Wirtschaft

Inflation geht durch die Decke Aktiengewinne sind Schmerzensgeld

So richtig viel Freude macht der Aktienmarkt derzeit nicht.

So richtig viel Freude macht der Aktienmarkt derzeit nicht.

(Foto: REUTERS)

Rund acht Prozent beträgt die Geldentwertung momentan in der Eurozone. Genau so viel liefern Aktien eigentlich im Schnitt an Rendite. Klingt nach einem guten Ausgleich, doch gerade jetzt muss eine alte Weisheit herhalten.

Aktiengewinne sind Schmerzensgeld, so beschrieb es einst Börsenaltmeister Andre Kostolany. Erst kommen die Schmerzen, dann das Geld. Dies trifft in Inflationszeiten umso mehr zu. Denn auf den ersten Blick sind Aktien eigentlich die perfekte Lösung für Sparer, um der laufenden Geldentwertung zu entkommen. Mit der Beteiligung an Unternehmen investiert man ja in Sachwerte und profitiert von steigenden Preisen. Dagegen verlieren Bankguthaben bei hoher Inflation an Wert.

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Ärgerlicherweise geht es an den Aktienmärkten derzeit aber abwärts, während die Inflation hoch bleibt. "Sie wird sich so schnell nicht abschwächen. Durch den weitgehenden Ausfall der Getreidelieferungen durch die Ukraine und Russland werden die Lebensmittelpreise weiter anziehen und die Energiepreise als Preistreiber wahrscheinlich ablösen. Auch Zweitrundeneffekte bei den Löhnen sind absehbar", sagt Stefan Riße, Kapitalmarktstratege bei Acatis Investment

Damit sich Aktien für Anleger lohnen, muss die erzielte Rendite höher ausfallen als die Inflation. Ein ideales Umfeld für Aktien ist daher eine niedrige allgemeine Preissteigerung von zwei bis drei Prozent jährlich. Je nach Index konnten Anleger mittelfristig damit in der Vergangenheit eine reale Rendite von acht bis zwölf Prozent im Jahr erzielen.

Je höher die Inflation aber ist, umso geringer ist die Rendite. Das heißt: Mit Aktien sichern sich Anleger vor allem kurzfristig nicht gegen Inflationsrisiken ab. Aber auf längere Sicht haben die wichtigsten Börsen immer zugelegt, und die Inflation kehrte stets in den grünen Bereich zurück.

Die Zinswende ist da

Sprunghaft steigende Preise sind häufig das Ergebnis von überraschenden Entwicklungen. Die Lieferengpässe wegen der strikten Lockdown-Regeln in China sowie der Krieg in der Ukraine sind dafür gute Beispiele. Doch irgendwann werden die Ölpreise wieder fallen und die Lieferketten störungsfrei funktionieren. Wer also Aktiengewinne sehen will, braucht derzeit Geduld und muss Kursverluste aushalten.

Einkalkulieren muss man jedoch auch die von der US-Notenbank und der EZB eingeleitete Zinswende. Höhere Zinsen bedeuten, dass Aktien gegenüber anderen Anlageformen an Attraktivität verlieren. Und sie führen dazu, dass die Finanzierung für Unternehmen teurer wird, damit werden ihre Ertragsprognosen unsicherer.

Hinzu kommt: Künftige Gewinne von Unternehmen sind durch höhere Zinsen in der Gegenwart weniger Wert, weil die Gewinne stärker abgezinst werden. Das zeigt sich eindrucksvoll an den Verlusten von Tech-Aktien, die meist von langfristigen Wachstumsfantasien profitieren. Aktien wie Netflix, Delivery Hero, HelloFresh und Zalando haben seit Jahresbeginn sehr kräftig an Wert verloren.

Dennoch lohnt es sich, langfristig in Aktien zu investieren. Derzeit kann man eine gute Basis legen - etwa durch Qualitätstitel mit Dividendenzahlungen, die die Inflation abfedern.

Substanztitel werden beliebter

"Nur wenige Unternehmen sind immun gegen eine hohe Inflation und können steigende Preise weiterreichen", sagt Ricardo Evangelista, Senior Analyst bei ActivTrades. Starke Marken, solide Bilanzen, eine weltweit breite Kundenbasis, hohe Produktqualität, Flexibilität im Einkauf und Produktion sowie Größenvorteile seien Schlüsselfaktoren, die zu einer starken Preissetzungsmacht gegenüber Kunden und Lieferanten führten.

Im Vorteil sind auch Unternehmen, die hohe liquide Mittel generieren und somit wenige Probleme mit steigenden Refinanzierungskosten haben. "So kletterte der Pacer US Cash Cows 100 Index seit Jahresbeginn um neun Prozent, während der S&P 500 13 Prozent einbüßte", rechnet Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets vor. Enthalten in dem Index sind 100 Unternehmen, die die höchsten Free-Cashflow-Renditen erzielen.

Diese klassischen Substanztitel gelten in normalen Börsenzeiten als langweilig. Nun zählen sie aber zu den Favoriten, darunter Konsumgüterwerte wie Coca-Cola und McDonald's, Öl- und Rohstoffgiganten wie BHP und Exxon sowie Tabakkonzerne wie Philip Morris und British American Tobacco. Auch in Deutschland sind solche Firmen zu finden. Im Dax haben Deutsche Telekom und RWE seit Jahresbeginn kräftig zugelegt.

Benjamin Feingold betreibt das Börsenportal Feingold Research.

Dieser Beitrag stellt keinerlei Empfehlung zum Kauf oder Verkauf von Aktien oder anderer Finanzprodukte dar. Für die Richtigkeit der Daten wird keine Haftung übernommen.

Quelle: ntv.de

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