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Schützt Omikron-Vakzin vor BA.5? Warum die Impfstoffe dem Virus hinterherhinken

Der Omikron-Impfstoff soll kommen - aber möglicherweise zu spät.

Der Omikron-Impfstoff soll kommen - aber möglicherweise zu spät.

(Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild)

Moderna meldet erste Erfolge beim spezifischen Impfstoff gegen die Omikron-Variante. Doch die rasante Ausbreitung des Subtyps BA.5 trübt die vielversprechenden Aussichten. Denn wie es scheint, wird das angepasste Vakzin eine BA.5-Welle nicht aufhalten können.

Die Omikron-Untervariante BA.5 breitet sich in Deutschland weiter aus. Das Robert-Koch-Institut (RKI) beziffert ihren Anteil inzwischen auf zehn Prozent. Aber: Die Zahl bezieht sich auf die vorletzte Woche. Wenn sich die Verdopplung der vergangenen Wochen fortgesetzt hat, dürften es aktuell sogar um die 40 Prozent sein. Experten gehen davon aus, dass BA.5 wie schon in Portugal auch hierzulande die bisherigen Virustypen in kürzester Zeit verdrängen wird. Somit sei mit "einem Anstieg der Infektionszahlen und einem erneut verstärkten Infektionsdruck auf vulnerable Personengruppen" zu rechnen - und das bereits im Sommer, warnt das RKI.

Hoffnungsvolle Nachrichten kommen derweil aus der Pharma-Branche: Das US-Unternehmen Moderna berichtete zuletzt, mit einer Mischung aus einem alten und einem upgedateten Impfstoff eine verbesserte Immunantwort gegen Omikron hinzubekommen. Und auch Biontech entwickelt derzeit ein auf Omikron angepasstes Vakzin. Das Problem ist dabei, dass diese voraussichtlich erst im Herbst auf den Markt kommen und in erster Linie auf alte Omikron-Typen, wie die derzeit in Deutschland noch dominante Variante BA.2, angepasst sind.

BA.5 weist im Erbgut eine Mutation auf, die es bei BA.1 und BA.2 noch nicht gab: L452R. An der Position 452 des Spike-Proteins ist ein Aminosäure-Baustein gegen einen anderen ausgetauscht. Offenbar erhöht diese Mutation die Übertragbarkeit des Virus. Eine andere Mutation, F486V, dürfte zudem dafür verantwortlich sein, dass BA.5 dem Immunsystem teilweise ausweichen kann. Dadurch wird eine Ansteckung mit dieser Untervariante wahrscheinlicher.

Durchbruchinfektion schützt nicht vor BA.5

Schützt der Omikron-Booster trotzdem? Oder ist das Coronavirus mit BA.5 so stark mutiert, dass ein BA.1- beziehungsweise BA.2-spezifischer Booster bereits wieder veraltet ist? Dass das tatsächlich der Fall sein könnte, darauf deutet eine neue Studie von Biontech-Forschenden hin, die im Fachjournal "Science Immunology" erschienen ist. Demnach gewannen zweifach und dreifach mit Biontech/Pfizer Geimpfte durch eine Durchbruchsinfektion mit Omikron BA.1 kaum zusätzliche neutralisierende Antikörper gegen BA.4 und BA.5 hinzu.

Der Impfdurchbruch führte zwar zu einem Wachstum an Antikörpern gegen alle vorherigen Varianten inklusive BA.1. Doch gegenüber den neuen Linien BA.4 und BA.5 waren die Werte ähnlich niedrig, wie bei dreifach Geimpften ohne Impfdurchbruch. Die Werte waren zudem etwa sechsfach geringer als gegen das ursprüngliche Wuhan-Virus.

Die Forschenden um Jasmin Quandt nehmen bestimmte Immun-Mechanismen als Ursache dafür an. So werden bei einem Impfdurchbruch solche Antikörper gestärkt, die sich gegen Regionen des Virus richten, die sich zwischen den Varianten nicht verändert haben. Es kommt aber seltener zur Bildung völlig neuer B-Zellen, die Antikörper produzieren. Treten dann neue Varianten auf, bei denen sich die bislang erhaltenen Regionen verändert haben, greifen auch diese Antikörper schlechter.

"Das derzeitige Verfahren ist zu langsam"

Für Sebastian Ulbert wäre es somit wenig überraschend, wenn die Virusevolution weiterhin schneller ist als die Impfstoffentwicklung. "Wenn ein Virus wie Sars-CoV-2 pandemisch zirkuliert, wird man bei der Impfstoffentwicklung immer hinterherhinken, selbst mit flexiblen Technologien wie der mRNA-Impfung", sagte der leitende Immunologe am Fraunhofer Institut für Immunologie und Zelltherapie (IZI) dem MDR. Das liegt daran, dass die Impfstoffe sehr spezifisch auf bestimmte Oberflächenstrukturen der Viren, vor allem das sogenannte Spike-Protein, zugeschnitten sind. Wenn diese sich durch Mutation verändern, sind die Impfstoffe nicht mehr so wirksam. Das wird noch mehr gelten, wenn zukünftige Varianten vielleicht noch größere Veränderungen aufweisen.

"Es zeigt sich, dass das derzeitige Verfahren der Impfstoffanpassung zu langsam ist", erklärt Virologin Sandra Ciesek. Denn bisher müssen auch die angepassten Impfstoffe vor ihrer Zulassung erst einmal auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Das ist ein langwieriges Verfahren.

Wie es auch anders laufen kann, zeigt die jährliche Zulassung der Grippeimpfstoffe. Hier wird das Virus in seiner Evolution weltweit beobachtet und der Impfstoff jedes Jahr aufs Neue angepasst, ohne dass für die Zulassung neue Wirksamkeitsstudien nötig wären. "Vielleicht müssen wir bei Sars-CoV-2 auch dahin kommen, wenn wirklich nur die Sequenz vom Spike angepasst wird", so Ciesek.

Auch wenn der Omikron-Booster gegen BA.5 nicht die gewünschte Wirksamkeit erziele, sei die Entwicklung solcher angepassten Vakzine dennoch sinnvoll, betont Immunologe Reinhold Förster von der Medizinischen Hochschule Hannover. "Es kann ja sein, dass irgendwann eine Pi-, Rho- oder Sigma-Mutante auftaucht, gegen die beispielsweise der angepasste Omikron-BA.2-Impfstoff plötzlich eine hervorragende Wirkung zeigt", sagte er der "Welt". Deshalb müsse man so viele verschiedene Vakzine wie möglich entwickeln. "Denn dann müsste man irgendwann nur noch die Schublade aufziehen und kann hoffentlich sagen: Ja, gegen die neue Pi-Mutante sollte Impfstoff zwölf eigentlich gut wirken", sagt Förster. So etwas ließe sich im Labor sehr schnell testen.

Quelle: ntv.de

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