Razzien bei Berliner AntifaschistInnen

Antifa heißt Angriff heißt kriminell

Berlin. In Berlin häufen sich die Hausdurchsuchungen bei aktiven AntifaschistInnen. Als Gründe dafür reichen Parolen, die seit Jahren in der gesamten antifaschistischen Bewegung verwendet werden und neuerdings angeblich zu Straftaten aufrufen, wie zum Beispiel "Antifa heißt Angriff!".

In der Nacht vom 14. zum 15. Januar ’98 durchsuchte die Berliner Polizei eine Wohnung, nachdem zivile Schnüffler einige Stunden zuvor drei AntifaschistInnen beim Plakatieren in Gewahrsam genommen hatten. Der Vorwurf, der ein sofortiges Eingreifen mit der Begründung "Gefahr in Verzug" rechtfertigen sollte, lautete "wildes Plakatieren" – im schwersten Falle ist das eine leichte Sachbeschädigung – und Aufruf zu Straftaten. Das Plakat rief mit dem Motto "Antifa heißt Angriff" zu einer Demonstration am Kriminalisierter Aufkleber. 17. Januar auf, die zu der Faschokneipe "Schwabenstube" in Berlin Schöneberg führte und zu der etwa 200 AntifaschistInnen kamen. Dort fand am gleichen Tag eine Veranstaltung mit dem Junge Freiheit-Schreiberling Dieter Stein und dem Vorsitzenden der Deutschland-Bewegung und Chefideologen der Neuen Rechten Mechtersheimer statt. Eine angebrachte Antwort auf das repressive Vorgehen der Berliner Polizei folgte zeitgleich mit der Hausdurchsuchung: Unbekannte warfen sämtliche Scheiben der "Schwabenstube" ein. Desweiteren gingen bereits zum zweiten Mal die Scheiben des "Café Germania" in Berlin Lichtenberg zu Bruch.

Bereits am 10. Dezember ’97 hatte es in Berlin bei sieben AntifaschistInnen Hausdurchsuchungen gegeben. Begründung für die Razzien war auch hier die "öffentliche Aufforderung zu Straftaten" sowie eine "gemeinschaftlich begangene Sachbeschädigung". Diese Konstrukte entstanden zum einen wegen eines Aufklebers, auf dem es hieß "7. Februar1998, auf nach Passau – NPD-Kongreß angreifen!", der inzwischen eine bundesweite Verbreiterung gefunden hat. Die Sachbeschädigung wurde aus einer Aktion hergeleitet, bei der in Berlin Straßenschilder in der Danziger Straße mit ihrem ursprünglichen Namen "Dimitroffstraße" überklebt wurden, um zu zeigen, wie staatliche Organe versuchen, die Erinnerung an KommunistInnen, die gegen den Faschismus gekämpft haben, zu verhindern.

Berlin - Bullenstadt, wir haben dich zum Kotzen satt!

Bei den Hausdurchsuchungen, bei denen zum Teil brutal gegen BewohnerInnen vorgegangen oder ohne Durchsuchungsbeschluß andere private Räume durchsucht wurden, nahmen die Staatsschützer Unmengen an Datenträgern, Papieren, Telefonnummern, persönlichen Unterlagen sowie Kopien der Festplatten von Computern mit. Das Ziel dieser Akion des Staatsschutzes zeigte sich auch dadurch, daß bei Zeugen im Ermittlungsverfahren Wohnungen durchsucht wurden, auch über Berlins Grenzen hinaus. Der koordinierte Einsatz ermöglichte zeitgleiche Razzien in Kyritz (Land Brandenburg) und Göttingen. Bei einem Zeugen in Berlin wurde die Wohnungstür eingetreten, weil dieser nicht anwesend war.

Bei der Hausdurchsuchung in Göttingen bei einem ehemaligen Angeklagten im §129-Verfahren gegen die Autonome Antifa (M) wurden lediglich auf Berlin verweisende Sachen beschlagnahmt. Die Ausbeute waren ein Plakat, ein drei Jahre alter Text sowie fünf Aufkleber. Allerdings nahmen die Göttinger Bullen einen Mitbewohner unter Zwang mit zur sogenannten erkennungsdienstlichen Behandlung. Wie auch schon in einem Fall im November ’97 (EinSatz! berichtete) versuchten die Staatsschützer eine Speichelabnahme zum Zwecke einer DNA-Analyse abzunehmen. Das konnte erst abgewendet werden, nachdem mehrmals darauf hingewiesen wurde, daß dafür ein richterlicher Beschluß vorliegen müsse.

"Hausdurchsuchungen wegen des Verklebens von Aufklebern, DNA-Analysen wegen geringfügiger Sachbeschädigung, Knüppeleinsätze gegen Personen, die Kapuzen auf Demonstrationen tragen, willkürliche Fahrzeugkontrollen im Vorfeld von Demonstrationen fern ab vom eigentlichen Veranstaltungsort, all dies zeugt von einem unbedingten Kriminalisierungswillen gegen jegliche Art von linkem Widerstand. Der vollkommen unverhältnismäßige Ermittlungsaufwand wegen Lappalien zielt einzig und allein auf die Einschüchterung und Zerschlagung linken Widerstandes ab." heißt es in einer Presseerklärung der Autonomen Antifa (M).

In Berlin war es in den letzen Monaten verstärkt zu militanten Aktionen von HausbesetzerInnen, Sprayern sowie AntifaschistInnen gekommen. Angriffsziele waren neben Nazis die rassistische Tengelmann-Gruppe sowie Bullen. Geschürter Rassismus durch Schlagworte wie Ausländerkriminalität und die Forderung nach einer Polizeiarmee, die gegen Feinde im Inneren vorgeht, sind auch genau die Faktoren, die Ex-General Schönbohm (Berliner Innensenator) auf seinem Kurs zur Inneren Sicherheit durchzusetzen versucht. Für Schönbohm und seine Staatsschützer ist der Fahndungsdruck nun enorm gestiegen, denn der wachsende Widerstand zeigt, daß egal wieviele Polizisten Berlins Straßen (un)sicher machen, ihre Innere Sicherheit nicht gewährleistet werden wird. Das Ziel seiner Polizeiarmee, Berlin zur Vorzeigestadt der Inneren Sicherheit zu machen, wird Schönbohm nicht erreichen, wenn sich der Widerstand weiterhin nicht einschüchtern läßt und unter den veränderten Umständen neue Formen entwickelt werden.

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