Blackfacing im Cosplay

Blackfacing im Cosplay

Blackfacing ist ein Begriff, der dafür verwendet wird, um zu kennzeichnen, dass eine Person ihre Hautfarbe wissentlich verändert hat, um als Angehörige einer anderen Ethnizität zu erscheinen.

Im Fandom begegnet uns diese Phänomen vor allem im Bereich Cosplay, wo blackfacing immer wieder kontrovers diskutiert wird. Eine Fraktion (zum größtenteils hellhäutige Cosplayer*innen) besteht darauf, dass die Veränderung der Hautfarbe zur perfekten Darstellung des Charakters dazugehört, genau wie gelbe Haut zu den Simpsons. Davon abgesehen, dass Silikonprothesen, Körperformern oder andere Hilfsmittel viel seltener zum Einsatz kommen als dunkles Make-up um diese „Authentizität“ zu erreichen von der sie sprechen, kann man fast alle Kostüme auch komplett ohne Hauttonveränderung erkennen. Auf der anderen Seite steht eine Gruppe von Menschen, die seit vielen Jahren versucht zu erklären, warum ihre Herkunft kein Kostüm ist und wie schädlich das Bild der ablegbaren Hautfarbe für ihre Identität ist.

 

Empathie für Maginalisierte und Bewusstsein für die eigenen Privilegien

Der Grund dafür, dass man sich nicht als Person of Color schminken sollte, liegt in der jahrhundertelangen Diskriminierung, die Menschen unterschiedlichster Herkunft erfahren mussten. An diesem Punkt möchte ich auch ausdrücklich betonen, das neben blackfacing auch brown-, red- und yellowfacing problematisch sind. Der Ursprung liegt in Kolonialisierung, Versklavung und Marginalisierung von Menschen mit nicht-europäisch anmutender Hautfarbe auf der ganzen Welt, aber besonders in der „westlichen“ Welt in der wir uns in unserem Fan-Dasein befinden (Ja, Japan gehört zur westlichen Welt). Sie können sich nach einem Tag auf der Convention (oder im Büro, oder auf der Straße) nicht einfach abschminken und wieder die Privilegien einer hellen Hautfarbe genießen. Sie werden jeden Tag daran erinnert, dass es Leute gibt, die sie aufgrund ihrer Herkunft für „weniger wert“ befinden und sich selbst gedanklich über sie stellen.

Eine Gesellschaft, in der „Hautfarbe“ hellbeige ist, die meisten Friseure noch nie krauses Haar geschnitten haben und der dunkelste Make-up Ton „Karamell“ heißt, ist nicht rassismusfrei – egal wie sehr sich das manche weiße Menschen in ihrer kleinen heilen Welt Bubble wünschen. Diese Tatsache zu akzeptieren ist der erste Schritt zum Verständnis. Rassismus ist immer noch ein Problem. Es gibt ihn hier in unserem direkten Umfeld und vermutlich haben wir auch einige rassistische Einstellungen bereits als Kinder gelernt und noch nicht abgelegt. Damit möchte ich keineswegs jeden grob als Rassist beschimpfen. Das Ent-Lernen von rassistischen Denkmustern ist harte Arbeit und eine lebenslange Aufgabe, der man sich bewusst stellen muss.

Die bloße Tatsache, dass wir uns in unserem Alltag nicht mit Rassismus beschäftigen müssen, ist ein Privileg unserer Herkunft. Der Begriff „white privilege“ ist im Internet oft zitiert und wird leider häufig missverstanden. Es geht nicht darum, dass das Leben für ein Individuum nicht schwer ist, oder dass andere systemische Probleme (z.B. Sexismus, Behindertenfeindlichkeit, religiöse Intoleranz oder sozioökonomische Faktoren) nicht existieren. Es bedeutet einfach nur, dass das Leben nicht aufgrund der Hautfarbe noch schwerer gemacht wird. Es beschreibt das Privileg, sich keine Gedanken um Diskriminierung im Bezug auf die Hautfarbe oder Herkunft machen zu müssen.

 

Repräsentation in den Medien und Cosplay als Kunstform

Es gibt durch den Mangel an Repräsentation unproportional wenige Charaktere, bei denen jemand mit brauner Haut sich nicht komplett verändern müsste, um diesen „perfekt“ darzustellen. Die Diversifizierung in den Medien nimmt in den letzten Jahren immer weiter zu, doch das Verhältnis ist noch lange nicht ausgeglichen. Eine Einschränkung auf Charaktere mit der eigenen Hautfarbe würde bei Cosplayer*innen of Color somit zu einer bedeutend kleineren Auswahl führen, als dies für eine hellhäutige Person der Fall ist. Das Bedürfnis einen Charakter darzustellen, den man mag, sollte allerdings nicht durch die körperliche Ähnlichkeit eingeschränkt werden. Viele Hauptcharaktere (und damit beliebte Cosplay Charaktere) sind nun mal hellhäutig, da unsere derzeitige Medienlage dies so vorgibt. Dadurch werden Cosplays häufig als „schwarze Sailor Moon“ oder „schwarzer Superman“ bezeichnet, statt einfach nur als Sailor Moon oder Superman. Diese Kennzeichnung als „anders“ trägt zur Spaltung der Gesellschaft und zur Stigmatisierung des „anders sein“ bei und ist daher nicht inklusiv. Cosplay ist als Hobby eine Mischung aus Handwerk und Schauspiel und sollte somit als Kunstform angesehen werden. Genau wie wir Menschen den Freiraum geben ihre eigenen Charaktere zu kreieren oder Mash-ups zu gestalten, sollte die Ausdrucksfreiheit im Cosplay ebenso die Darstellung eines Charakters als POC gelten. Zudem impliziert das Verlangen nach der Hauttonveränderung als essenzieller Schritt zur perfekten Darstellung eines Charakters, dass jemand mit dunkler Hautfarbe, der diese nicht aufhellt, um einen hellen Charakter darzustellen, diesen nicht ideal widerspiegelt. Da aber eine solche Aufhellung je nach Ausgangshautfarbe und Zielfarbton schlichtweg unmöglich ist (oder professionelles Equipment benötigt), ist ein solcher Standard unerreichbar und somit eine weitere Diskriminierung gegen eine Gruppe von Menschen innerhalb der Community.

 


Wenn nun nach dieser Erklärung wie immer die bewährte Diskussion auftaucht dass doch bitte „jeder cosplayen darf was er will“, dann stimme ich euch insofern zu, als dass diese Aussage auf jeden Fall stimmt. Und wende mich mit der Bitte an euch, diese Einstellung dann auch körperlich beinträchtigten Personen, Menschen unterschiedlicher Herkunft oder auch einfach übergewichtigen Cosplayer*innen zuzugestehen und nicht nur den hübschen, weißen Männern und Frauen, die gerne mal für einen Tag eine „heiße Latina“ oder ein „harter Afroamerikaner“ wären, um danach wieder in ihre priviligierte „Normalität“ zurück kehren zu können.


 

In der Community wird immer wieder gerne betont, dass Cosplay vor allem Spaß machen sollte; dass man Charaktere darstellen sollte, die man liebt; dass man alles nach den eigenen Fähigkeiten und Mitteln umsetzen soll. In der Realität gibt es leider trotzdem sehr viel negative Rückmeldungen. Neben Kommentaren zur Qualität des Cosplays beziehen diese sich auch sehr häufig auf die körperliche Ähnlichkeit. Diese Kommentare reichen von Body-Shaming, über Altersdiskriminierung und Ableismus bis hin zur Kritik an der Hautfarbe oder Herkunft einer Person. Diese Art der Anfeindung ist immer unangebracht und sollte aus unseren Verhaltens- und Denkmustern verschwinden. Es beginnt in unseren Köpfen, muss sich über die Sprache ausbreiten und sich dadurch in den Herzen manifestieren. Wir sind auf einem guten Weg und haben im Vergleich zur Vergangenheit schon einige Fortschritte gemacht. Aber um in der Zukunft dieses Thema nicht mehr ansprechen zu müssen, gibt es noch viel zu tun. Und die Lösung liegt bei uns selbst. Wenn wir aktiv Ent-Lernen, was uns beigebracht wurde und dieses Wissen dann an die jetzige und nächste Generation weitergeben, sind wir Teil der Lösung, statt des Problems.

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4 Antworten

  1. Entschuldige. Aber deiner Logik nach zu urteilen dürften Männer sich dann auch nicht mehr als weibliche Charaktere verkleiden. Es ist einfach ein unbestreitbarer Fakt, dass Frauen in der Welt viel eher diskriminiert werden. Können die das denn ,,ablegen“? Mir wäre es ja recht, wenn man nicht immer diesem Double-Standard verfallen würde. Ist hier ganz klar der Fall.

    1. Hallo und danke für dein Interesse an diesem Beitrag.

      Ich „entschuldige“ und erkläre gerne meine Logik, nach der du zu urteilen vermagst:
      Zunächst mal hast du natürlich definitiv recht, dass Frauen in der Welt und in der Geschichte viel eher diskriminiert werden als Männer. Allerdings störe ich mich ein wenig an der Frage des „Ablegens“ seiner Geschlechter Präsentation.

      Als ehemalige Studierende von Sozialgeschichte und als queere Frau habe ich mich viel mit Geschlechterrollen, -präsentation und -identität beschäftigt und erkannt, dass die in westlichen Kulturkreisen vorherrschende Auffassung sehr modern und eingegrenzt ist.
      Es gibt und gab überall auf der Welt und in der Weltgeschichte kulturelle Normen zur Geschlechterpräsentation und Interpretationen dazu, was einen Mann zu einem Mann und eine Frau zu einer Frau macht. In unserer Kultur sind viele dieser Normen auf Äußerlichkeiten bezogen, oder auf die Reproduktionsfähigkeit beschränkt. In dieser eingeschränkten Sicht kann es schnell dazu kommen, dass mit einer Definition Menschen ausgeschlossen werden, obwohl sie sich selbst zu dieser Gruppe zählen würden. Das naheliegenste Beispiel hier ist das der transmenschen, aber da zu diesem Thema auch häufig Diskussionen aufkommen möchte ich andere Beispiele nennen: Wenn man Frau als „Person mit Uterus“ definiert, ist dann eine Frau nach einer Hysterektomie keine Frau mehr? Bei der Definition „Mensch der Kinder gebären kann“ fallen alle Frauen ab einem gewissen Alter aus dieser Kategorie raus, da sie mit Eintreten der Menopause nicht mehr gebären können. Auch bei der Definition von Mann können wir nicht auch „Menschen mit Bartwuchs“ zurück greifen ohne einige Frauen mit einzuschließen und „Menschen mit Penis“ beinhaltet manche Intersexmenschen, während „Menschen mit erhöhtem Testosteronspiegel“ die individuellen und zyklisch wechselnden Hormonspiegel der Menschheit außer Acht lässt.
      Ich persönlich bin kein Freund der Geschlechtsbinarität, doch selbst wenn man davon ausgeht das es diese gibt möchte ich gerne in Frage stellen, welche äußeren Merkmale dafür entscheidend sind und ob ein „Verkleiden als das andere Geschlecht“ überhaupt möglich ist, oder ob wir hier nicht stattdessen von einer alternativen Präsentation des Selbst sprechen sollten. Wie verkleidet sich ein Mann als weiblicher Charakter? Indem er ein Kleid anzieht? Eine Langhaarperücke trägt? Make-up verwendet? All diese Merkmale können genau so auf einen männlich identifizierenden Charakter zutreffen. Somit kann jeder Mensch anhand seiner äußeren Präsentation sehr wohl entscheiden, ob die Wahrnehmung von außen eher als männlich oder weiblich empfunden wird, je nachdem ob man sich an die entsprechenden sozio-kulturellen Normen der vorherrschenden Bevölkerung hält. Solche Beispiele kennen wir aus der Geschichte unter anderem mit männlichen präsentierenden Frauen die studieren oder Medizin praktizieren wollten und weiblich präsentierenden Männern, die sich Militärdiensten oder familiären Verpflichtungen entziehen wollten.

      Anders als die kulturell geprägten Merkmale der Geschlechterpräsentation, ist die Hautfarbe ein äußerliches Merkmal, das weder grundlegend beeinflusst noch verändert werden kann. Von daher bestätige ich dich auch in deiner Aussage, dass ich hier mit einem Double-Standard arbeite, da die Standards dieser beiden Aspekte tatsächlich sehr unterschiedlich sind und daher auch nicht gleich behandelt werden sollten.
      Außerdem möchte ich zusammenfassend darauf hinweisen, dass ich niemals gesagt habe (und auch nicht implizieren wollte) dass ein Charakter aufgrund der Hautfarbe nicht als Cosplay in Frage kommt. Ich habe lediglich darauf hingewiesen, dass die Veränderung der Hautfarbe durch Make-up dafür unnötig und für viele marginalisierte Personen verletzend ist.

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