fährt bis nach Göstling

Erstellt am 09. Juli 2013 | 00:00
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hinter sich. Von Wien bis ins Mendlingtal kann man jetzt an Wochenenden mit Öffis reisen.
Von Nina Pöchhacker und Eva Lugbauer

GÖSTLING, LUNZ / Mit Schaffnerkappe und Trillerpfeife bestückt lässt Heinz Lukas den Blick aus dem Zug ins vorbeiziehende Ybbstal schweifen. „Wissen Sie, ich bin ein ferrosexueller Halbwahnsinniger“, sagt er. Was er damit meint? „Ich bin vom Eisenbahn-Fieber infiziert. Die Eisenbahn ist meine Leidenschaft.“ Der Pensionist leistet ehrenamtlich Zug- und Streckendienst im Ötscherland-Express – etwa 240 freiwillige Arbeitsstunden im Jahr. Lukas hat Routine, beim Dienst im Museumszug wirft ihn nichts so schnell aus der Bahn.

Doch der vergangene Mittwoch war auch für Lukas ein besonderer Tag: Der Ötscherland-Express, der bis jetzt nur von Kienberg-Gaming bis Lunz verkehrte, tuckerte bei einer Testfahrt zum ersten Mal weiter bis nach Göstling. Ab 20. Juli wird der fahrplanmäßige Betrieb starten.

„Nach 23 Jahren ist es zum ersten Mal möglich, dass man von Wien bis Göstling öffentlich fahren kann. Das ist großartig“, freut sich Lukas, der auch Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Lokalbahnen (ÖGLB) ist, welche den Museumsbahnbetrieb zwischen Kienberg-Gaming und Lunz seit 1990 aufrecht erhält.

Von Juni bis September ist der Nostalgiezug seither an Wochenenden im Einsatz. Er ist hauptsächlich für Touristen Anziehungspunkt und kutschierte im vergangenen Jahr an die 8.000 Besucher durch das Ötscherland.

Einst Ybbstalbahn, jetzt Ötscherland-Express 

Einst war die Strecke Kienberg-Gaming auch als Schmalspurbahn mit Linienverkehr geführt, doch das ist schon lange her. Mit einer Steigung von bis zu 31% und einer Spurweite von 760 Millimetern ist der Ötscherland-Express die steilste Schmalspurbahn Österreichs. Die ÖBB stellte die Züge 1988 ein. Zwei Jahre später ging der Zug als Museumsbahn auf Schiene, die Verlängerung der Strecke bis nach Göstling blieb bis heuer ein Traum. Denn die Schienen von Lunz nach Göstling sind noch von der Ybbstalbahn vorhanden, wo die ÖBB 2009 den Betrieb einstellte. Seither lag die Bahntrasse brach.

Obwohl die Schienen jetzt vier Jahre nicht befahren wurden, waren nur kleine Renovierungsarbeiten notwendig, weiß der Präsident der ÖGLB, Werner Schiendl: „Einige Schwellen mussten getauscht werden. Wir fahren mit 25 Stundenkilometern, für diese Geschwindigkeit sind keine Renovierungen notwendig.“ Nur ein wenig Unkraut sei in der Zwischenzeit über die Schienen gewachsen: „Aber da fährt die Eisenbahn drüber“, lacht Schiendl.

Am Göstlinger Bahnhof angekommen, ist die Reise aber noch nicht zu Ende. Denn auf Initiative der Mobilitätszentrale Mostviertel des Regionalmanagments NÖ konnten mit der Gemeinde Göstling, dem Göstlinger Tourismusbüro, Vertretern des Verkehrsverbunds Ost-Region, der Firma N-Bus und den Betreibern des Ötscherland-Expresses der Fahrplan des Nostalgiezuges und jener des öffentlichen Verkehrs aufeinander abgestimmt werden. „Für uns ist wichtig, dass diese Schnittstellen funktionieren“, betont Regionalmanager Karl Becker.

Vom Zug geht es also direkt in den Linienbus. Die Mostviertel-Linie 13 legt an Wochenendtagen einen Stopp am Bahnhof Göstling ein und bringt die Fahrgäste zum Einstieg in das Mendlingtal. Auch für den Rücktransport zum Bahnhof ist gesorgt. Wer das Mendlingtal durchwandert hat und bei der Jausenstation Hammerherrenhaus angekommen ist, für den steht um 15 Uhr ein gratis Bus zum Bahnhof bereit, finanziert von der Gemeinde Göstling.

Bürgermeister Franz Heigl erhofft sich dadurch auch einen Besucherzuwachs in seiner Gemeinde: „Das Mendlingtal ist ein großes Aushängeschild der Gemeinde, es kommen 25.000 Besucher pro Jahr hierher. Diese Zahl möchten wir mit diesem zusätzlichen Angebot noch steigern.“

Einen ersten Testfahrer, der die Strecke von Wien bis Göstling mit Öffis bereiste, gab es auch schon: Georg Huemer vom Verkehrsverbund Ost-Region stieg um halb acht in Wien in den Zug, etwa drei Stunden später stand er vor den Toren des Mendlingtals in Lassing. Dazwischen musste er allerdings fünf Mal umsteigen: in St. Pölten, Pöchlarn, Scheibbs, Kienberg und schließlich in Göstling. „Die Fahrpläne sind aber perfekt aufeinander abgestimmt“, ist Huemer stolz. „Mit dem Auto wäre ich auch nicht sehr viel schneller gewesen.“

Und auch wenn die halbleeren Mostviertel-Linien-Busse und N-Busse von manchen sarkastisch als „Geisterbusse“ bezeichnet werden, so ist man sich einig: „Der öffentliche Verkehr hat Zukunft.“ Außerdem ist nicht zuletzt die Fahrt mit der Museumsbahn ein Erlebnis, wird man doch für einige Stunden in eine längst vergangene Zeit entführt.

Für den „ferrosexuellen Halbwahnsinnigen“ Heinz Lukas Grund genug, den Ötscherland-Express weiterhin mit seinen Diensten zu unterstützen: „Schließlich sollen auch unsere Enkel noch sehen, wie man vor 100 Jahren mit dem Zug gefahren ist.“