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Nach Knochenmarktransplantation Mäuse verlieren Zwangsverhalten

Die Mäuse, die sich so lange das Fell lecken, bis es ausfällt, leiden unter einem zwanghaften Verhalten. Dieses kann durch die Transplantation von Knochenmark abgestellt werden, erkennen Forscher aus den USA.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Die Transplantation von Knochenmark kann bei Mäusen zwanghaftes Verhalten beenden. Der Eingriff ersetzt fehlende Zellen, die dem Knochenmark entstammen, aber ins Gehirn wandern und dort an der Kontrolle des Verhalten beteiligt sind. Das berichtet das Team um den Nobelpreisträger Mario Capecchi von der University of Utah School of Medicine (Salt Lake City/US-Staat Utah) im Journal "Cell". Die Forscher schließen nicht aus, dass künftig auch beim Menschen Verhaltensstörungen auf diese Weise behoben werden könnten. Noch verbiete sich dies aufgrund der hohen Risiken aber.

Das zwanghafte Verhalten der Mäuse – sie putzen ihr Fell so lange, bis ihnen die Haare ausfallen und die darunterliegende Haut verletzt wird – geht auf das Fehlen eines Hoxb8 genannten Gens zurück. Hox-Gene spielen in der Embryonalentwicklung eine zentrale Rolle. Weshalb und wie sie scheinbar auch das Verhalten erwachsener Mäuse beeinflussen, war Forschern bisher unklar. Capecchis Team fand nun heraus, dass das Fehlen des Hoxb8-Gens zum Verlust bestimmter Mikroglia-Zellen im Gehirn führt.

Markknochen vom Rind. Knochemark ist das wichtigste blutbildende Organ im menschlichen Körper.

Markknochen vom Rind. Knochemark ist das wichtigste blutbildende Organ im menschlichen Körper.

(Foto: wikipedia)

Mikroglia-Zellen werden zum Teil aus Stammzellen des blutbildenden Systems im Knochenmark gebildet. Sie wandern von dort ins Gehirn, wo sie Krankheitserreger oder krankmachende Substanzen erkennen und beseitigen. Damit sind sie ein zentraler Bestandteil der Immunabwehr im Gehirn. Die Experimente zeigten, dass Mäusen, die unter zwanghaften Verhaltensweisen litten, Hoxb8-Mikroglia-Zellen fehlten. Die Transplantation behob den Mangel.

Kontrolle von Wiederholungshandlungen

Wie die Zellen das Verhalten beeinflussen, ist noch unklar. Möglicherweise schütten sie Botenstoffe aus, die die Aktivität der Nervenzellen verändern. Räumlich fanden die Forscher viele Mikroglia-Zellen in den Bereichen des Gehirns, die an der Kontrolle von Wiederholungshandlungen beteiligt sind. Aus evolutionsbiologischer Sicht habe es durchaus Sinn, dass ein Verhalten wie die Fellpflege mit dem Immunsystem gekoppelt sei, schreiben die Forscher. Zweck der Fellpflege sei es schließlich, die Zahl krankmachender Keime zu reduzieren, während das Immunsystem solche Keime vernichte.

Die Verhaltensstörung der Mäuse ähnele einer Zwangserkrankung des Menschen, genannt Trichotillomania. Die Betroffenen reißen sich die eigenen Haare aus. Auch beim Menschen wurden Zwangserkrankungen und andere neuropsychiatrische Erkrankungen wie Autismus, Schizophrenie, Alzheimer oder Depressionen schon mit Störungen der Immunabwehr in Verbindung gebracht. Unklar ist dabei bisher, ob die immunologischen Störungen Ursache oder Folge der psychiatrischen Erkrankung sind.

Quelle: ntv.de, dpa

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