Der Arbeitgeber hätte für die Richter, die nicht dabei waren, nachvollziehbar deutlich machen müssen, was konkret das Verhalten "schamlos" oder "respektlos" machte, woran man dies erkannte.

Laut LAG reicht der Vortrag, dass der Mitarbeiter "mutmaßlich" den Ziehsteinhalter absichtlich fallen gelassen haben soll, ohne weitere Tatsachen und Beweise nicht. Entlastendes Element für den Mitarbeiter seien der Anlass des Streits - es ging ihm um Sicherheitsaspekte - sowie die Tatsache, dass der reine Wortlaut der Äußerungen noch gerade so tolerabel und von Meinungsfreiheit des Grundgesetzes abgedeckt sei. Der Streit habe jedenfalls nicht ein Ausmaß erreicht, dass eine weitere Zusammenarbeit unmöglich wäre. Das LAG ließ im Hinblick auf die Abmahnungen offen, ob diese überhaupt konkret genug waren und nicht schon zu lange her, um noch Wirkung als Kündigungsvorstufe zu haben.

Rechtsanwältin Dr. Alexandra Henkel ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Wirtschaftsmediatorin und Business Coach.

Quelle: ntv.de

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